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Zweites Kapitel.

zu legen, um bei Eintritt der Ebbe Fische darin zu fangen, die
sich bei den niederem Rassen so allgemein findet, ist einfach eine
Nachhülfe der Natur, auf die der Wilde, bei dem heftiger Hunger
eine bedeutende Rolle als Bundesgenosse des schwerfälligen Ver-
standes spielt, wol verfallen konnte. Ebenso ist es mit andern
Künsten. Im Feuermachen, im Kochen, in der Töpferarbeit, in
den Webekünsten, überall können wir die Linie der allmählichen
Vervollkommnung verfolgen ’). Die Musik beginnt mit der Rattel
und der Trommel, welche auf diese oder jene Weise von einem
Ende der Civilisation zum andern ihren Platz behaupten, während
Pfeifen und Saiteninstrumente eine vorgeschrittenere Musikkunst
repräsentiren, welche noch in der Entwicklung begriffen ist. So
mit der Baukunst und dem Ackerbau. So complicirt, künstlich
ausgearbeitet und fein durchdacht die höhern Stufen dieser Künste
sind, so muss man doch bedenken, dass ihre niedrigem Formen
mit der blossen direkten Nachahmung der Natur beginnen, indem
sie die Schutzmittel, welche die Natur bietet, und die Fortpflanzung
der Gewächse, welche die Natur zu Stande bringt, nachbilden.
Ohne die übrigen Thätigkeiten des wilden Lebens zu demselben
Zwecke aufzuzählen, möge es hier nur noch einmal allgemein aus-
gesprochen werden, dass diese Thatsachen eher gegen als für die
Theorie eines Verfalls einer höhern Cultur sprechen. Sie stehen
nicht nur in Einklang mit derselben Ansicht einer Entwicklung,
welche nach unserer Erfahrung den Ursprung und den Fortschritt
der Künste bei uns selbst erklärt, sondern verlangen oft eine solche
unbedingt.
In den verschiedenen Zweigen des Problems, welches zunächst
unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird, wie nämlich
das Verhältniss des geistigen Zustandes wilder Menschen zu civili-
sirten zu bestimmen ist, würde es uns ein vorzüglicher Führer und
Beschützer sein, wenn wir beständig die Entwicklungstheorie für
die materiellen Künste im Auge behalten. Es wird sich zeigen,
dass alle Kundgebungen des menschlichen Verstandes ihre gehörigen
Stellungen auf denselben gemeinsamen Linien der Fortentwicklung
einnehmen werden. Der Gedanke, dass der intellectuelle Zustand
der Wilden von dem Verfall einst hoher Kenntnisse herrühre,
scheint ebenso wenig Wahrscheinlichkeit zu haben wie der, dass
steinerne Gelte die entarteten Nachkommen von Sheffielder Aexten

l) Näheres siehe ,,Urgeschickte der Menschheit^, Kap. VII —IX.
 
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