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Thomae, Walter
Das Proportionenwesen in der Geschichte der gotischen Baukunst und die Frage der Triangulation — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Band 13: Heidelberg: Verlag von Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.65298#0028
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Theoretisch-methodische Einleitung — Geschichtlicher Teil

Koinzidenzen jede Beweiskraft zugunsten des einen oder anderen fehlt. Das
gilt in Chartres von der Nämpferfläche unter dem Gewölbe, in Amiens und
Nöln (5lbb. kl) vom Gewölbeschlutzstein (mit seiner Unterfläche). Noch häufiger
mutz der Zusammenfall bei den Systemen möglich sein, wo die Gotik selbst
(Quadrate oder diesen nahekommende Rechtecke überliefert hat, nämlich in vielen
Grundrissen. Oer Auszug von drei Schiffen des Nölner Sgstems zeigt lauter
saubere (Quadrate (Abb. l2). Ein hier eingezeichnetes gleichseitiges Dreieck trifft
mit der Spitze so nahe in den Scheitel des vierten Gewölbes, datz man auf einer
Zeichnung in Luchgrötze den Kehler nicht bemerkt. Oie Noinzidenz ist also eine
Selbstverständlichkeit und hat keine Beweiskraft.
Oie rein theoretische Betrachtung hat uns also gezeigt: das Dreieck im all-
gemeinen ist das chuerschnittschema pyramidal sich aufbauender Gebäude. Das
spitzwinklige Dreieck ist eine Sonderfigur der Gotik, welche aber einen weiten
Spielraum durchläuft. Oie Wiederkehr dieses Dreiecks als Grundfigur an ge-
wissen Stellen der Gebäude bedeutet nur, datz dieses Urmotiv nach den Grund-
sätzen der motivischen Arbeit in zahlreichen Variationen den Bau durchzieht und
seinen Stil mitbestimmt. Zn diesem Spielraum ist das gleichseitige Dreieck als
Linzelfall selbstverständlich, durchgängig aber nicht zu erwarten. Dem Uber-
und Nebeneinanderbau der Dreiecke konnten wir keine Bedeutung zuerkennen.
Nun ist aber bereits erwähnt worden, datz literarisch-graphische chuellen
aus den letzten zwei Jahrhunderten der Gotik vorhanden sind, welche uns
beweisen, datz das gleichseitige Dreieck als Nonstruktionsmittel tatsächlich bekannt
war. Mir haben also nun eine
I. rein geschichtliche Aufgabe zu lösen, nämlich an diesen (Quellen zu er-
weisen, was man damals unter Triangulation verstand und welchen Wert man
ihr zuschrieb. Dann erst sind wir berechtigt
II. eine Triangulation der Denkmäler selbst, aber immer nur in den
Grenzen des damaligen Begriffes, zu versuchen, und uns nach etwaigen Bestä-
tigungen der Aussagen der Theoretiker umzusehen. Zm Anschluß daran endlich
wird es unsere Aufgabe sein,
HI. die modernen Arbeiten von Dehio, Orach u. a. auf ihre Methode
und ihre Ergebnisse zu untersuchen. Zch bemerke nur, datz diese Arbeiten so
wenig historisch-exakte Methode zeigen, datz von ihnen auszugehen eine Un-
möglichkeit ist. Zch greife vielmehr auf den Urstoff der Aufgabe zurück.

Geschichtlicher Teil.
Oie primären (Quellen für den Gebrauch von Hilfslinien am Bau können
niemals die Denkmäler selbst sein, da sie keine Hilfslinien enthalten und keine
enthalten können, sondern nur die literarisch-graphischen Überlieferungen, also
etwa vorhandene Zeichnungen, Drucke von Plänen oder gedruckter und ge-
 
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