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28. Zahrgang.

Tounabsnd, 7. Augnst.

Msnd-AnSgaSk.


1S985.

Die »Dauziger Zeitung" erscheiut tLglich S Mal mit AuSuahuie vos Sountag Abeud uud Moutag früh. — Bestelluugen «erd« iu der Expeditio«. Ketterhagrr-
gaffe Rr. 4. uud bei alleu Kaiserl. Postaustalteu des Ju» und AuSlaudeS angeuvMMeu. — PreiS pro Quartal 4.50 durch die Post bezoge» 5 ^ — Juserate lost
für die Petitzeile oder dereu Raum S0 - — Die „Dauziger Zeituug vermittelt Jnsertiousauftrüge a» alle auSwärtigeu Zeituugeu »u Originalpreiseu.

188«.

Telegramme der Tanziger Ztg.

Berliu, 7. August. (W. T.) Profesior Wilhelm
Scherer ist gesteru Abeud uach kurzem Nnwohlseiu
gestorbeu. (Wilhelin Scherer, einer der hervor-
ragendsten Literarhistoriker der Gegenwart, war
1841 zu Schönborn in Oesterreich geboren, widmete
sich seit 1853 in Wien und Berlin dem Studium
der deutschen und der klassischen Philologie und.des
Sanskrit. 1864 habilitirte er sich in Wien'für
germanische Philologie und wurde 1868 dort Pro-
fesior für deutsche Sprache und Literatur. 1872
wurde er in gleicher Eigenschaft nach Strasiburg
und 1877 nach Berlin berufen. 1884 wurde er
Mitglied der Akademie der Wisienschaften. Aus
einer großen Anzahl literarhistorischer Arbeiten
ragt besvnders seine weitverbreitete „Geschichte der
deutschen Literatur" hervor, von welcher in diescm
Zahre die dritte Auflage erschienen ist.)

Herdelberg, 7. Angust. Der Tririksprnch,
ivrlchen der Großherzog auf den Kaiser bei dem
StudentemCommcrS auSbrachte, lautete:

„Wohl der Nation, Lie zu ciucm Oberhaupte
aufblickeu kaun, das die Krone als Symbol der
Macht und Größe des ReicheS so ehrwürdig uud
selbstlos trägt, dcsien mildc Hand das Sceprer mit
Stärke und Gerechtigkeit siihrk; wohl der Nation,
dereu Grundrechte nicht oon dem Wechsel
aneuschlicher Anschauungcn abhäugeu, sonderu
-:uf dauerhafteu Gruudfesteu ruhen. Uns
Deutschen ist solcher Borzug beschieden. Der
Bcsitz dieser Güter muß uuS stets au deren
Geber, au die todesmuthigen Ltämpfer für die Uu-
abhängigkeit uud Freiheit des LaterlaudeS erinuern.
Das Bewußtseiu vou der Macht uud dem Ausehen
des deutschen ReichS muß stetS eine Mahnung bleiben,
für die Erhaltnng dieses BesitzeS zu wirken. DaS
Streben der akadrmischen Jugend muß darauf gerichtet
seiu,gediegeneKeuntuisse zusammeln, die sie besähigeo,
LemKaiser uud demVaterlande nutzbringrnd zu d,eueu.
SolcheS Streben schafft dem Kaisrr uud dem Reiche
starke Stützeu. Daß der Kaiser sich uoch lange
solche« Strebenö erfreue und die mühevolle Arbeit
seiueS Lebeus dadurch anf gute Bahuen geleitet
wiffe, ist meiu Wunsch, mit dem ich i« aller Namen rufe:
Gott erhalte drn Kaiser Wilhelm! Er lebe hoch!"

Polittsche UebersichL.

Danzig, 7. August.

Selbst die Schutzzölluer wollen läugere Ruhe im
Zolltarif.

Auch die Jahiesberichte der schutzzöllnerischen
Handelskammern verlangen keineZollerhöhungen
wehr. Sie haben es, obwohl sie uatürlich das
Fehlerhafte ihrer zollpolitischen Anschauungen nicht
fingestehen, erkennen gelernt, daß es gefährlich ist,
M den Völkerverkehr mtt solcheu „Heilmitteln" ein-
Mgreifen. Man glauvt zu schlagen — und wird
geichlagen. Der Bericht der nocy am Schutzzoll
festhaltenden Lahrer Handelskammer räumt ein,
daß die Zollschranken, welche das Ausland gezogen,
unseren Absatz erschwert haben. Gleichwohl waren
die Schutzzölle nach der Meinung der Lahrer
Handelskammer. Aber um jeden Verdacht von
vornherein abzuwehren, als ob man auf diesem
Wege weitcr gehen wolle, fügt der Bericht wohl-
weislich hinzu:

„Wir vetonen dies jedoch keineswegs, um
neue Zollerhöhungen zu befürworten, im
Gegentheil möchten wir wünschen. daß die Ge-
setzgebung auf diesem wie auf anderen Ge-
bieten sich und der Erwerbsthätigkeit nun
eine längere Zeit der Nuhe gönnen möge.
Wohl aber möchten wir angesichts der Wahrschem-
lichkeit, daß Deutschland in Kurzem in die Lage
Lommen wird, über die Erneuerung des Handels-

Die Heidslberger Jubelfeier-
lil.

L Heidelberg, 4. August.

Dem erhabenen, gewaltig wirkenden Festacte
des gestrigen Tages, in dem Wisienschaft, Geist
und Beredtsamkeit die herrlichsten Gaben boten,
folgte am Abend das glänzende Schloßfest. Mit
Einladungen war nicht gekargt worden, Damen und
Herren aller GesellschaftSkrefle fanden sich dort zu-
sammen. Die Würdenträger dcr Universität hatten
ihre Talare, die rolhen Sammetmäntel mit Hermelin
verbrämt, wie solchen der Rector der Universität
Leipzig in der Heiligegetstkirche trug, die gestickten
Roben abgelegt, aber StaatSfracks mit Borten und
gvldenen oder grünen Blättern bestickt, Änits- und
Ordensketten unterschieden doch schon äußerlich viele
der Herrschenden im Reiche drr Wissenschaft von den
anderen Gästen, für dercn Toilette keine Vorschrift
gegeben war. Der Großherzog, der Kronprinz und
der Hos waren schon lange vor dem auf 8 Uhr
festgesetzten Beginn des Nachtfcstes angelangt, um
im „Banvhause" große Cour abzuhalten, sich alle
Abgesandten fremder Hochschulen und gelehrten
Körperschaften voistellen zu lasien.

Nun waren alle Zugänge zum Schloffe den
Geladenen geöffnet, denen diejen Abend das ganze
Waldterrain gehörte. Elektrisches Bogenlicht gotz
Mondscheinhelle über das Bäumedickichr, hob das
alte Terasiengemäuer aus dem Dunkel hervor, warf
seine Strahlen auf den gespaltenen Thurm, desien
hohe malerische Wirkung leider durch das Ueber-
wuchern der Epheumasien beeeintrüchtigl wird, dte
alle Brocken, Bogen, Trümmcr mit dickem Pelz
überzogen und unkenntlich gemacht haben. Die
Thore, Brücken und riefen Psorten, dic zum
Schloßhose führen, erhellten flackernde Pechfeuer in
hohen Pfannen, deren rothe Gmtb auf den derben
Steinmasscn unruhig lcuchtete. Sie gab nur ge-
dämpftes, unsicheres Licht, aber dies gerade sti-nmte
hier außerordentlich glücklich. Der innere Schloß-
hos machte einen wahrhast zaubcrischen Eindruck.
Das wogende Menschsnmeer, Studenten, Dtilitärs,
Gelehrte, Bürger mit tbren Damen, füllte ihn vvll-
ständig und fluthete langsam hinaus auf den
Söller, drang in alle Pfonen, aus die Treppen, in

vertrags mit der Schweiz wieder in Unter-
handlung zu treten, den Wunsch wiederholen, daß
die Reichsregierung ihr Bestreben darauf richten
möge, durch Abschließung entsprechender Haudels-
und Tarifverträge mit dem Ausland eine thun-
lichste Ausgleichung der sich gegenüberstehenden
Jnteresien berbeizusühren und unserer absatz-
bedürstigen Exportinbustrie die Wege zur sriedlichen
Wettbewerbung auf dem Weltmarkte wieder mehr
zu erschtießen."

Ganz einverstanden. Wir können uns nur
darüber sreuen, wenn die Schutzzöllner, wenn auch
nur allmählich, zu richtigeren Anschauungen kommen.
Man vergleiche nur solche Ausführungen mit den
kampftriefenden Rodomontaden von 1879. Jetzt
bleibt nur noch ein Theil der conservativen Agrarier
übrig, welche — wie bei der Jnterpellation Graf
Kanitz-v. Minnigerode im Abgeordnctenhause —
noch höhere Getreide-, Vieh-, einenWollzollrc.
verlangen. Auch sie werden sich zu anderen Au-
schauungen bekehren!

Die Hosinungcn vieler unserer Schutzzöllner auf
den Bericht der englischenEnquetecommission
werdcn auch zu Schanden wecden. Die „Polit.
Nachr." theilen über den Schlußbericht der Com-
mission, der auch von dem setzigen Mtnister Lord
Jddesleigh unterzeichnet ist, Fotgendes mit: „Vvn
einem Geschäftsrückgange in England sei der
Eommission nichts bekannt geworden. Jm Gcgen-
theil hütte sie gefunden, vaß der Umfang des
bntischen Handels über das Verhättnißmaß zu der
Volksvermehrung hinaus gewachsen und daß die
allgemeine industrielleLagedesLaudes befriedigend sei.
Niedrige Preise und entsprechende Verminderung
des Unternehmergewinnes sind nach dem Com-
missionSbericht die wahren Ursachen der geschäst-
lichen Notblage. Diese werden bedingt dnrch die
ungewöhnlich lange Dauer der Ueberprvduciion —
als Folge des colosial gesteigerten Nationalreich-
thums — und durch das Darniederlicgen der eng-
lischen Landwirthschaft. Letztere habe namentlich
den Rückgang dcs heimischen Umsatzes zur Folge
gehabt, der im Uebrigen kein unbefriedigendes Bild
aufweise, zumal die Lage der arbeitenden Klasien
innerhalb der beiden letzten Jahrzehnte eine sebr
bedeutende Aufbesserung erfahren habe." Die
Hauptsache ist, daß der Bericht keine Maßregeln
zur Sicherung des hetmischen Marktes in
Vorschlag bringt. England wird bei seiner be-
währten Handelspolitik bleiben.

Ei« Conservativer über die inuere deutschr Politik.

Die „Nation" lenkt in ihrcr ueuesten Nummer
die Ausmerksamkrit weiterer Kreise auf einen inter-
esianten Aussatz, den der bekannte conservative
Geh. Rath Gkffcken über die innere deutsche
P olitik im Augusthcft der englischen Monatsschrift
„6ollteillpürLr/ Ueviev" publicirt hat. Gesicken be-
handelt varin besonders eingehend die Kirchen-
politik und die Steuerpolitik des Reichs-
kanzlers. Die „Nation" leitet ihre Auszüge mit
folgender Bemeikung ein: „Die Kritik überschreitet,
wie das bei einem Manne wie Geffcken kaum her-
vorgehoben zu werden braucht, in keiuer Weise die
Grenze, welche literarischer Geschmack und politische
Billigkeit innezuhalten haben. Die Meinunb da-
rüber, was bei der Discussion über die politischen
Handlungen des Fürsten Bismaick zulässig ist, hat
aber heute in Deutschland einen so eigenartigen
Cbarakter bekommen, daß ein oppositionelles Blatt
unvorsichtig handeln würde, die Dinge in der offenen
Weise zu bezeichnen, wie das durch Geffcken in der
„Ovlltswpoilli^ R-kviscv" an einzelnen Stellen seincs
Artikels geschieht. Wir werden dieser Zwangslage
dadurch Rechnung tragen, daß wir bei der Ueber-
setzung einzelne Ausdrücke durch Gedankenstriche
markiren."

die ^Hallen, die heute geöffnet und mit improvisirten

Gastronen erleuchtet waren. Dre in üppigster Spät-
renaisiance erbaulen Prachtfacaden der verschiedenen
Schloßtheile waren durch Linien von Lämpchen um-
randet; weiße, rothe, grüne, gelbe Flämmchen
zeichneten die Umrisse der Architekturen ab, phan-
tastische Ornamente aus ühnlichen Lämpchen, Bogen,
Giebel, Kreuze lichteten das Halbdunkel des Hofes
nur wenig. Äber dieser Dämmerschein gehörte dazu,
um die Lichtfronten der Architekturgruppen krästiger
hervortreten zu lasien.

Freilich konntcn die Lämpchen nur einfache,
gerade oder gebogene Linien geben, die hohe Schön-
beit des Otto-Heinrichbaucs, die Statuen, die
Fensternischen mit ihren Säulchen und Sieinorna-
menten, die schlanken Giebelnngen, die unvergleichlich
reizvolle Schönheit der Gesammterscheinung blieb
dennich in Dunkel gehüllt. Da flammte denn
ptötzlich, dem Blicke sorgsam verborgen, hier und
dort bengalisches Licht auf, hob bald den Otto-
Heinrichbau, bald die andere Fronte aus der Nacht
hervor, in strahlender Helle, so daß jede Einzelheit,
die geringste Steinsculptur, das bescheidenste Orna-
ment sichtbar wurde, ohne daß die farbigen Lichter-
linien dadurch in ihrer Wirkung zurücktraten. Und
nicht ininenhaft erschienen jetzt die reichen Palast-
fronten. Wohlthätig deckte das umgebende Nacht-
dunket alle Brüche und Lücken, jetzt konnte man
meincn, die wundervollen Bauten in alter, unge-
brochener Schönheit zu sehen. Das gab unve-
schreiblich große Effecte von überwältigender Kchön-
heit. Roth glühte der rothe Baustein der Hallen
und Paläste, grün leuchtete der Wasierstraht des
Springbrunnens und sein zerstäubender Niederfall,
w eißes Licht quoll aus dem Jnnern der Säle durch
Pforten und Fenster hervor, meist gleichzeitig, ost
auch vereinzelt; man glaubte sich in ein Zaubcrreich
versetzt und besand sich doch in dem fröhlichen Ge-
wüh! moderner, festlich gestimmter Menschen, hörte
rauschende Musik aus den Verließen und Burg-
kammern heraustönen, aus deni Walde von fein
herüberhallen, traf alte Freunds, fand überall
steundliche Ansprache, denn alles war heute nach
dem ersten, herrlich verlausenen Festtage in heiterster
Stimmmig.

Wir gingen hinaus auf den Söller, der

Betreffs der kirchenpolitischen Verhandlungen
schreibt Geffcken u. A., nachdem er die Rede des
ReichskanzlerS threm wesentlichen Jnhalt nach ge-
schildert und scharf kritistrt hat:

„Die Kritik der Maigesetze (durch den Kanzler)
mag man als richtig acceptiren; was aber die per-
sönliche Stellung des Reichskanzlers anbetrifft, so
wird derselbe schwerlich in ersolgreicher Weise einen
Wechsel in der Ansicht der Welt und noch weniger
in dem unpaiteiischen Urtheil der Geschichte herbei-
führen. Die Constatirung, welche er versuchtj um
die Verantwortlichkeit für offenbare Fehler jetzt,
nachdem das Experiment nicht geglückt ist, auf andere
Schultern abzuwälzen, beruht auf einer —-."

„Der Kanzler glaubte, er könne die Centrums-
partei durch die Curie matt setzen und gerieth
schließlich selbst zwischen die Mühlsteine seiner
beiden Gegner. Ein Rückblick auf den Culturkampf
ist geeignet, in hohem Maße den Beweis zu er-
briugen, daß in der ganzen Geschichte der Kämpfe
größere Niederlage der ersteren erfolgt ist, als die
dmch die Reden des Kanzlers bezeichuete, und wenn
sein kühnes — - — in der parlamentarischcn

Arena keinen kräfligen Widerspruch erfuhr, so zeigt
das nur, daß das Gedächtniß seiner Hörer entweder
sehr kurz oder sehr verrätherisch, oder — was das
wahrscheinlichste ist — sehr unterwürsig (submis-
sive) war."

Geffcken wendet stch dann zur Finanzpolitik
und meint, daß die Regierung auch hier nicht
glücklicher gewesen sei. „Mit dem Project des
Branntweinmonopols erlitt sie eine große Nieder-
lage, da bci der zweiten Lesung im Reichstage nur
drei Mitglieder für die Negierungsvorlage stimmten.
Nicht glücklicher war man mit einer anderen ratio-
nelleren Vorlage, wrlche die gegenwärtige Maisch-
ramnsteuer mil einer neuen Verbrauchsabgabe ver-
binden wollte. Es war die conservative oder besier
die agrarische Partci, welche dieken Entwurf zu
Falle brachte, und zwar durch Vorlegung eines
Gegenprojects, welches statt eines Staatsmonopols
ein Monopol in den Händen der gegenwärtigen
Spiritusproducenten voischlug."

Geffcken schildert den bekannten agrarischen
Plan näher und fährt sodann fort:

„Jch glaube, daß kaum jemals ein so heraus-
forderndes (ämiox) Project zu Gunsten der Jnter-
esien einer einzetnen Klasie von Producenten vor-
geschlaacn ist. Diese behanpten allerdings, daß sich
ihre Jndustrie in dem Zustande einer großen
Depressioil befinde; aber Handel, Rhederei und
viele Industriezweige sind in ganz derselben Lage,
ohne Hilfe vom Staate zu erhalteu; und obendrein
tst dte Dcpression in der SpirituSindustrie durch
deren irrationelle Ueberproduction, welche
nothwendiger Weise zu niederen Preisen führen
mußte, veranlaßt. Aus dieser Lage soll der Staat
nun die gegenwärtigen Producenten auf Kosten der
Steuerzahler befreim und gleichzeitig soll er die
Ueberproduction dadurch zu einer dauernden machen,
daß er jedem Spiritusbrenner gestattet, den Umfang
seiner gegenwürtigen Production sestzuhalten."

Geffckm meint schließlich: „Der Reichstag würde
bereit sein, für wirkliche Bedürfnisse dieMittel
zu bewilligm, und wenn neus Steuern nicht votirt
smd, so liegt der Fehler in der Steuerpolitik
der Regierung, welche es zuließ, daß der Ertraz
der Zuckersteuer unter Exportprämien zusammm-
schwand, und welche darauf beharrt, daß die
Spiritusbrmner subvmtionirt werden. Wie kann
sie die Majorität des Reichstags der
Obstruction anklagen, wmn sie die Versamm-
lung zwingt, ihre Zeit mit Projecten zu ver-
schwendm, welche von vornherein dem Untergange
geweibt sind?"

Die „Nation" bemerkt mit Recht zu den Aus-
sührungm Geffckens: „Es thut einem ordentlich

ebenfalls in heller Belenchtung strahlte. Tische und
Sitze waren dort aufgeschlagen und meist mit Stu-
denten besctzt. Denn hier rann aus dem einen
Fasie ewig Pschorrbier, aus dem anderu ein ange-
nehmer leichter Pfälzer Weißwein, und Träger mit,
großm Körben belegter Butterbrode wanderten von
cinem Tische zum andern, so daß auch sür leibliche
Pflege ausreichmd gesorgt war. Doch zogm wir,
im Kreis lieber Bekannter und Freunde, andere
Rast- und Erquickungsstättm vor. Hier eine Treppe
hinauf, dort abwärts durch eine Pforte gelangte
man vom innern Schloßhofe aus in halb verborgme
Hallen, Gemächer, Verließe des Schlosies. Von ferne
schimmerte Licht aus der dunkeln Tiefe des Ge-
mäuers hervor, man hätte glauben mögen, daß
hier Falschmünzer in aller Heimlichkeit ihr nächt-
liches Handwerk trieben. Dann erblickte man,
näher kommend, ein Rund von Tischm und
Sitzm, in der Mitte wieder die Fäffer voll
Bier und Wein, die Butterbrode und dienstbare
Geister, die uns mit allem Verlangtm schucll
versorgten. Da ließ es sich gar behaglrch plaudern
und kneipen; diese versteckten Schänkcn gehörten
recht eigmtlich zum Charakter des Schloßfestes.
Der Stoff ging niemals aus. Träger, die volle
Fäffer an Stangen auf den Schultern überallhin
schlepptm, sah man den Schloßhof in allm Rtch-
tungm durchziehm.

Währmd desim blieb der Hof noch immer im
Bandhause. Längst warm die Sendbotm der
fremdm, die Vertretet der heimischen Gelebrtm
vorgestellt wordm. Aber Großherzog und Kron-
prinz warm heute in der Gebelaune, sie hättm stch
am tiebsten mit der ganzen Festgesellschaft bekannt
gemacht. Wer irgend wie aus andererVeranlassung
geeigneteToilette gemacht hatte, Damm wieHerrm,
wurde von dm wachehaltmdenHütern derOrdnung
hineingelasien, und leutseliz sprach der Großherzog,
scherzend unser Kronprinz zu den Vorgelasienm.
Dieses Bandhaus war eine für das Fest allein
auLgeführte Neuschöpfung. Es bitdst eine einzige
weite Lhohe Halle, die, wie ihr Name an-
deutet, zum Bindm der Fäsier erbaut sein
soll. Rohe Wände von ungetünchtem Mauerwerk,
kahle Decke, schlechte Fenster bildcten srüber ihre
karge Ausstattung. Nun hat man die Dcckc

wohl, in einer Zeit, welche die intellectuelle Unter-
würfigkeit zur nationalm Tugend stempeln möchte,
einmal auf einm Conservativm zu stoßm, der so
unumwundm sekner Ueberzeugung Ausdruck giebt."

DaS „richtige Berfahreu" uach hannöverschrm
Recept.

Der „Hann. Courier" schreibt: „Jm Lauen-
burgischen werden jetzt die Svcialdemokratm für
die bevorstehende Reichstagswahl einen Zähl-
candidaten aufstellm; es ist das ein vom politi-
schm Parteistandpunkt aus durchaus richtiges
Versahren." Was saat Herr Sabor dazu?
Warum zählen denn die Freunde des „Hann.
Courier" in dem Wahlkreis Lauenburg nicht
auch die Häupter ihrer Lieben nach diesem „durch-
aus richtigm Verfahren"? Und will das national-
liberale Organ damit vielleicht den Dmtschfrei-
sinnigm im Wahlkreis Graudenz - Strasburg
einen Wink gebm, daß sie auch dies „durchaus
richtige Verfahrm" anwmden sollen?

Ueber die künftige irische Politik der Regierung

schrcibt die „Times" u. A.: „Die Minister dürften
willens sein, innerhalb billiger Grmzen sich aus-
führlicher zu äußern, als dieS in der Thronrede
thunlich sem könnte. Sie werden, wenn sie dazu
herausgesordert würdm, vorbereitet sein in der
Debatte zu erklären, daß sie entschlosim sind, in
Irland bem Gesetze Achtung zu verschaffm und die
Ordnung aufrechtzuhalten. Die jetzige Regierung
wird nicht zögern zuzugestehen, datz ste beabsichtige,
von Zeit zu Zeit das Parlammt um solche Ge-
walten anzugehm, wie die Zustände in Jrland sie
ersordern dürftm, und mit dreser Zuiage könnm
diejmigm wohl zufrieden sein, welche vorgebm, für
die Autorität des Parlammts unbegrmzte Achtung
zu haben. Mr. Gladstone und seine parnellitischm
Verbündetm werdm wahrscheinlich versuchm,zwischm
dem gegmwärtigm Zustande der Dinge und dem, der
vor 6Monatm herrschte,als sievon denConservativm
für dm Verzug in ber Enthüllung ihrer irischm
Politik so strenge getadett wurdm, eine Parallele
zu ziehen. Der Fall ist indeß ein durchaus ver-
schiedmer. Mr. Gladstone hatte sich nach dem
unmtschiedmm Resultat der Wahlen in 1885 eine
Majorität gesichert und die Regierung gestürzt,
indem er die Hosfnung großer Zugeständnisie an
die Parnellitm vorspiegelte, und doch weigerte er
sich hartnäckig, die seine Maßregeln vorschattirendm
Gerüchte mtweder zurugebm oder in Abrede zu
stellm. Während diese Ungewißheit herrschte, er-
laubte man dem Gesetz, machtlos zu werdm, und
in Jrland hatte die gesellschaftltche Ordnung ein
Ende. Unter diesen Umständen war das Verlangm
nach „mehr Licht" ein durchaus billiges. Aber jetzt
besteht kein Zweifel über die Absichtm der Regie-
rung. Die Minister sind mtschloffm, die be-
stehenden Gesetze in Kraft zu setzen, und,
salls es nöthig werden sollte, das Parlammt
um größere Gewalten anzugehm. Was die Frage
der irischen Lokalregierung belrifft, so isind Lord
Salisbury und seine Collegen zu nichts verbundm,
ausgenommm zu dem Versprechen, das Problem
nach allen Seitm hin sorgfältig zu prüfm. Das
Verdict der Wählerschaften hat einen Punkt, und
nur einen einzigen, geregelt: Mr. GladstoneS
Homerule-Plan ist emphatisch und mdgiltig ver-
urtheilt worden. Kein weiteres Mandat, ausge-
nommen das negative, daß nichts dem Plane Mr.
Gladstones Aehnliches versucht werde, ist dm Mit-
gliedern der Mgjorität des neuen Unterhauses auf-
gebürdet wordm. Auch besteht daiübsr keinerlei
Zweifel, daß die öffmtliche Meinung die Regierung
rechtfertigm wird, wenn sie Mr. Gtadstones Ver-
langen auf die ikiverzügliche Vorlegung irgend
eines neum Planes für lokale Selbstregterung in

kasiettmartig ornammtirt, die Wände niit GobelinS
aus Karlsruhe bekleidet, die mit breitm Purpur-
streifm und Draperim eingerahmt erschcinm.
Gvldener Zierrath, Vorhänge, von Goldschnüren
gehoben, Holzwerk, Fenster mit Butzenscheibm
vollmdetm die Umgestattung des Bandhauses in
eine prüchtige Festhalle im Geschmacke der Spät-
rmaisiance, von Lichtkronen krästig erleuchtet. Dimer
in Scharlachlivreen reichtm Thee, Würdmträger in
Festkleidern bildetm Gruppen, und dazu gab das
Pubtikum, das zu dieser Cour mit größter Liberalität
eingelasim wurde, einm in diesem modernm Lebm
berechtigtm Gegmsatz. Dennoch htnderte dieses
Bandhaus zuerst etwas die Circulation, denn
jmseits desietben lag der Strick- oder Elisabethm-
garten, der einzige parkartige Raum des ganzen
Festlokals. Denn weitere an die Fürsten gestellte
Zumuthungen, die immer frmndlich gewährt wurdm,
hteltm dieselben weit länger !als beabsichtigt in der
Empfangshalle zurück. Etwa gegen 9 Uhr tratm
sie heraus unter die Festgmosim, zogm, von
Militär, das Platz machend voranschritt, begleitet,
durch den Strickgarten über den Schloßhof und
den Söller und fuhrm dann zur Stadt zurück.

Nun standm die Pfortm des Bandbauses offen,
und damit ergoß sich ein Seitenstrom der Festgäste
hinaus in dm Strickgarten. Auch hier fand man
im Schattm der alten Bäume Bier- und Weinfäffer
aelagert, auch hier luden Tische und Sitze zum
Verweilm ein, und hier besonders unter dem Laub-
dach der Bäume, vom Bogmlicht erhellt, mtwickelte
sich schnell volksfcstliches Leben und Trcibm. An
etnem Tische stimmte man Burschenlieder an, drübm
trank man einander herzlich zu, hier lebten Lust
und Laune auf uud wuchsm, je mehr die Nacht
vorrückte. Gar zu tange in sie hinein blieb man
auch gestern auf dem Schlosse nicht belsammen,
denn die Tagesordnung verlangte vtel. Aber wer
dieses Nachtfest auf dem Schlosie mitgemacht, der
wird dm Eindruck sicher niemals vergesim; es
bildete einen würdigen, heiteren Abschluß des inhalt-
^ reichen Tages. Es soll übrigens am Sonntage
^ nach Schluß der Jubiläumsfeier ein zweites diesem
^ ähnliches Fest aus deni Schlosie gegen Eintrütsgelii
i veranstaltet werden, zu dem die Theilnehmer und
 
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