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28. Jahrgimg.

Montag, S. Augnst.

Aberid-Ausgave.

iilnlger

15987.

Die «Danziger Zeituug" erscheiut LSglich 2 Mal
gasse Rr. 4, uud bei alles Kaiserl. Postaustalteu deS
für die Petitzeile oder dereu Raum 20 A.

Telegramme der Danziger Ztg., L

iastein, 9. August. (W. T.) Der Kaiser vo«
Oesterreich ist, von der Bevölkeruug enthufiastisch
Hegrüßt, gesters um 7 Uhr AbeudS hier ringetroffe»
«nd von dem Priuzeu Wilhelm «ud dem Fürsteu
Bismarck vor dem Badeschloß empfaugeu worden.
Der Kaiser begrüßte de« Prinzeu Wilhelm uud deu
Fürsteu Bismarck sehr herzlich uud begab fich darauf
in das Badcschloß, wo ihu der Kaiser Wilhelm uud
die Kaiserin Elisabeth am Fuße der Treppe erwar-
teteu. Beide Mouarcheu umarmten uud küßteu fich
wiederholt und zogeu sich dauu iu die Gemächer deS
Äaisers Wilhelm zurück, wo sie 20 Miuuteu
verweilteu.

Telegraphische Nachrichten der Danz. Ztg.

Bad Gastein, 8. August. Der Kaiser Wilhelm
empfing gestern Äachmittag den Botschafter Prinzen
Reuß und nahm später den Vortrag des Wükl.
Geh. Legationsrathes v. Bülow entgegen. An dem
Diner bei dem Kaiser nahmen gestern noch der
Minister v. Bötticher mit Gemahlin, die Grüfin
Lehndorff, Frau v. Wallenberg und Graf Dönhoff-
Fciedrichstein Theil. Heute Vormittag empfing der
Kaiser denGrafen Herbert Bit-mLick. Zudemheutigen
Diner sind geladen: Hofpr>diger vr. Frommel, der
Bürgermeister Straubrnger unv der Oberstlieutmant
v. Betz, Commandant des Milttärkurhauses in Hof-
Gastein. — Anläßlich der heute Abend erfolgenden
Ankunft des Kaiserö von Oesterreich ist der Ort
bereits reich mit Fahnen und Guirlanden geschmückt.

Kopeuhagen, 8. Aug. Der König von Griechen-
land ist heute Vormittag hier eingetroffen und von
den Mitgliedern der königlichen Familie am Bahn-
hofe empfangen worden, der Kronprinz ist mit dem-
selben hierher zmückgekehrt.

Brüffel, 8. August. An der heutigen Arbeiter-
kundgebung nahmen gegen 1600 Personen Theil,
welche mit einigen rothen Fahnen unter dem Ge-
sange der Marseillaise die Straßen durchzogen.
Die Ruhe wurde nirgends gestört.

PeterSburg, 8. August. Der Minister v. Giers
empfing den chinesischen Gesandten Tseng und
machte demselben gestern seinen Gegenbesuch.

Potttische Ueberficht.

Danzig, 8. August.

Die gestrige Kaiserzusammeukuuft iu Gastein
wird dem Frieden Europas dienen — darüber
sind wohl die Politiker aller LLnder einiz. Wenn
Ocsterreich und Deutschland das freundschaft-
liche Verhältniß, das seit Jahren unter ihnen besteht,
erneuern, so ist das für Memand, der nicht selbst
sich mit gefährlichen Plänen trägt, eine Bedrohung.
Ob Rußland noch ebenso fist im Bunde steht, als
vor ein paar Jahren, darüber schwebt noch immer
ein gewiffes Dunkel, aber wir möchten auch heute
die neulich ausgesprochene Meinung wiederholen,
daß Kaiser Alexander II. Bedenken tragen wird,
einer Politik zuzustimmen, welche Rußlanv wohl in
die größten Gefahren stürzen, ihm aber
wenig Vortheile bringen könnte. So lange
Herr von Giers das Vertrauen des russischen
Kaisers gemeßt, werden die Hetzereien der pan-
slavistischen Organe, welche nach wievorfort-
gesetzt werden, keinen Erfolg haben. Hr. v. Giers
rst noch immer Willens mit Deutschland und Oester-
reich Hand in Hand zu gehen, und man versichert,
daß dies Verhältniß auch dann nicht alterirt wird,
wenn es nicht zu einer Zusammenkunft des Herrn
v. Giers und des Fürsten Bismarck kommen lollte.

Eine eigenthümliche Erklärung für die scharfe
Sprache der russischcn Preffe gegen Deutschland
finden wir in einem Artikel des „Reichsboten", der
Enthüllungen einiger englischenZeitungenreproducirt.
Nach diesen soll die „aggresfive Polttik Rußlands,
die augenblicklich indeffen schon ihren Zenith über-

Die Heidelberger Jubelfeier

IV.*)

L Heidelberg, 5. August.

Vom gestrigcn Tage bleibt nur wenig nachzu-
holen. Gcgen 3 Uhr versammelten sich die ge-
ladencn Festgenoffen zum Mahle in dem Lokale der
Museumsgesellschaft. Den großen Saal süllten
vierTafeln, die von der für die vornehmstenEhren-
gäste' bestimmten Quertafel auslrefen. Gegen
500 Theilnebmer fanden jcdoch hier nicht Platz, es
mußte noch m den Nebensälen gedcckt werden. Nuf
den Galerten waren die Damen, die Frauen und
die Töchter der UniversitätSlehrer placirt; es aßen
nur Herren mit, selbst dic Großherzogin Luise, die
bis zetzt immer an den Festacten theilgenommen,
war hier nicht erschienen. Jn der Mitte der Quer-
tafel sahen wir unseren Kronprinzen, neben thm
den Prinzen Ludwig Wilhelm und den Prinzen
Karl von Baden. Mommsen, Kuno Fischer saßen
diesen zunächst, gegenüber nahm der Großherzog
den Mittelplatz ein, er hatte zur Seite den Pro-
rector, einen seiner Minister und weiter die hervor-
ragendsten Männer der Wiffenschaft: Bunsen,
Gneist, Helmholtz, Windscheidt, den Abgesandten des
Papstes, die Deputirten der französischen Lehr-
körper. Außerdem sahen wir den Cultusminister
vi-. v. Goßler, den Präfidenten der ersten badischen
Kammer Graf Äerlichingen, ferner Häckel,
die Rectoren der dewschen Hochschulen, Julius
Wolff, Spielhagen und viele Charakterköpfe aus
der Gelehrtenwelt. Der Großherzog, der schon im
freundlichen Verkehr auf dem Schloffe die ihm
persönlich bckannten Vertreter der Wiffmschaft ver-
traulich begrüßt halte, unterhielt sich auch hier
lebhaft mit denselben. Helmholtz legte er die Arme
auf beide Schnltern und zog ihn heran, anderen
drückte er berzl'ch die Hand.

Das Mabl setzte srch zusammcn aus Fleilch-
brühe mit Geflügelklößchen (Capwein), Rheinlachs
mit holländlschei Sauce und blau gesoücne Forellen
(Markgräfl r Auslese), Lsndenbraten mit jungem

*) Verspätet emgegangen. D. Red.

sühren, die Gladstone dem Petersburger Cabinet
gemacht und damit dieses geradezu zum Vorgehen
ermunlert habe. Der Lord Roseberry hat jedenfalls
eine zweifelhafte Rolle gespielt; er war cntweder
der Dupirte, oder er versuchte zu dupsien. Aber auf
dem Auswärtigen Amt in Berlin habe man, trotz
der Freundschastsvcrsicherungen und der jovialen
Gastfrciheit des Rothschild'schen Schwiegersohnes,
enaue Kunde von den Unterhandlungen mit Peters-

' ig entgegenwirkt.
in Zukunft noch

urg gehabt und diesen rcchtzeitig entgegenwirkt.
Der schottische Graf werde also in Zukunft noch
etwas früher ausstchen müffen, was seinem Embost-

point gar nicht unzuträglich wäre. Hauvtsächlich
an diese Adresse seien jene osficiösen Aeußerungen
gerichtet gewesen, daß es Deutschland nicht einfallen
könne, einen alten Bundesgenoffen vor den Kopf
zu stoßen, um für England die indischen Kastanien
aus dem Feuer zn holen. Jetzt, nachdem eine ge-
diegene Persönlichkeit wie Jddesleigh im Foreign
Osfice eingezogen ist, hat sich die Situation mit
eincm Schlage geändert. England ist für das
conservative Grotzmachtssystcm, das der deutsche
Kaiser in der ThronreM desReichstagss im Jahre
1879 proclamirt hat, wieder alliancefähig geworden.
Sein Beitritt zur Friedensliga wird bereitwilligst
ausgenommen, ohne daß man deshalb nöthig hätte,
Nußland aus derselben auszustoßen. Der russischen
Volksstimmung find augenblicklich die Augen ge-
trübt; ste betrachtet alles durch ibre panslavistische
Brille, welche die Dinge verschiebt. Hoffentlich
werden die Tage aus Gastein und der Besuch deS
Erzherzogs CarlLudwig inPeterhof dazu beitragen,
Klärung zu bringen."

Wir laffen ganz dahingestellt, ob diese Ent-
hüllungen englischer conservattver Blätter, insbe-
sondere über die Haltung Gladstone'S und Rose-
berrh's — deffen auswärtrge Politik Salisburh im
Ganzen und Großen gebilligt hat und fortsetzen
wird —, irgend einen thatsächlichen Hintergrund
aben. So viel jedoch scheint sicher zu sein, daß
iußland nicht daran denkt, mit Frankreich im
Bunde den Frieden Europas zu stören. Die Hetze-
reien der panslavistischen Prcsie werden wir uns
noch eine Zeit lang gefallea laffen müffen.

Herr Giers,

der rusfische Minister des Auswärtigen, hat nun
endlich seine oft verkündete und dann widerrufene
Reise angetreten. Er ist, wie uns ein Privat-
telegramm meldet, gestern Vormittag von Peters-
burg nach Franzensöad abgereist, wo er zunächst
snne Tochter zu verhrirathen gedenkt. Die politischs
Welt sieht in der Reise des Ministers ein Auzeicheu
dafür, daß die rusfische Regierung nunmehr ent-
schloffsn tst- wiederum einen Anschluß an die ver-
bündeten Nachbarreiche zu gewinnen und damit der
drohenden Vercinsamung zu entgehen.

Eiue Quadrupel-Alliauce

empfiehlt die conservative „Morning Post" dem
neuen englischen Ministerium als sicherste Bürgschaft
des europäischen Friedens: sie räth dem neuen
Minister des Auswärtigen, Lord Jddcsleigh, ein
Bündniß zwischcn England unv den Regierungen
in Berlin, Wien und Rom anzustreben. Der Ab-
schluß einer solchen Quadrupel-Alliance nrüffe jeden
Plan zu Schanden machen, den andere Mächte zur
Störung des Friedens im Sinne führen dürften.
Die „Morning Post" giebt zu, daß vielleicht weder
Rußland noch Frankreich irgend welche ernsten
kriegerischen Ahsichten heaen, erklärt es aber sür
kindisch, wenn man bestreiten wollte, daß die
Politik dieser beiden Mächte gegenwärtig derartig
sei, daß sie die größte Besorgniß hervorruft. Der
Zeitpunkt nähere fich, in dem dre Signatarmächte des
Berliner Vertrages nach Konstantinopel eingeladen
werden würden, um die in dem organischen Statut

Gemüse (Rüdesheimer), Rehrippchen mit Trüffeln
(Aßmannshäuier), Hummermahonnaise (Forster
Kirchenstück, Perle der Pfalz), Poularden, Salat,
Compots (Monopol), Eis und Dessert. Als der
Champagner gereicht wurde, erhob sich der Groß-
berzog, um in warmen Worten das Hoch auf den
Kaiser, den Schützer des Frtedens, den Förderer
von Kunst und Wisienschast, cinzuleiten. Der deutsche
Kconprinz war bet dem Festacte in der Aula als
Abgesandter und Vertreter seines kaiserlichen Vaters
dem Brauche gemäß auf die Vorlesung der ihm von
seincm militärischen Begleiter überreichten Rede
beschränkt gewesen Hier erhob er sich, um in
freier hcrzlicher Rede der Beziehungen zu gedenken,
die ihn seit langen Jahren in guten und ernsten
Zeiten mit seinem Schwager, dem Großherzog,
freundschastlich verbunden, dem deutschen Fürsten,
der am 18. Januar 1871 seinem Hause die erbliche
Kaiserwürde angetragen habe. Dcm Hoch auf den
großherzoglichen Iteotor wü^niüoontiesiwus folgte
eine Rede des Grafen Berlichingen, der die Hohen
Verdienste und Tugenden der Großherzogin Luise
als Fürstin und Landesmutter feierte. Ünter den
anderen Tischreden hob sich dirjenige des Profeffors
Helmbotz hervor, der warm ergriffen von dem Augen-
blick, Herdelberg, seine frühere Heimath, pries. Der
Natuisorscher, so sagte er, muß immer etwas vom
Poeten haben, nur im lebhaften Verkchr mit der
schönen Natur entwickeln sich die großen und guten
Gedanken. Es wurde vom Großherzog noch ein Hoch
auf die Universität in schöner Rede, welche die Üni-
versitas der Wiffenschaft feierte, die ein festes Band
um alle Nationen schließe, wie die Festversamwlung
zeige, ausgebracht; auch der Prorector Bekker und
der Vertreter der Staatsregierung sprachen noch,
bis gegen 6 Uhr die Tafel aufgehoben wurde.

Es dunkelte kaum, da bewegte sich die doppelte
Feuerlinie des großcn Fackelzuges vom jenseitigen
Neckarufer aus der Gegcnd von Neuenheim und
Handschuchheim über die alte Neäarbrücke in die
Stadt zur Restdenz dcs Landessürsten und dann
zurück durch die engen Straßen derStadt. Fackel-
züge sind in Universitätsstädten ja nichts seltenes,
dieser aber unterschied sich doch von allen früheren

von Ostrumelien vorgenommenen Modificationen
zu prüfcn, und es sei kaum abzusehen, aus welchen
Gründen der Vertreter der Macht, die durch die
Abschaffung des Freihafens von Äatum den Ber-
Irner Vertrag thatsächlich in Stücken zerriffen habe,
die Unverletzbarkeit des internationalen Pacts mit
Berug auf das organische Statut Ostrumeliens ver-
therdrgen werde. Es dürfte für sicher an-
genommcn werden, daß, wenn Rußland aushöre einen
Theil des europäischen Concerts zu bilden, der
Bruch erfolgen werde, wenn die Frage des ver-
einigten Bulgariens wiederunr unter die Erwägung
der Mächte gelange.

Die Frage der Aufhebrmg des Schnlgeldes
in den Volksschulen hat bekanntlich in den letzten
Jahren bei den Verhandlungen über die sog.
Finanz- und Steuerreform eine hervorragende
Stelle eingenommen. Man verlangte eine Er-
böhung der indirecten Reichssteuern auch zu dem
Zweck, das Schulgeld aufzuheben. Jn den meisten
Gcmeinden ist es vereits seit längerer Zeit beseitigt;
denn so verlangt es die Verfaffung; insbesondere
in den großen Städten. Eine der lctzteren, in
welchen es noch fortbesteht, ist Köln. Dort ist
seitens der Mitglieder der deutschfreisinnigen Partei
bei der Stadtverordnetsn-Versammlung wiederholt
der Antrag auf Aufhebnng dcs Schulgeldes einge-
bracht worden. Der Gemeinderatb war in der
lrtzten Sitzung abermals mit dicsem Antrage befaßt.
Er wurde bis zur nächsten Etatsberathung vertagt;
bis dahin sollen Erhebungen darüber angestellt
werden, wie viel Schulgeld von den Eltern in jeder
Steuerstufe bezahlt wird. Köln wird nicht umhin
können, das zu thun, was die Mehrzahl der Stäbte
in Beachtung cines Gebots der Versaffung schon
längst gethan haben. Bei Köln wird man wohl
auch den Einwand nicht machen, daß die finanzielle
Lage der Stadt einem solchen Beschluß entgegen-
stehe. Nach den officiellen Angaben der Zeitschrist
bes statistischen Bureaus hat Köln im Etatsjahre
1883/84 805 920 Mk. für seine Volksschulen ver-
wendet und die Einnahmen, wie wir annehmen,
überwiegend aus Schulgelb betrugen 125 464 Mk.
Jn der Rheinprovinz überhaupt werden noch
nahezu l'/> Mtllionen Mark an Schulgeld
«rhoöen, während z. B. in dem viel ärmeren West-
pceußen zehnmal weniger, nämlich nur noch circa
150 000 Mk. erhoben werden. Die bezügliche
Statistik ergiebt überhaupt, daß das Schulgeld
zum größten Theil noch in den wohlhabenderen
Provinzen besteht, die auch ohne daß man ihnen
mit neuen Reichssteuern zu Hilfe kommt, aus
k'.gener Kraft ebenso im Stande sind die Forderung
der Verfaffung zu erfüllen, wie es die ärmeren
schon gethan haben. Die Schulgeldfrage ist kein
glücklicher Vorspann für die Reichssteuerreform.

Die «eue euglischx Regierung
beabsichtigt, wie bereits erwähnt, mit den Reformen
in Jrland äußerst vorsichtig und langsam vor-
zugehen. Sie hat dazu alle Ursache. Denn die
liberalen Unionisten, mit deren Stimmen die Conser-
vativen das Ministerium Gladstone geworfen haben,
halten sich von jeber weiteren Gemernschast mit der
conservativen Regterung fern. Bei der Wieder-
eröffnung des Unterhauses haben Hartington und
Chamberlain auf der vorderften Bank der Opposition,
unmittelbar neben Gladstone ihre Plätze genommen,
mit dem sie Händedrücke wechselten. Denr Vernehmen
nach beabsichtigen Gladstone und seine Anhänger
nicht, irgend eine Anstrengung zu machen, um
die Regrerung in der eben eröffneten Session zu
stören. Sie wollen inzwffchcn ihr Streben darauf
richten, von dem Ministerium eine Erklärung der
allgemeinen Principien zu erlangen, welche es seinem
Verfahren mit der irischen Frage zu Grunde zu
legen gedenkt.

Die irische Partei beabsichtigt, zur Adreffe

nicht nur durch seine colossale Länge, sondsrn auch
durch die Theilnehmer. Kaum einer der jctzigen
und der früheren akademischen Bürger der Ruperto-
Carola hatte sich ausgeschloffen. Männer mit
weißen Haaren und greisen Bärten, Geheimräthe,
Mitglieder hoher Gerichtshöfe, angesehene Würden-
träger aus allen Gauen des Reichs schwangen
jugendfrisch die Pechfackeln, die ihre Gesichter bald
mit schwarzem Ruß überzogen hatten; zwischen den

junaen und jüngsten schritten sie einher, bis die
Fackeln zu einem Scheiterhaufen zusammengeworfen
waren.

Wie gebräuchlich, folgten dem Fackelzuge Com-
merse: in der Festhalle versammelten sich gemeinsam
die Corps, in ben schönen Sälen der Gesellschaft
Harmonie hatten fich alle Burschenschafter mit ihren
Gästen und alten Herren vereint. Erst gegen 10 Uhr
begannen die Commerse, beide mit dem Hoch auf
den Kaiser. Wie lange sie gedauert haben mögen,
weiß ich nicht, denn als ich nach 2 Uhr die Har-
monie verließ, war die allgemeine Fidelitas noch
in höchster Blüthe, und in das Fenster meines
Zimmers schallte auS der Festhalle noch Gesang
und Hochrufen, als ich lange zur Nuhe gegangen
war. Es wurde viel und zum Theil gut geredet
in Prosa und in Versen; die alten Burschenlieder
weckten liebe Erinnerungen, und der Austausch
freundlicher Gespräche fand immer noch Platz neben
bem allgemeinen Frohsinn.

Der heutige Vormittag war durch die Ehren-
promotionen ausgefüllt, die wieder in der Heilige-
geistkirche verkündet wurden. Das nahm nur wenig
Zeit in Anspruch, sonst gehörte der ganze Tag den
Ausflügen, Spaziergängen, dem Verkehr unter Fest-
genoffen, der immer lebhaster, immer herzlicher
wird, je weiter das Fest vorrückt. Es ist dies die
Ruhe und die Erholung vor dem großen Tage des
historischen Festzuges.

" (V.Z

'Ä Heidelberg, 6. August.

Für das großr Publikum bildete der heutige
historische Festzug entschieden das Hcmvtmoinmt der
Jubelfeier. Die anderen Acte unb Vemnstaltungen

ein Amendement zu beantragen, welches die Regie-
rung auffordert, zur Reviston der Pachtbeträge und
zur Einstellung von Exmissionen in Jrland Schritte
zu thun.

Jnzwischen ist es am Sonnabend in Belfast
abermals zu Ruhestörungen gekommen. Die
Polizei wurde mit Steinwürfen angegriffen und
mehrere Poltzeibeamte wurden verwundet. Jm
Laufe des Abends wiederbolicn sich die Ruhe-
störungen. Zwischen den Ruhestörern und der
Polizcr und den die letztere unterstützenden Truppen
kam es mehrere Male zu hestigen Zusammen-
stößen; hierbei wurden gegen 50 Personen ver-
wundet.

Schutzzöllnerische Strömungen iu Bclgien.

Das Vorgehen Teutschlands in der Ricktung
starker Zollerhöhung macht sich der belgischen
Industrie so lebhaft fühlbar, daß aller Orten das
Verlangen nach Schutzzöllen auftritt. Die Stellung
des Ministeriums, schreibt ein Brüffeler Corre-
spondent des „Hamb. Corr.", wird jetzt um so
schwieriger, als es nicht nur selbst in dieser Frage
uneinig ist, sondern auch die Majorität beider
Kammern jctzt entschieden schutzzöllnerisch gesinnt ist.
Es sei daher unzweifelhast, daß die Emführung
von Viehzöllen und Getreidezöllen große Aussichten
auf Annahme haben.

Eiue amerikanische Zolluuiou.

Im kommendcn Oktober soll in Washington
ein Congreß von Delegirten aus der Republik
Mexico, aus den StaatenCentral- und Südamerika'S,
namentlich auch aus Brastlien, sowie aus Hayti und
San Domingo zusammentreten. Der Zweck des
Congreffes ist dahtn bestimmt, „daß eine Zollänion
des ameiikanischen Continents (mit Ausschluß von
Canada) ernchlet, eine gemeinsame Transportlinie
von Dampfschiffen hergestellt, ein gemeinsames ein-
heitliches Maß und Gewicht, sowie eine gemeinsame
Silber- und Goldmünze — darauf wird es den
amerikanischen Silberminenbesitzern hauptsächlich
ankommen — eingeführt, ein internationales Schieds-
zericht zur Schlichtung der Streitigkeiten ameri-
anischer Staaten untereinander errichtet und über-
haupt Maßregeln, welcke die gemeinschaftliche Wohl-
sahrt amerikanijcher Staaten fördern, eingeführt
werden sollen".

Deutfchla«-.

Berliu, 8. August. Mit welch' unfreundlichen
Augen die Reichspoftverwaltung der beiben Privat-
verkehrsanstalten, die seit mehreren Wochen in Berlin
eröffnet worden find, betrachtct, ist oekannt. Sie hat
unmittelbar nach Begründung dieser Anstalten etne
sehr überflüssige Warnung an das Publikum er-
laffen, die der Reichspost zur Bestellung über-
gebenen Postsachen nicht mit den Bricfmarken der
Privatanstalten zu bekleben, und hat ferner in der
officiösen Preffe alles gethan, um letztere zu dis-
creditiren. Das war nun Alles erfolglos, denn beide
Privatanstallen wiffen von immer befferen Betriebs-
resultaten zu berichten, und Herr v. Stephan dars
sich überzeugt halten, daß er ohne Herabsetzung deS
Stadtbriefportos sür Berlin die Concurrenz der
beiden Prtvatanstalten nicht niederhalten kann. DaS
tst ihm auch kürzlich von conservativer Seite be-
zeugt worden. Deshalb wird es den beiden
Concurrenzgesellschaften auch ntchts weiter ver-
schlagen, wenn die Praxis, die neuerdingS gegen
sie beobachtet wird, gegen sie fortgesetzt werden
sollte. Das Reichspostgesetz gestattet die Besorgung
von näher bezeichneten Postsachen den Privatunter-
nehmungen nur innerhalb derselben Stadt, nickt
aber von Orten mit Postanstalten nach Orten mit
Postanstalten. Daß die Privatverkehrsanstalten
sich vor der Betriebseröffnung über diese Bestim-
mungen nicht unterrichtet haoen iollten, ist nicht
anzunehmen. Ueberdies ist aus Anlaß ihrer Be-

der Woche waren ihm kaum zugänglich oder
weniger verständlich; es empfand und genoß nur
die freudig erhobene Stimmung, welche die Festzeit
in allen Herzen weckte. Anders die eigentlichen
Theilnehmer der Feierzeit. Jhnen brachte jeder
Tag der ablaufenden Woche eine solche Fülle
geistigen Jnhalts, so große ernste und freudige An-
rcgung, daß ihre Herzen höher schlugen bei den
erhebenden Redeacten nicht allein, sondern auch bei
dem intimeren Verkehr der erlauchten Vertreter der
Wiffenschaft, die aus allen Culturfiätten der Welt
hergekommen waren und durch den Verlauf des
Festes einander so wie der studirenden Jugend näher
gebracht wurden. Der Festzug gehörte, streng ge-
nommen, dieser Universitas kaum mehr an, er war
aus der freien Jnitiative Privater hervorgegangcn,
natürlich von der Mitwirkung der Studentenschaft
gern unterstützt.

Aus allen Nachbarstädten, ja aus weiter Ferne
war für diesen Frettag starker Zuzug in Aussicht
gestellt, vom schönsten Wetter begünstigt, entwickelte
sich in allen Straßen volksfestliches Leben; der
Schmuck derselben war womöglich noch reicher und
bunter acworden, die tief herabhängenden Fahnen-
tücher, Laubgewinde, Teppiche und Draperien ver-
hüllten fast den Charakter der modernen bürger-
lichen Architektur; nur Kirchen, Thürme, Monu-
mentalbauten ragten darüber hinaus, sodaß daS
Sckaugepränge der Wandelbilder aus verschiedenen
Jabrhunderten einen nicht unpaffenden Rahmen
sand. Der Großherzog war mit den Seinen aus
Karlsruhe wieder hierher zurückgekehrt. Man hatte
der Hofgesellschaft nahe dem Erngange zur Stadt
in den grünen Anlagen einen sehr geschmackvollen
Pavillon erbaut, zu welchem, wie zur Ausstattung
der Aula und der Festhalle, die bedeutendsten
Lehrkräfte und Meister dcs Polytechnikums Karls-
ruhe die Entwürfe geliefert hatten. Ein leichter
Pavillon in reichstem Renaiffancegeschmack öffnet sich
auf eine Plattsorm, deren zeltartiges Sonnendach
von goldenen Lanzenstälen gehalten wird. Das
Ganze trägt zwar emen ephemeren Charakter, wi kt
aber durch prächtige Draperien und lebhafte Orna-
mentiruug schr gtt'icklich. Außer der großherzog-^
 
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