Zwölftes Kapitel.
Animismus.
Fortsetzung.
Die Lehre von der Fortdauer der Seele nach dem Tode; ihre Hauptabteilungen,
Seelenwanderung und zukünftiges Leben. — Seelenwanderung: Wiedergeburt in Kör-
pern von Menschen und Thieren, Uebergang in Pflanzen und leblose Gegenstände. —
Glaube an die Auferstehung des Leibes in den wilden Religionen kaum vorhanden. —
Zukünftiges Leben: eine gewöhnliche, aber nicht allgemeine Lehre niederer Rassen. —
Fortdauer der Existenz, weniger Unsterblichkeit; zweiter Tod der Seele. — Der Geist
des Todten bleibt auf der Erde, besonders wenn der Leichnam nicht bestattet ist;
seine Anhänglichkeit an die körperlichen Ueberreste. — Todtenmahlzeiten.
Wir haben im vorhergehenden Bande die Vorstellungen über
Seelen, Geister, Gespenster und Erscheinungen, mögen sie sich
auf Menschen, auf Thiere, auf Pflanzen oder auf leblose Gegen-
stände beziehen, von den untersten Stufen der Cultur aufwärts
verfolgt und können nun eine der grössten religiösen Lehren der
Menschheit, den Glauben an die Fortdauer der Seele in einem
Leben nach dem Tode näher untersuchen. Zunächst kann noch
einmal nicht nachdrücklich genug hervorgehoben werden, dass die
Lehre von einem zukünftigen Leben, wie wir sie selbst bei den
niedrigsten Rassen vorfinden, eine durchaus nothwendige Folge des
rohen Animismus ist. Der Glaube niederer Völkerschaften, dass
die Erscheinungen von Todten, die sie in Träumen und Visionen
sehen, ihre fortlebenden Seelen seien, erlaubt nicht nur einen
Schluss auf ihren Glauben an die Fortdauer der Seele nach dem
leiblichen Tode im Allgemeinen, sondern er giebt auch einen
Schlüssel für viele ihrer Speculationen über die Natur dieser Fort-
dauer, Speculationen, die, vom Standpunkt jener unentwickelten
Cultur betrachtet, leidlich vernünftig sind, wenn sie auch unserer
modernen Auffassung und gänzlich veränderten Weltanschauung
weit hergeholt und abgeschmackt erscheinen mögen.
Tylor, Anfänge der Cultur. II. 1
Animismus.
Fortsetzung.
Die Lehre von der Fortdauer der Seele nach dem Tode; ihre Hauptabteilungen,
Seelenwanderung und zukünftiges Leben. — Seelenwanderung: Wiedergeburt in Kör-
pern von Menschen und Thieren, Uebergang in Pflanzen und leblose Gegenstände. —
Glaube an die Auferstehung des Leibes in den wilden Religionen kaum vorhanden. —
Zukünftiges Leben: eine gewöhnliche, aber nicht allgemeine Lehre niederer Rassen. —
Fortdauer der Existenz, weniger Unsterblichkeit; zweiter Tod der Seele. — Der Geist
des Todten bleibt auf der Erde, besonders wenn der Leichnam nicht bestattet ist;
seine Anhänglichkeit an die körperlichen Ueberreste. — Todtenmahlzeiten.
Wir haben im vorhergehenden Bande die Vorstellungen über
Seelen, Geister, Gespenster und Erscheinungen, mögen sie sich
auf Menschen, auf Thiere, auf Pflanzen oder auf leblose Gegen-
stände beziehen, von den untersten Stufen der Cultur aufwärts
verfolgt und können nun eine der grössten religiösen Lehren der
Menschheit, den Glauben an die Fortdauer der Seele in einem
Leben nach dem Tode näher untersuchen. Zunächst kann noch
einmal nicht nachdrücklich genug hervorgehoben werden, dass die
Lehre von einem zukünftigen Leben, wie wir sie selbst bei den
niedrigsten Rassen vorfinden, eine durchaus nothwendige Folge des
rohen Animismus ist. Der Glaube niederer Völkerschaften, dass
die Erscheinungen von Todten, die sie in Träumen und Visionen
sehen, ihre fortlebenden Seelen seien, erlaubt nicht nur einen
Schluss auf ihren Glauben an die Fortdauer der Seele nach dem
leiblichen Tode im Allgemeinen, sondern er giebt auch einen
Schlüssel für viele ihrer Speculationen über die Natur dieser Fort-
dauer, Speculationen, die, vom Standpunkt jener unentwickelten
Cultur betrachtet, leidlich vernünftig sind, wenn sie auch unserer
modernen Auffassung und gänzlich veränderten Weltanschauung
weit hergeholt und abgeschmackt erscheinen mögen.
Tylor, Anfänge der Cultur. II. 1