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Schwärmerei

„Liebst du eigentlich die Majestät der See, mein Junge?“ — „Ja, gewiss!
Aber Schokoladeneis mit Vanillesosse lieb' ich noch mehr“


Rundfrage über das Moratorium
Der Präses des S t amm t i sch es „Ami ci ti a'6
in Eibau:
„Fünfzehnhundert Millionen sind für, schlecht gerechnet,
sechzig Millionen Menschen gestundet. Kommt, ich
hab's ausgerechnet, auf den Einzelnen ganze fünfund-
zwanzig Mark. Was ist das schon? Soviel Kredit hab’
ich sogar beim Fleischermeister.“
Der Vollpatriot:
„Wird durch das Moratorium mein Konto in der Schweiz-
höher? Höchstens wird der Zinsfuss noch niedriger!“
Der T e u t o n e :
„Stundung? Ein grosses, zur Weltherrschaft geborenes
Volk, lässt sich nichts stunden, darf sich — Potz Wotan!
— nichts stunden lassen. Wir zahlen nichts und müssen,
was wir bereits gezahlt haben, mit stürmender Hand
zurückerobern. Schenken lassen wir uns nichts —- sich
etwas schenken lassen, ist ostische Unsitte.“

Der Mann in der Pleite;
„Anderthalb Milliarden mit einem Strich?! Und ich
Esel hab’ meinen Gläubigern fünfundzwanzig Prozent
konzediert!“
Der politische Vollbart;
„Wie das unser Führer Dingeldey wieder fertiggebracht
hat, ist mir ein Rätsel. Er ist halt hinter den Kulissen
ein Genie, wenn er auch vor den Kulissen bloss ein
Volksparteiler ist.“
Der Mann im Kaffeehaus:
„Ich hab’ gestern zwei Eier im Glas mit Moratorium
bestellt. Und ich hab’ weder die Eier noch das Glas
noch das Moratorium bekommen. Wenn das Hoover
wüsste!“
Die fromme Helene?
„Gott hat lang gezaudert, uns zu'helfen. Weil wir doch
den § 218 abschaffen wollen und sogar die Todesstrafe-
Aber schliesslich hat er doch eingegriffen. Denn Gott
verlässt seine Deutschen nicht.“

Durst

Zeichnung von 'Alice Garnmann


Adol f Hitler:
„Endlich haben meine englischen Leitartikel den von mir
schon längst vorausgesehenen Erfolg gehabt.“

Seldte und Düsterberg:
„Das haben unsere stählernen Paraden und Reden
geschafft.“
Hugenberg;
„Wer wird mir den Ruhm'streitig machen, dass ich als
prädestinierter Retter des Vaterlandes..,“
Der Dr. Schacht:
„Wäre ich am Ruder gewesen, hätten wir für zehn Jahre
Moratorium und sonst noch allerhand bekommen.“
Der Reichsaussenminister:
„Schade um meine schöne Zollunion!“

Der Reichskanzler:
„Den Seinen gibt's der Herr im Wachen/'

Stimmen aus dem Publikum'
Gesetz der Trägheit
Wieviele Gespräche an diesem —- bis auf weiteres
gebenedeiten Montag begannen: „Was sagen Sie z»
Hoover?“ — das entzieht sich meiner Kenntnis. Abrt
die Zahl wird wohl hoch in die Millionen gehen.
Eins davon, ein X-Millionstel dieser Flut, fand Eck®
Uhlandstrasse statt.
Da hält ein Auto, ein grosser Wagen, irgend so ein
Maybach oder Mercedes, und ihm entsteigt würdevoll ein
Herr, dem die Kapitalkraft von Kopf bis Fuss anzu-
merken ist.
Schon begrüsst ihn einer:
„GeneraIdirektorchen, was sagen Sie zu Hoover?“
Generaldirektorchen verzieht das Gesicht:
„Alle Tage was anderes. Grade fing man an, sich ganz
schön an die Krise zu gewöhnen..,“
Abendröte?
lelephon und Telegraph hatten die N. S. D. A. P.-Pro-
minenzen Hals über Kopf nach München kommandiert.
Der Posten vor dem Braunen Palais kam aus dem
Strammstehen und Salutieren gar nimmer heraus, so zahl'
reich strömten die Parteikanonen zur Führerbesprechung.
Thema: Hoovers Welt-Atempause und WIR.
Natürlich war man gegen. Erstens überhaupt. Und
zweitens — aber das muss wörtlich zitiert werden, was
der Duce Adolf da in weiser Erkenntnis ganz im gehei-
men verlautbarte zu seinen Getreuen:
„Denn wenn nachher in Deutschland die Schornsteine
wieder rauchen, wovon, so frage ich euch, Kameraden:
wovon soll dann unser Schornstein rauchen?“
Gekränkte Primadonna
Mit dem Stahlhelmabzeichen geschmückt, sitzt er im
Restaurant und lässt sich vom Ober sämtliche Zeitungen
bringen.
Er blättert und blättert, und immer finsterer wird sein
Blick, und der martialische Schnurrbart sträubt sich wild.
„Hoover!“ sagt er bitter. „Alles voll damit. Atem-
pause .., Moratorium... Zahlungsaufschub... Hoo-
ver ... Hausse... Wiederkehr des Vertrauens...
Entspannung... Jawoll. Aber kein Wort steht davon
in der Zeitung, dass unsere Frauengruppe gestern einen
goldenen Nagel für unsere Stahlhelmfahne gestiftet hat!“
*
Entspannung
Als die Botschaft aus U. S. A. eingetroffen war, fuhr der
Industriekapitän sofort nach Haus, betrat seine luxuriöse
Zwanzigzimmervilla und begrüsste die Gattin:
„Gott sei Dank, Cecilie! Wir brauchen uns jetzt nicht
mehr emporzuhungern. Wir können so weiter leben wie
bisher..."

Die gute alte Zeit
Zeichnung von Heinz Schmidt
 
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