Die Entwicklung der Cultur.
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oder Grabhügel aus Erde verkümmerte Copien der ägyptischen
Pyramiden sein sollen. Das Studium des wilden wie des civili-
sirten Lebens ermuthigen uns in gleicher Weise in der Urgeschichte
des menschlichen Verstandes nicht sowohl Geschenke einer trans-
cendenten Weisheit, als vielmehr den rohen groben Menschen-
verstand zu finden, indem wir die Thatsachen des täglichen Lebens
zu erfassen und aus ihnen Bilder der frühesten Philosophie zu
gestalten suchen. Man wird immer und immer wieder zu der
Einsicht kommen, sobald man Sprache, Mythologie, Sitten, Religion
und dergl. einer Prüfung unterzieht, dass die Vorstellungen der
Wilden in einem mehr oder weniger rudimentären Zustande sind,
während das Geistesleben der civilisirten Völker noch manche,
und zwar keineswegs unbedeutende Spuren eines vergangenen
Zustandes an sich trägt, von dem die Wilden sich am wenigsten,
die Civilisirten am weitesten entfernt haben. Während des un-
geheuren Zeitraumes, den die Geschichte des menschlichen Geistes
und Lebens umfasst, hat die Civilisation, obwol sie nicht nur mit
den Ueberresten niedrigerer Stufen, sondern auch mit der Entartung
innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu kämpfen hat, dennoch bewiesen,
dass sie im Stande ist, beide zu bewältigen und ihren eigenen
Weg zu nehmen. Die Geschichte innerhalb ihres besondern Ge-
bietes und mit ihr die Ethnographie in ihrem noch weiteren Umfange
zeigen uns, dass diejenigen Einrichtungen, welche sich am besten
ihren Charakter zu bewahren wissen, allmählich die weniger geeig-
neten verdrängen, und dass dieser unaufhörliche Kampf den schliess-
lichen Gang der Cultur in ihrer Gesammthcit bestimmt. Ich will
an einem Gleichniss darzulegen versuchen, wie ich mir den Fort-
schritt, das seitliche Abirren und den Rückschritt in dem Gesammt-
verlaufe der Cultur vorstelle. Wir können in Gedanken die Civili-
sation vor uns sehen, wie sie in eigner Person über die Erde
schreitet; wir sehen sie am Wege zögern und ausruhen, und oft
auf Seitenwege gerathen, die sie nach vieler Mühe wieder an eine
Stelle bringen, an der sie längst vorbei gewesen war; aber sei es
nun direkt oder auf Umwegen, ihr Pfad geht immer vorwärts, und
wenn sie dann und wann einige Schritte rückwärts versucht, so
wird ihr Gang bald zu einem hülflosen Taumeln. Es steht nicht
mit ihrer Natur in Einklang, ihre Füsse sind nicht darauf ein-
gerichtet, unsichere Schritte nach hinten zu thun, denn sie ist sowohl
in ihrem nach vorn gerichteten Blicke sowie in ihrem vorwärts
eilenden Schritte ein echtes Bild des Menschen.
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oder Grabhügel aus Erde verkümmerte Copien der ägyptischen
Pyramiden sein sollen. Das Studium des wilden wie des civili-
sirten Lebens ermuthigen uns in gleicher Weise in der Urgeschichte
des menschlichen Verstandes nicht sowohl Geschenke einer trans-
cendenten Weisheit, als vielmehr den rohen groben Menschen-
verstand zu finden, indem wir die Thatsachen des täglichen Lebens
zu erfassen und aus ihnen Bilder der frühesten Philosophie zu
gestalten suchen. Man wird immer und immer wieder zu der
Einsicht kommen, sobald man Sprache, Mythologie, Sitten, Religion
und dergl. einer Prüfung unterzieht, dass die Vorstellungen der
Wilden in einem mehr oder weniger rudimentären Zustande sind,
während das Geistesleben der civilisirten Völker noch manche,
und zwar keineswegs unbedeutende Spuren eines vergangenen
Zustandes an sich trägt, von dem die Wilden sich am wenigsten,
die Civilisirten am weitesten entfernt haben. Während des un-
geheuren Zeitraumes, den die Geschichte des menschlichen Geistes
und Lebens umfasst, hat die Civilisation, obwol sie nicht nur mit
den Ueberresten niedrigerer Stufen, sondern auch mit der Entartung
innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu kämpfen hat, dennoch bewiesen,
dass sie im Stande ist, beide zu bewältigen und ihren eigenen
Weg zu nehmen. Die Geschichte innerhalb ihres besondern Ge-
bietes und mit ihr die Ethnographie in ihrem noch weiteren Umfange
zeigen uns, dass diejenigen Einrichtungen, welche sich am besten
ihren Charakter zu bewahren wissen, allmählich die weniger geeig-
neten verdrängen, und dass dieser unaufhörliche Kampf den schliess-
lichen Gang der Cultur in ihrer Gesammthcit bestimmt. Ich will
an einem Gleichniss darzulegen versuchen, wie ich mir den Fort-
schritt, das seitliche Abirren und den Rückschritt in dem Gesammt-
verlaufe der Cultur vorstelle. Wir können in Gedanken die Civili-
sation vor uns sehen, wie sie in eigner Person über die Erde
schreitet; wir sehen sie am Wege zögern und ausruhen, und oft
auf Seitenwege gerathen, die sie nach vieler Mühe wieder an eine
Stelle bringen, an der sie längst vorbei gewesen war; aber sei es
nun direkt oder auf Umwegen, ihr Pfad geht immer vorwärts, und
wenn sie dann und wann einige Schritte rückwärts versucht, so
wird ihr Gang bald zu einem hülflosen Taumeln. Es steht nicht
mit ihrer Natur in Einklang, ihre Füsse sind nicht darauf ein-
gerichtet, unsichere Schritte nach hinten zu thun, denn sie ist sowohl
in ihrem nach vorn gerichteten Blicke sowie in ihrem vorwärts
eilenden Schritte ein echtes Bild des Menschen.