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keiner, auch nicht in ieiser Weise angedeutet, daß
derartiges gewünscht oder verlangt werde. Uebsr
jedcn Lehrer und Director (letzterer muß sie alle aus-
füllen) existirt solch ein Blatt und zwar in drei
Exemplaren: eins bei den Acten der betreffenden
Schule, eins bei den Acten des bstreffenden Pro-
vinzial-SchubCollegiums und eins bei den Acten
des Unterrichtsministeriums. — Es scheinen nun
nach den jüngsten Mittheilungen diese „Personal-
Notizblätter" auch für die Volksschulen einge-
sührt zu werden, und da sie denselben Namsn
führen, so ist zunächst zu vermuthen, daß sie auch
in demselben Sinne, wenn auch mit einigen Ab-
änderungen der betreffenden Rubriken, eingerichtet
sind. Freilich sind nach obiger Mittheilung die
Personal-Notizblätter für die höheren Schulen
schon vor etwa 10 Iahren eingeführt worden;
damals war noch vr. Falk Unterrichtsminister; es
war noch die Periode der soa. „liberalen Gesetz-
gebung". Aber es ist zunächst noch kein Grund,
anzunehmen, daß die Verfügung bezüglich der
„Personal-Notizblätter" für die Volksschulen
etwas enthalte, was darauf hindeutet, daß es sich
um Einführung einer Art von Conduitenliste handle.

Wer zahlt den Zoll?

Ueber die Wirkung, welchs die erhöhten Holz-
zölle auf die Provinz Schleswig-Holstein ausgeüot
haben, äußert sich die Flensburger Handels-
kammer in ihrem Bericht über das Jahr 1885
folgendermaßen:

„Was die Holzzölle betrifft, so konnten wir
darauf hinweisen, daß gerade unserer Provinz,
welche durch ihre Waldarmutb und ihre geographische
Lage auf den Bezug von Holz auf dem Seewege
aus den nördlichen Ländern angewiefen ist, aus einer
Erhöhung der Holzzölle ein unberechenbarer Nach-
theil erwachsen müffe, welcher Handel, Jndustrie
und fast alle Bevölkerungsklaffen gleichmäßig trifft.
Daß nicht das Ausland den Zoll tragen wird,
fondern derselbe ganz von uns zu tragen ist,
war vorauszusehen und kann jetzt bereits durch
Thatsachen belegt werden. Jn Folge der Zoll-
erhöhungen sind keineswegs Ermäßigungen der
Preise der norwegischen, schwedischen und russischen
Exporteure zu verzeichnen, sondern es sind vielmehr
in den Herbstnotirungen des vorigen Jahres nicht
unwesentliche Preiserhöhungen gegen das
Frühjahr eingetreten, und zwar gerade bei den
Schnitthölzern, auf welchen der höchste Zoll
lastet."

Boulavgers Politische Rolle
fcheint ausgespielt zu sein. Er soll seine Demission
als Minister angeboten, doch Freycinet ihm das
Vehalten des Portefeuilles bis zum Zusammentritt
der Kammern angerathen haben. — „Temps"
msint, der Zwischenfall in Betreff der Brisfe Bvu-
langer's an den Herzog von Aumale könne die
mililärische Stellunz Boulanger's nicht beeinträch-
tigen, wohl aber die politische, was nicht zu be-
dauern sei.

Gladstoue

wird sich sür einige Zeit von dcm politischen Leben z
ganz zurückziehen. Jn einem Schreiben sagt er,
in Folge der großen Ermattung und der Arbeit
während der letzten sechs Jahre sehe er sich ge-
zwungen, einige Ruhe entweder in England oder
rm Auslande zu suchen; er benachrichtige also die
mit ihm correspondirenden Persönlichkeiten, daß er
die ihm zugehenven Briefe nicht selbst beant-
w orten werde.

Das neue Cabinet scheint keine Eile zu haben,
zu der irischen Frage cine bestimmte Stellung
emzunehmen. Jn einem Londoner Telegramm der
„Voff. Ztg." heißt es: Das Cabinet berührte
gestern die irische Frage nur oberflächlich, da
dieses Jahr eine neue Gesetzgebung für Jrland nicht
i» Aussicht genommen ist. Die Thronrede wird
die irische Frage kaum erwähnen, gleichwohl
werden die Mmister im Laufe der Adreßdebatre
Andeutungen über das irische Programm der Re-
gierung machen.

Ein Attentat auf den türkischen Großvezier
wird der „N. Fr. Preffe" aus Konstantinopel ge-
meldet. Ein Türke feuerte auf den Großvezier drei
Schüffe ab, ohne diesen jedoch zu treffen. Jn dem
Verhör gab derselbe an, daß er in Folge von Un-
gerechtigkeiten sein ganzes Vermögen verloren habe
und deshalb die Aufmerksamkeit ves Sultans auf
sich lenken wollte.

Mnkhtar Pascha bleibt in Aegypten.

Wie das „Reuterfche Bureau" vernimmt, wäre
die Nachricht des „Daily Chronicle" aus Kairo über
die demnächst zu erwartende Abberufung Mukhtar
Paschas, um demselben den Befehl über die Armee

zu fein. Mag sie mitunter an Bekanntes erinnern,
besonderS an Studenten- und Volkslieder, so schadet
dies hier sicher der Wirkung nicht. Jn klaren
Rhythmen und leicht fließender Melodie ging sie
gefällist ins Ohr und errang durch solche Vor-
züae emen lebhaften Erfolg, so daß sie auf stür-
misches Zurufen wiederholt werdsn mußte. Der
Abend verlief eigentlich stiller und kürzer,
als wir erwartet hatten. Zunächst befremdete es,
vaß die Begrüßungsansprache des Bürgermeisters
kein Echo in der Festversammlung weckte, daß keiner
der Gäste ein Wort deS Gegengrußes, ein Wort
für das gastliche Heidelberg fand. Die Studenten
saßen lautlos an ihren Tafeln, einige der Ver-
bindungen, die sich hier offenbar nicht heimisch
fühlten, suchten zeitig ihre Kneipen auf, und die
große Zahl derGäste, die offenbar darauf gerechnet
hatte, angeregt und unterhaltcn zu werden, schlsn-
derte still denMittelgang auf und nieder. DieHalle
leerte sich sehr zeitig; gegen Mitternacht sah man
nur noch einzelne Gruppen an ihren Tafeln stand-
halten. Freilich thut es noth, mit Kraft und
Genußfähigkeit etwas haushälterisch umzugehen,
denn die Ansprüche der nächsten Tage sind groß,
und an diesem Abende handelte es sich ja nur um
einen officiellen Empfang.

Heute morgen begann die eigentliche Feier.
Gegen acht Uhr kündeten wieder Glockengeläute
und Böllersalven dis Ankunft eines erlauchten
Gastes: der dcutsche Kronprinz langte an,
am Bahnhofe stürmisch begrüßt. Jnzwischen
zogen beretts die Ehrengäste, Deputationen, Ver-
treter der Universität und der Landaymnasien zur
Heiligengeistkirche, deren Pforten mrt Tannengrün
völlig umkleidet waren. Das Jnnere, ein edler
gothischer Bau von schönen Verhältniffen, setzt sich
in einer tiefen Altarnische fort, die den Altkatholiken
zu eigenem Gottesdienste eingeräumt worden war,
währeud die dreischiffige Kirche selbst dem evange-
lischen sekenntniß gehört. Heute hatte derGesammt-
raum ;ich Ln cine Festhalle verwandelt. Den Hinter-
arund der Altarnische füllten Sänger in gemischtem
Chor, vor ihnen waren für Docenten und Pro-
fefforen dsr Universität Stuhlreihen ausgestellt.
Zwischen beiden Abtheilungen steht der kleine Ältar-
tisch, hehangen mit kostbaren Decken. Das Mittel-
schiff des großen Kirchenraumes war den Ehren-

an der armenischen Grenze zu übertragen, ohne
Begründung; die Pforte würde einen derartigen
Schritt nur bei sehr wichtigem Anlaß thun, außerdem
seien die Dienste, welche Mukhtar in Aegypten
teiste, sehr zufriedenstellend und würden von der
Pforte in der gegenwärtigen Lage besonders ge-
schätzt.

Deutschtan».

B Berlin, 5. August. Aus Gast ein wird von
heute gemeldet: Der Kaiser Wilhelm stattete
gestern Mittag der Gräsin Grünne einen Besuch
ab. Als die Kaiserin von Oesterreich gestern zum
Diner im Badeschlosse vorfuhr, ging thr der Kaiser
entgegen und geleitete sie zum Empfangssalon. Äet
der Tafel faß die Kaiserin an der Spitze, zu ihrer
Rechten der Kaiser, zu ihrer Linken Fürst Brsmarck.
Nach dem Diner fand Cercle statt. Um Uhr
verließ die Kaiserin von Oesterreich das Badesckloß,
von dem Kaiser bis zur Terraffe geleitet. Bald
darauf verließen auch dir anderen Gäste das Bade-
schloß. Heute nahm der Kaiser die Vorträge des
Chefs des Militärcabinets, Generallieutenants
v. Albedyll und des Wirkl. Geh. LegationsrathZ
v. Bülow entgegen.

* Aus Schlangenbad vom 5. d. wird tele-
graphirt: Der Kronprinz ist heute Mittag 12 Uhr
zum Besuch der Kaiserin hier eingetroffen und von
den Behörden, Schuten, Vereinen und den Bade-
gästen unter enthusiastischen Zurufen empfangen
worden. Er nahm das Diner bei der Kaiserin ein,
machte Nachmittags einen Spaziergang in den An-
lagen, stattete dem Prinzen Nicolaus von Naffau
einen längeren Besuch ab und trat um 4"/» Uhr über
Frankfurt a. M. die Rückreise nach Potsdam an.
Die Kaiserin gab dem Kronprinzen bis nach Eltville
das Geleite und kehrte darauf hierher zurück.

* Der „Reichsbote" istmit den Nationalliberalen in
Ratzeburg zufrieden—der bekannte Beschluß: entweder
fürdenConservativen zustimmen oder sich der Wahl
u enthalten, ist übrigens in einer Generalver-
ammlung von 5 Personen (!) gefaßt worden —
er meint, die Nationalliberalen im Herzogthum
Lauevburg betrachteten sich als „Bundesgenossen
der Conservativen". So haben sie sich bei den
letzten Wahlen allerdings leider gezeigt. Die
„Kreuzztg." ist aber noch nicht zufrieden. Sie nennt
den Befchluß der 5 Ratzeburger eine „halbe
Maßregel" und meint, daß die Nationalliberalen,
wenn die Conservativcn es ebenso in Graudenz
machten, die Wirkung an ibrem eigenen Leibe er-
proben könnten. Daß die Verhältniffe hier ganz
anders lisgen, fühlt die „nationale Kreuzztg." nicht.

* Auf dem soeben inSchleswig abgehaltenen
Verbandstag der Bäcker des Unterverbandes
„Norden" beantragte Bäckermeister Großkreutz-
Hamburg eine Beschränkung der Zahl der
Lehrlinge im Bäckergewerbe; höchstens solle den
Meistern zwei Lehrlinge zugleich zu halten gestattet
werden. Der Antrag wuroe jedoch abgelehnt. ES
wurde dagegen ausgeführt, es feien nur 767Lehrlinge im
Verbande, von denen 1885 im Ganzen 274 aus-
und 327 eingeschrieben worden, was ein normales
Verhältniß sei, und es arbeiteten außerdem 1310
Gesellen bei Verbandmeistern.

k. 0. Aus Hamburg wird uns geschrieben:
„Vor einigen Tagen brackten Berliner Zeitungen,
unter denselben dre officiösen „Berl.Z Pol. Nachr.",
die Mittheilung, daß durch eine Verordnung des
Gouverneurs die deutsche Markwährung in der
Colonie Kamerun eingeführt worden fei. Da
die hiesigen, mit Kamerun beständig arbeitenden
und daselbst ansässigen Firmen von einer solchen
Verordnung nichts wiffen, so darf man annehmen,
daß die erwähnte Meldung unrichtig oder min-
destsns verfrüht ist; denn die Äbsicht der
Einsührung einer Münzeinheit an Stelle des
bisherigen Tauschhandels in Kamerun besteht aller-
dings seit geraumer Zeit. Es ist auch gegen diese
Absicht an sich gar nichts einzuwenden, vielmehr
wird es fowohl im Jnteresse des weißen als des
schwarzen Händlers liegen, wenn durch eine bestimmte
Währung der mit dem Tauschhandel einmal un-
trennbar verbundenen gegenseitlgen Uebervortheilung
ein Ende gemacht wird. Wenn nun abcr einzelne
besonders weise und weitsehende Berliner Blätter
in Kamerun bereits den Abnehmer für unser durch
die Verwaltung der Reichsbank glücklich bis heute
aufgespeichertes Silber erblicken, so zeigt es sich
wieder einmal so recht, wie leicht in colonialen
Dingen der Enthusiasmus mit der ruhigen Ueber-
legung davonläuft. Jn Kamerun bildet bekanntlich
das Palmöl-Kru diejenige Einheit, auf die Alles in
Kauf und Verkauf umgerechnet wird, wie in anderen
Theilen Westafrikas ein bestimmtes Maß Zeug oder
das sogenannte Elfenbembündel, dieKaurimufchelnrc.
Wie lange glaubt man nun wohl wird es dauem,
ehe man nur die Paar Tausend Dualla-Neger an
der Küste von ibrem Jahrhunderte aiten Kru ent-

gästen vorbehalten, die sich zeitig einfanden. Das

war eine erlesene Versammlung. Ganz Deutschland
hatte die Vornehmsten seiner akademischen Lehr-
kräfte gesendet; von Paris aus war das Jnstitut
de France und die Akademie, ersteres durch seinen
Präsidenten Zeller, dann durch Oppert, Hermite
Landolt und Ducaze, vertreten; aus St. Petersburg
(der Astronom Profeffor v.Struwe) und Dorpat, aus
Wien und Prag, aus Rom und aus den skandina-
vischen Staaten waren Abgesandte gekommen. Jn
schleppenden Scharlachgewändern, in goldgestickten,
mit Hermelin verbrämten Talaren, in Amtskleidern
aller Farben, in spanischen Mänteln mit reicker
Goldsttckerei bedeckt, waren sie gekommen, meist chr-
würdige Greisenköpfe, doch auch manches jugendliche,
zuversichtlich in's Leben schauende Antlitz. Der
Ueberblick über diese würdiae Versammlung war
von größtem malerischen Retz, über dem Ganzen
lag bereits vor Beginn des Actes eine feierliche
Feststimmung.

Kurz vor 9 Uhr verkündeten Hochrufs das
Nahen der sürstlichen Gäste. Jn großer Gala,
Kutscher, Diener und Spitzreiter in Scharlachlivreen,
kamen die hohen Herrschaften in osfenen Wagen an.
Unter Vorantritt der Docenten der Hochschule be-
trat der großherzogliche Rector die Kirche, ihm
folgte unser Kronprinz in der Uniform seines
fchlesischen Dragoner-Regiments mit dem großen
Bande dcs Schwarzen Adlerordens, seine Schwester,
die Frau Großhcrzogin, führend, die eine Robe von
pistaziengrünem Atlas mit breitem Tablier von
Brocat, dazu ein weißes Hütchen mit weißer Feder
trug. Mit ihrer Begleitung nahmen dis hohen
Herrschaften auf Lehnseffeln vor dem Altar Platz
und die gottesdienstliche Feter begann.

Es war bies ein hocherhabener, tiefwirkender
Act. Er begann nach kurzem Orgelsatz mit einer
liturgifchsn Nndacht. Des Geittlichen Eingangs-
spruch wurde mit dem vortrefflich ausgeführten
„Lobe den Herrn" eingeleitet; das kleine „Gloria"
von Bach folgte, und darauf hielt der Geistliche
ein kurzcs, zum Herzen dringendes Dankgebet, das
wieder durch den Vortrag einer Composition von
Bach beantwortet wurde. Mit der „Schriftlection"
und dem „Ehre sei Gott in der Höhe" fchloß die
lithurgische Feier, die durch die Mitwirkung eines
gut geschulten, fein nüancirenden und bie Stim-

wöhnt und an dcn Silbsrthaler gewöhnt hat? Und
erst die Bevölkerung weiter im Jnnern! Denn nur,
wenn auch diese sich an das Silbcrgeld gewöhnt,
könnte es einen lohnenden Abfluß geben. Selbst
in Liberia, wo allerlei Münzen und Scheine um-
laufen, hat sich das Kru-Palmöl oder Palmkerne
im Gebrauch erhalten. Vorläufig stnd das Alles
weit entfernte Möglichkeiten, welche nicht im Min-
desten das Bedauern verkleinern können, daß wir
1879 den Verkauf unseres Silbers eingestellt haben,
als der Preis in London 52 ä per Unze war,
während derselbe heute, trotz unferer damaligen
verkehrten Absicht, den Silberpreis durch unsere
Abstimmung zu halten, auf 42tl> ä gesunken ist."

ArankreiL

Paris, 4. August. Zur Beiwohnung der russi-
schen Manöver bei Petersburg werden am
9. August folgende französische Ofstziere abreisen:
Divisions-General Hubert de la Hayrie, Oberst
Massin (Dragoner-Regiment Versailles), Capitän
Delachaife (Generalstabs-Offizier der 3. Division).

Wnaland.

London, 4. August. Lord Harris ist zum
Unterstaatssecretär des Kriegsministeriums ernannt
worden. (W. T.)

Dublm, 5. August. Der neue Vicekönig von
Jrland, Marquis v. Londonderry, und der
Staatssecretär für Jrland, Hicks-Beach, sind

gestern hier angekommen und haben heute ihre
Posten übernommen. (W. T.)

Oefierreich-Ungarn.

Wren, 5. August. Von gestern Mittag bis
heute Mittag sind an der Cholera in Triest
7 Personen erkrankt und 2 gestorben. (W. T)

RuHland.

Petersbnrg, 1. Aug. Dem „Reichsboten" wird
geschriebeu: Jn gut unterrichteten Kreisen erhält
sich das bestimmt auftretende Gerücht, daß der
Oberprocureur des Synods, Pobedonoszew, der
bekannte Feind der lutherischen Kirche, von einer
unheilbaren Gemüthskrankheit befallen fei.
Die auf sein Betreiben in letzter Zeit gegen die
lutherische Kirche in den baltischen Provinzcn ge-
schehenen und noch projectirten Angriffe würden
dadurch in ein merkwürdiges Licht gerückt. — Dem
nach Smolensk verbannten lutherijchen Pcediger
Brandt sind von einigen russischen Fawilien vor
kurzem 6000 Rubel übersandt worden. Diese Unter-
stützung ist nicht ctwa aus Paschkowschen Kreisen
hervorgegangen und zeigt, welche Verurtheilung das
brutale Äorgehen gegen die evangelischs Kirche auch
bei den anständig denkenden Ruffen findet.

Vsrr des Marine.

Kiel, 5. August. Der Chef der Admiralität,
General-Lieutenant v. Caprivi, schiffte stch heute
Vormittag aufder Panzer-Corvette „Baden" (Flagg-
schiff des Panzergeschwaders) ein, welche mit der
1. Division des Manöver-Geschwaders nach Neu-
stadt in See ging.

* Das Panzerschiff „Friedrich Karl" (Com-
mandant Capitän z. S. Stempel) ist am 3. August c.
in Tanger eingetroffen. — DaS Schiffsjungen-
Schulschiff „Nixe" (Commandant Corvetten-Capitän
v. Ärnim) tst am 4. August in St. Vincent (Cap
Verdes) eingetroffen und beabstchtigt am 11. August c.
wiever in See zu gehen.

* Die Segelfregatte „Niobe", bekanntlich auf
der Heimreise von einer nach Sngland unter-
nommenen Uebungsfahrt begriffen, ltef, wis ein
dänisches Blatt unterm 4. August schreibt, in einem
westlichen Sturnie an der jütländischen Küsts auf
Grund, kanr aber mit eigener Hilfe wieder flott.
Das Schiff lief am 3. August in Efsborgfjord ein.
(Diese Nachricht stimmt jedoch nicht mit den bei der
Ädmiralüät eingctroffenen Meldungen überein,
nach welchsn die ,Nwbe" schon am i. August in
Götheborg eingetroffen war und dort bis zum
5. August zu bleiben beabsichtigte. D. R.)

Danzig, 6. August.

Wetter-Aussichten für Sonnabend, 7. August,
auf Grund der Berichte der deutschen Srewarte.

Ziemlich heiteres Wetter bei veränderlicher Be-
wölkung und mäßigen Winden; etwas wärmer,
ohne wesentliche Niederschläge.

* fTorpedoböte.f Die auf der Schichau'schen
Werst in Elbing erbauten und gestern mit öster-
reichischsr Besatzung von Pillau nach Pola abge-
gangenen beiden österreichischen Torpedoböte
„Sperber" und „Habicht" sind heute — wahr-
fcheinlich Sturmes halber — in Neufahrwasser
eingelaufen. — Die beiden deutschen Torpedo-
boots-Divisioneri, gesührt vondemAviso„BIitz"
und dem Panzerfahrzeug „Brummer", manövrircn
bei irgend geeignetem Wetter in der hiesigen Bucht
und kehren Abends in den Hafen zurück. Jhre
hiesigen Uebungen sollen jedoch morgen schon be-

n.ung der Tonsätze treu festhalteuden gemischten
Chors wesentlich unterstützt wurde. Nun sang dis Ge-
meinde ein Kirchenlied, Prof. Baffermann betrat die
Kanzel und hielt die Predigt über denText: „Vor Gott
sind tausend Jahre wie ein Tag". Auch er begrüßt
die Abgesandten aller Länder, aller deutschen Gaue
in Heidelberg, der ältesten deutschen Universität
(nur Prag ist älter), die sich trotzdem jugendsrisch,
kräftig vorwärtsstrebend erhülten habe. Der Beginn
dieser seltenen Feier wird paffend durch einen kirch-
lichen Act eingeleitet, denn nicht Rühmen ziemt unS
heute, daß wir es so herrlich weit gebracht, fondern
klein und bescheiden müffen wir uns fühlen vor der
erhabenen Majestät Gottes, dcm tausend Jahre nur
ein Tag seien. Dies ist die richtige Feststimmung an
diesem Orte. Aber wenn wir hinaufstreben und
hinaufbltcken zur Erhabenheit des Herrn, dann kann
unsere Kleinheit sich in Größe wandeln, in das
Gesühl, daß wir uns neben Gott stellen dürfen.

Der ernsten musikalischen Schlußfeier des
Gottesdienstes folgte nach kurzer Pause, während
der Usetor waguitleentissiwus seinem kaiserlichen
Schwager die Festhalle zeigte, der Act in der Aula
der Hochschule.

Um 11 Uhr langte der Pagentroß des Hofes
an. Drinnen füllte das Parterre der ganz neuer-
dings in deutscher Holz - Renaiffance umgebauten
Aula dieselbeglänzende Versammlung. Außer den
Trägern der Wiffenschaft sah man dort den preußi-
schen Minister von Goßler, die badischen Minister
und vieie hohe Militärs. Jm hinteren Abfchluffe
der oblongm Halle erhob sich der Thron-
seffel. Vor ihm lagen auf Tischen die
zahlreichen Ehrengaben und Weihegeschenke,
Adreffen, Pergamente in cylindrischen Kapseln,
Hanvschriften, Bücher rc. Zu beiden Seiten des
Thronseffels waren die Bühncn sür die Nedner
aufgestellt, ihnen gegenüber im Parterre zwei Lshn-
stühie für die Frau Großherzvßin und unseren
Kronprinzen. Auf dsr rings um die Halle laufenden
Empore sanden Studenten in ganz geringer Zahl,
geladene Gäste, darunter auch einige wenige Damen,
Platz.

Die Pedelle mit Spitzhüten, breitem Bandelier,
die kostbaren goldenen Pedellstäbe in der Hand,
eröffneten den Zug, es solgte der Lehrkörper der
Hochschule, dann der Recwr-Großherzog, hinter ihm

endigt und nächsteWoche in Warnemünde fortgesetzt
werden.

* sDockverholnKg.j Nach einer Mittheilung
der hiesigen kaiserlichen Werft an das Vorsteheramt
der Kaufmannschaft vom heutigen Tage wird
Behufs Dockung von Torpedobooten das Schwimm-
dock bei günstiger Witterung am Sonnabend,
den 7. d. M., von früh 7 Uhr ab nach der Ver-
fenkstelle in der Weichsel verholt und event. durch
Festmachen von Troffen an den Duc d'Alben an
der nördlichcn Seite des Fahrwaffers der Verkehr
gesperrt werden.

* sSchiffs ° Untergaug.l Das Galeas-Schiff
„Commodore" aus Zingst, geführt von Capitän
Geß, welches mit einer Ladung Kalksteinen von
Stettin nach Memel unterwegS war, sprang infolge
des durch die stürmische Wttterung hervorgerufenen
hohen Seeganges vorgestern Nachmittag in der
Gegend von Rrxhöft auf hoher See leck, und zwar
derartig, daß die aus dem Capitän und drei Mann
bestehende Besatzung gezwungen war, das Schiff
eiligst zu verlaffcn. Bald nachdem die Besatzung
das ausgerüstete Boot bestiegen hatte, ging der
„Commodore" unter. Die vier Perfonen verbrachten
nun auf dem kleinen Boote, fern vom Lande und
ohne Aussicht auf badige Rettung, dem Spiele der
Wellen preisgegeben, eine schreckliche Nacht. Gestern
Morgens um 7 Ubr erst gelang es den Schiff-
brüchigen, in der Nähe von Pillau zu landen. Die
starke Brandung brachte dabei das kleine Boot noch
im letzten Moment zum Kentern. doch konnten sich
Alle retten und das Boot sowie Kleider rc. bergen.

* sZiir Berlegmig des Kulmer BeschofSsitzeS.j
Wie aus den Mittheilungen in der gestrigen Abend-
und der heutigen Morgen-Ausgabe hervorgeht, wird
eine Verlegung des Kulmer Bifchofssitzes von
Pelplin nach Danzig namentlich in den Kreisender
westpreußischen Katholiken befürwortet. Das Organ
der hiesigen Centrumspartei verhält sich jedoch zu
der Frage sehr reservirt. Wir glauben auch nicht,
daß ihre Lösung nahe bevorfteht. Danzig ist
übrigens schon einmal, allerdings vor sehr langer
Zeit, Bischofssitz gewesen. Von 1360 bis 1414
residirte hter der Bischof von Kujawien, deffen Palast
jedoch derDeutschherren-Orden mitHilfe derDanziger
zerstörte. Er stand auf dem Btschofsberge, der
ihm feinen Namen verdankt. Aus den Trümmern
des Bischofspalastes errichteten schon die Ritter
Festungswerke und seitdem ist er ein Vertheidigungs-
werk Danzigs geblieben. Der Bischof von Kulm
hatte fiüher seinen Sitz in dem Städtchen Kulmsee.
Erst im Jahre 1823 wurde er nach Pelplin verlegt,
weil dort die weiten Räumlichkeiten des alten 1274
gegründeten Cistercienserklosters zur Verfügung
standen. Unter den Bischösen Carl von Hohenzollern,
v. Mathy und Srdlag fand auch das Deutschthum
Pflege feitens der Kulmer Bischöfe. Erstmneuerer
Zeit wurde Pelplin das „polnische Rom".

* jZu den Ausweisnngeu.f Mit Rückficht
darauf, daß zahlreichen aus Preußen Ausgewiesenen
von der ruisifchen Regierung die Rückkehr nach
Rußland nicht gestattet wird, hat der Landrath des
Kreises Strasburg im Kreisblatte eine Bekannt-
machung erlaffen, deren Jnhalt folgender ist:

Bon vielen russisch - polnischen Ueberläufern seien so
unvollständtge, häufig auch uurichtige Angaben über ihre
persönlichen Verhältnisse gemacht wordcn, daß es ben
prcußischen Behörden oft uicht möglich gewesen sei,
für die Ausgewiesenen von den russischen Behörden
die Erlaubniß zur Rückkehr zu erhalten. Da
aber unter keiner Bedingung Len von der
Aueweisung Betroffenen gestattet werden könne,
weiter in den preußischen Landen zu, bleiben,
so werde allen Denjentgen, welche noch dis Mar-
tini (kt. November) d. I. Aufschub erhalten haben,
eröffnet, daß sie bis dahin bedingungslos Preußen ver-
lassen müffen, auch wenn sic von der russischen Regie-
ruug nicht die Erlaubniß zur Rückkehr erhalten haben.
Es liege also im Jnteresse der Äusgewiesenen selbst. sich
um die Erlaubniß dazu bei der russischen Behörde zu
bemühen. Sollten sie diese Erlaubniß aber nicht er-
halten, danu könnten sie sich nach anderen Landen außer-
halb des preußischen Staates bcgeben. Die Abschließung
fernerer Dienstcontracte mit Ueberläufern wcrde unter
keiner Bedingung geduldet werden.

* IBesörderuug.f Der Vorsteher der Eisenbahn-
station 3. Klaffe Langfuhr, Herr Finck, ist zum Stations-
vorsteher 2. Klasse befördert und nach Schönsee (Thorn-
Jnsterburger Bahn) versctzt.

-r. fkircnS Krembser.j Die täglichen Vorstcllungen
erfreuen sich eines sehr zahlreichen Besuchs und es erutet
das in denselben Gebotene meistens lebhaften Beisall.
Das reichhalüze Programm brmgt denn auch jeden Tag
etwas Neues. Was Herr Director Krernbser in der
Dressur ocr Pferde leistet, ist so leicht nicht zu übertreffen,
aber auch Frau Director Paula Krembser excellirt
durch Eleganz und Vorzüglichkeit ihrer Dreffur. Von
den Artisten, welche sich in der grstrigen Vorstellung
ferner producirten, sind namentlich zu erwähnen: Mr.
Antonio und Miß Adelina in ihren außerordentlichen
Leistungeu am Trapez, Miß Jsabella O'Brien als
graziöse Reitküustlerin, die beiden jugendlichen Athleten
zu Pferde Willh und Max (beides Danziger Kinder),

wieder der Kronprinz nsit der Grohherzogin. Als
alles Platz genommen, erhob sich der fürstliche Rector
zu feierlicher Ansprache, in welcher er der Ver-
dienfte seines Ahnherrn Carl Friedrich gedachte, der
am Anfang deS Jahrhunderts die Universität aus
tiefem Verfalle neu erhoben und dabei bestimmt
habe, daß er und seine Nachfolger das Rcctorenamt
bekleiden sollten. Nach einem kurzen Rückblick auf
die Vergangenheit der Hochschule sprach er seinen
Dank aus zunächst dsm Kaiser als Schützer der
Wiffenschaften und Gründer des Reichs, dem
heiligen Vater Leo XIII., der drs Jubiläum durch
eine kostbare Gabe von großem wiffenschaftlichen
Werthe verherrliche, dann den Sendboten aller
Schwesteruniversttäten und den Förderern von Kunst
und Wiffenschaft, welche der Einladung zur Jubel-
feier dieser ältesten deutschen Universität gefolgt
wären. Der Großherzoa schloß mit der Ueber-
reichung einer Ehrengabe, goldene Kette mit
Medaillon, an den Prorector, die von nun an stets
die Prorectoren bei festlichen Acten schmücken solle.

Der deutsche Kronprinz brachte in herzlicher,
warmer Ansprache den Gruß seines kaiserlichen
Vaters und schloß mit der Hoffnung, daß immer
Wahrhaftigkeit, Strenge, der Geist des Freimuthrs
und der Friedfertigkeit in diescr Hochschule walten
möchten. Dann antwortete der Hrorector dem
Großherzoge, darauf sprach ein Vertreter des
Ministeriums, ein anderer der Stände und nun
betrat der Abgesandte des Papstes die Redekanzel.
Alle Welt harte einen Monsignore in vollem Ornat,
einen Delegaten, einen Priestergreis vermuthet, es
erschien aber ein schlanker, noch jugendlicherMann mit
fchönem schwarzen Vollbart, im Frack, auf der Bühne
und hielt die italienische Ansprache, brachte Segens-
wünsche und Grüße des Heiligen Vaters und jenes
kostbare Documenl, von dcm Ichon öfters die Rede
gewesen ist. Es solgten noch einige Sprecher aus
der Reihe der akademifchen Abgesandten; nach l Uhr
war dicse Hauptfeier, die einen sehr würdevollen
und feierlichen Eindruck machte, beendet.

Abends folgen wir der Einladung zum Schloß-
feste, wo wir alle Theilnehmer der ernsten Feieracte
in ungezwungener Geselligkeit wiederzusehen hoffen.
Das gestrige Gcwitter hat die Luft gereinigt und
gekühlt, man darf mit Sicherheit auf einen schönen
Abend hoffen.
 
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