zelnden Ausdruck geben. Zug um Zug gleicht die Eltvillerin der Aschaffen-
burger Madonna. Die Flachheit des eigentlichen Gesichts, die Konzentration
der einzelnen Organe nach der Mitte zu bei breiten Wangenflächen, die Wag-
rechten des Mundes und der räumlich gebildeten Augen, die Schönheitsfalte
zwischen Doppelkinn und Hals, die schlichten Haarwellen sind Zeugen eines
Meisters, der sich bei beiden Werken der gleichen Formen bediente zur Ver-
wirklichung seines milden Madonnenideals. Etwas herber und reifer ist die
Stimmung der Eltvillerin, der Kopf ist ein wenig länger geworden, die Stirn
fester durchorganisiert, der Typ im ganzen in sich geschlosssener und frau-
licher.
Auch in der Behandlung des Gewandes und Körpers sind alle flachen und
befangenen Bildungen weiterentwickelt. Die gebrochene Sackfalte, die sich
in Aschaffenburg unter Marias rechtem Arm noch eng an den Körper preßte,
ist in Eltville aufgelockert zu einem organisch hängenden, weiten Sack, aus
dessen dunkler Schattenhöhle der Arm heraustritt. Der Umschlag unter dem
Fuß des Kindes, der dort eckig und flach anlag, entfaltet hier seinen Filzstoff
blütenkelchähnlich in einer weichen Rundung, deren Umbiegung durch Pässe
und Dellen belebt ist. Die Schüsselfalten hängen, dem Gewicht des Tuches
folgend, schwerer, und sind in ihre Umgebung verschifften. Die Kämme wer-
den weiter herausgezogen, sinken mit ihren Rücken leicht nach innen und
speichern Schattenmassen in sich auf. Ausgesprochen scharfe Knicke stauen
sich nur noch über dem vorgestellten Fuß. Durchgefühlter als bei der Vor-
gängerin ist der Körper, der sich ohne den Bruch in der Hüfte leicht mit
voller Brust und gepolstertem Hals aus dem Faltenmeer heraushebt. Wäh-
rend die Aschaffenburgerin nur in der Fläche schwingt, nützt die Eltvil-
lerin den Raum aus. Die rechte Schulter geht mit dem Arm stark zurück, die
linke Hand umgreift in runder Bewegung das Tuch. Aus dem Streben, der
Jungfrau durch wagrechte Ausbalancierung der Sichel eine breite Basis zu
geben, spricht ein langsames Hinüberreifen in die Renaissance, ohne Bruch
mit der Tradition. Auch diese Figur hat eine zeitliche Parallele in der Main-
zer Plastik. Ähnliche Sporn- und Staubildungen treten bei dem heiligen Boni-
fatius am Denkmal des Berthold von Henneberg ^1503) auf. Die Madonna
fügt sich so gut in den Stil kurz nach der Jahrhundertwende ein, daß ich sie,
entgegen der Ansicht Dehios206), den prorenaissancehaften Typen zurechnen
möchte, die sich vor dem zweiten Barock entwickeln und dann von ihm auf-
gesogen werden.
Dieser Madonna eng verwandt in Aufbau und Komposition ist eine Mutter
Gottes in Rauental. Die Ähnlichkeit der Züge mit denen der Eltvillerin T. 35c
und die Verwandtschaft der Kinder ist so groß, daß sich eine nähere Be-
sprechung erübrigt. Ihrem Stil nach ist sie die vorgeschrittenere, die Auf-
lösung des Gewandes geht bei ihr noch weiter. Die Sackfalten brechen über-
haupt nicht mehr in zwei Ecken, sondern runden sich in Paßbildungen, die
206) Dehio setzt sie ebda. um 1515 an.
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burger Madonna. Die Flachheit des eigentlichen Gesichts, die Konzentration
der einzelnen Organe nach der Mitte zu bei breiten Wangenflächen, die Wag-
rechten des Mundes und der räumlich gebildeten Augen, die Schönheitsfalte
zwischen Doppelkinn und Hals, die schlichten Haarwellen sind Zeugen eines
Meisters, der sich bei beiden Werken der gleichen Formen bediente zur Ver-
wirklichung seines milden Madonnenideals. Etwas herber und reifer ist die
Stimmung der Eltvillerin, der Kopf ist ein wenig länger geworden, die Stirn
fester durchorganisiert, der Typ im ganzen in sich geschlosssener und frau-
licher.
Auch in der Behandlung des Gewandes und Körpers sind alle flachen und
befangenen Bildungen weiterentwickelt. Die gebrochene Sackfalte, die sich
in Aschaffenburg unter Marias rechtem Arm noch eng an den Körper preßte,
ist in Eltville aufgelockert zu einem organisch hängenden, weiten Sack, aus
dessen dunkler Schattenhöhle der Arm heraustritt. Der Umschlag unter dem
Fuß des Kindes, der dort eckig und flach anlag, entfaltet hier seinen Filzstoff
blütenkelchähnlich in einer weichen Rundung, deren Umbiegung durch Pässe
und Dellen belebt ist. Die Schüsselfalten hängen, dem Gewicht des Tuches
folgend, schwerer, und sind in ihre Umgebung verschifften. Die Kämme wer-
den weiter herausgezogen, sinken mit ihren Rücken leicht nach innen und
speichern Schattenmassen in sich auf. Ausgesprochen scharfe Knicke stauen
sich nur noch über dem vorgestellten Fuß. Durchgefühlter als bei der Vor-
gängerin ist der Körper, der sich ohne den Bruch in der Hüfte leicht mit
voller Brust und gepolstertem Hals aus dem Faltenmeer heraushebt. Wäh-
rend die Aschaffenburgerin nur in der Fläche schwingt, nützt die Eltvil-
lerin den Raum aus. Die rechte Schulter geht mit dem Arm stark zurück, die
linke Hand umgreift in runder Bewegung das Tuch. Aus dem Streben, der
Jungfrau durch wagrechte Ausbalancierung der Sichel eine breite Basis zu
geben, spricht ein langsames Hinüberreifen in die Renaissance, ohne Bruch
mit der Tradition. Auch diese Figur hat eine zeitliche Parallele in der Main-
zer Plastik. Ähnliche Sporn- und Staubildungen treten bei dem heiligen Boni-
fatius am Denkmal des Berthold von Henneberg ^1503) auf. Die Madonna
fügt sich so gut in den Stil kurz nach der Jahrhundertwende ein, daß ich sie,
entgegen der Ansicht Dehios206), den prorenaissancehaften Typen zurechnen
möchte, die sich vor dem zweiten Barock entwickeln und dann von ihm auf-
gesogen werden.
Dieser Madonna eng verwandt in Aufbau und Komposition ist eine Mutter
Gottes in Rauental. Die Ähnlichkeit der Züge mit denen der Eltvillerin T. 35c
und die Verwandtschaft der Kinder ist so groß, daß sich eine nähere Be-
sprechung erübrigt. Ihrem Stil nach ist sie die vorgeschrittenere, die Auf-
lösung des Gewandes geht bei ihr noch weiter. Die Sackfalten brechen über-
haupt nicht mehr in zwei Ecken, sondern runden sich in Paßbildungen, die
206) Dehio setzt sie ebda. um 1515 an.
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