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Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier [Hrsg.]
Trierer Jahresberichte: Vereinsgabe d. Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier — NF 7/​8 (Teil 1).1914/​1915(1918)

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Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen für das Jahr vom 1. April 1913 bis 31. März 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.43699#0019
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JAHRESBERICHT I9I3.

5

Dienstag, den IO. März. IV. Vortrag.
Rektor Züscher: Das niedere Schulwesen der Stadt Trier
im 19. Jahrhundert.
Nach einer geschichtlichen Einleitung über den Wechsel der französischen, bayerisch-
österreichischen und preußischen Herrschaft über Trier ging der Vortrag ein auf die räum-
liche und sachliche Begrenzung der Darstellung, führte dann die Schulen auf, die zu Anfang
des Jahrhunderts in Trier und den Vororten bestanden, und die, welche in der Folge
gegründet wurden.
Den unvollkommenen Zustand des Schulwesens im vorigen Jahrhundert zeigen uns
zunächst die in Bauart, Raum und Ausstattung unzulänglichen Schulgebäude, die ursprüng-
lich anderen Zwecken gedient hatten und erst allmählich durch eigentliche Schulhäuser
ersetzt wurden. Von den damals bereits bestehenden Schulen sind zuerst die fünf städtischen
Pfarrschulen zu nennen, die durch die französische Gesetzgebung als Gemeindeschulen
anerkannt wurden. Weiterhin ist zu erwähnen die Kongregationsschule der Welschnonnen,
in dei- von alters her die gesamte weibliche Jugend der Stadt unentgeltlich unterrichtet wurde,
bis die Nonnen am 1. April 1874 durch weltliche Lehrerinnen ersetzt wurden. Im Jahre
1818 wurde von der evangelischen Gemeinde eine Schule gegründet, die am 1. Oktober 1873
auf den städtischen Etat übernommen wurde. Die seit 1824 bestehende israelitische Schule
ging 1891 auf den städtischen Haushaltungsplan über. Eine bei St. Antonius bestehende
Privat-Mädchenschule nahm 1828 den Charakter einer öffentlichen Schule an und entwickelte
sich bald zu einer höheren Töchterschule; sie ging bei der Niederlassung der Ursulinen
(1853) ein. In das Jahr 1828 fällt auch die Gründung der katholischen Armenschule der
Stadt Trier, die jedoch 1877 nach Föhren verlegt wurde. Eine 1855 im Provinzial-Mutterhaus
der Borromäerinnen gegründete Mädchenschule für die Kinder der nächsten Umgebung wurde
1877 aufgehoben.
Die Aufnahme und die Entlassung der Kinder fand früher zweimal, und zwar Herbst
und Ostern statt. Die Schulpflicht war nicht so bestimmt begrenzt wie jetzt. Der Schulbesuch
litt sehr unter den wirtschaftlichen Verhältnissen und der laxen Ahndung der Schulversäum-
nisse, so daß im Sommer im allgemeinen nur etwa die Hälfte der- schulpflichtigen Kinder
zum Schulunterrichte sich einfand. Das Schuljahr begann nach Allerheiligen. Ferien hatte
die Schule nur die Woche nach Ostern und den Monat Oktober.
Die Unterrichtsfächer waren Lesen, Schreiben, Rechnen, worin durchweg dem gemeinen
Manne die notdürftige Fertigkeit vermittelt wurde. Tn dem zweiten Viertel des vorigen
Jahrhunderts treten auch Geographie und Naturgeschichte auf dem Stundenplan der städtischen
Schulen auf. In den 50er Jahren finden sich unsere heutigen Fächer vertreten; Turnen und
Handarbeit kommen in den 60er Jahren in allen städtischen Schulen zur Einführung.
Bis über- die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus war die Schularbeit sehr erschwert
durch die starke Kinderzahl der einzelnen Klassen. Durchweg ließ man die Schulen auf
anderthalbhundert Kinder anwachsen, ehe man an die Gründung einer neuen Klasse herantrat.
Die Schulaufsicht führte seit der preußischen Regierung ein als Kreisschulinspektor
ernannter Geistlicher der Stadt, bis am 1. April 1875 für den Stadt- und den Landkreis Trier
ein weltlicher Kreisschulinspektor angestellt wurde. Die Ortsschulinspektion wurde von den
Pfarrern in den Schulen ihrer Pfarrei wahrgenommen. Die Leitung der Schulen übertrug
die Regierung im Jahre 1874 Hauptlehrern. Bei Einrichtung der sechsklassigen Systeme
1895 bezw. 1897 wurden Rektoren angestellt.
Die Stadt übte ihren Anteil an der Schulverwaltung aus durch einen 1827 gewählten
Ausschuß für Schulangelegenheiten, später Schulkommission genannt, ferner durch die 1852
erwählten Schulvorstände. Eine Erweiterung ihrer Rechte an der Schulverwaltung, nament-
lich inbezug auf Berufung und Anstellung der Lehrpersonen erhielt die Stadt durch die 1900
eingerichtete Schuldeputation.
Die Lehrer der französischen Zeit hatten ihre Befähigung durch eine Prüfung nach-
zuweisen; mit ihren Leistungen war man nach den noch vorliegenden Berichten zufrieden.
Unter der preußischen Regierung werden allmählich die städtischen Schulstellen nur noch
mit Lehrern besetzt, die die Devorasche Normalschule (seit 1816 preußisches Lehrerseminar)
besucht hatten. Um die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erhalten die städtischen Schulen
nach und nach einen zweiten Lehrer. Da die Anstellung eines solchen Lehrers als die
eines Gehilfen angesehen wurde, nahmen diese Lehrer sowohl amtlich als auch hinsichtlich
ihres Einkommens eine sehr untergeordnete Stellung ein. Dahei- hielten sie auch nur kurze
Zeit auf ihren Stellen aus und sahen sich nach gut dotierten Landstellen um. Lehrerinnen
finden wir erst seit 1835 an der Welschnonnenschule; ihre Zahl stieg, als 1839 die Schwestern
den Unterricht einstellen mußten. Von den 60er Jahren an, wo die Nonnen wieder zuge-
lassen wurden, ging die Zahl der weltlichen Lehrerinnen bis auf vier zurück, bis sie seit
1874 nach dem Weggang der Welschnonnen den Unterricht bei den Mädchen vollständig
übernahmen.
 
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