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ter Sonn und Festtagc Nach-
Uiitiags 5 Uhr mit dem Datum
des folgenden Dlg

AbnnncmentSv .

4 M. 5V Pf. .

Jnseratc

'LV Pf. Pro gespaltene Petttzeile.
Expedition: Am See 40.

Annoiicen

iiir uns nehmen an
die Annoncen-Bureaus vor,
Haasenstein L Vogler.
Rudolf Moffe, Daube L Eo«
Jnvalidendank,

S. Salomon, Stetttn,

I. Barck L Lo., Halle »

182.

Sonntag, den 8. Augnst 1886.

DreizehntLr Jahrgang.


* Der deutsche Krsvprin; in Hkidklberg.

Der dmtsche Kronprinz, der Stolz und die Zuversicht des
deutschen Volkes, hat als Ehrengast in Heidelberg wieder eine
jener seierlichen Ansprachen gehalten, welche in Haus und Hütte
lauten und freudigen Wiederhall finden. Selten hat ein Fürst
so sehr den innersten Nerv der ösfentlichen Meinung zu treffen
gewußt, selten der Erbe einer erhabenen Krone so feinfühlend
einem allgemeinen Bedürfniß entsprochen wie in allen seinen Reden
und Thaten Friedrich Wilhelm, der Thronfolger des deutschen
Reiches. Schon in jugendlichen Jahren war es dem Kronprinzen
vergönnt, sich die Svmpathien seines Volkes zu erwerben, da er
die verfassungswidrigen Preßordonnanzen offen und schonungslos
verurtheilte. Die Ansprachen, welche vom Thronfolger in der
Freimaurerloge gehalten sind, werden allgemein als Meisterwerke,
nach Jnhalt wie Form, gerühmt, und die Reden bei der Witten-
berger Luther-Feier, vor den Königsberger Studenten, bei der
Einweihung von Logen sind noch in frischer Erinnerung. Alle
diese Kundgebungen athmen denselben Geist, den Geist des Friedens,
der Freiheit, der Wahrheit; der Kronprinz war es, der den
Antisemitismus als eine Schmach für das Jahrhundert und eine
Schande für das Vaterland brandmarkte; der Kronprinz war
es, der der Geistlichkeit zurief: „DerBuchstabe tödtet, der Geist
macht lebendig; Licht und Aufklärung braucht unsere Zeit."
Der Kronprinz war es, der in der Stadt der reincn Vernunft
die akademische Jugend vor nationalem Hochmuth warnte und
jenen Chauvinismus geißelte, für welchen der deutschen
Sprache selbst der Ausdruck fehle, und wiederum der Kron-
Prinz ist es, der bei der Jubelfeier der ältesten deutschen Univer-
sität die Mahnung an Lehrer und Lernende richtet, der alten
Tugenden nicht zu vergeffen: „Je höhere Gipfel in Wiffenschaft
und geschichtlichem Leben erstiegen sind, je stolzere Ziele winken,
desto größerer Besonnenheit und Selbstverleugnung bedarf es."
Jm Hochgefühle des Erfolges müsse man am eindringlichsten die
Seele mit der Aufgabe erfüllen: „in Wiffenschaft und Leben fest-
Zuhalten an der Wahrhaftigkeit und Strenge
geistiger Zucht, an der Förderung des
Brudersinnes unter den Genossen, auf daß
aus dem Geiste des Freimuthes und der Fried-
fertigkeit die Kraft zu der heilsameu Arbeit wachsen möge,
die Lebensformen unseres Volksthums gedeihlich auszubilden."

Diese wahrhaft fürstlichen Worte enthalten in klassischer
Kürze eine kritische Geschichte der letzten Jahrzehnte. Es sind
nicht lediglich wohlgesetzt: Redewendungen, wie man sie bei Jubel-
festen zu hören zewohnt. Der Kronprinz spricht nicht wie ge-
Meine Leute. Alle seine Aeußerungen sind wohl durchdacht, und
dem klaren Gedanken entspricht allenthalben die edle Form. Was
der Redner wünscht, das — vermißt er; was er hofft für die
Zukunft, sucht er vergebens in der Gegenwart. Und was hätte
der aufmerksame Beobachter der deutschen Hochschulen in den
letzten Jahrzehnten, nach dem ruhmreichen Aufschwung des deutschen
Volkes in drei großen Kriegen, schmerzlicher beklagt, als den
Niedergang der geistigen Wahrhaftigkeit? Der Kronprinz be-
zeichnet es als die ehrenhafteste Großthat der Ruperto - Carola,
daß sie stets gekämpft für das Recht der freien Forschung und
die Freiheit des Glaubens und Gewissens. Und heute? Ein
Geist der Unduldsamkeit und der Glaubenszwietracht hat unser
öffentliches Leben zerklüftet. Die Dunkelmänner wollen den
Unterricht unter die Ruthe der Kirche stellen; gegen die ersten
Leuchten der freien Forschung schießt der reactionäre
Hcerbann Tag für Tag seine vergifteten Pfeile ab.
Und damit nicht genug; auch Männer, die hoch ge-
stellt sind in Staat und Reich, spotten über die Wiffen-

schaft als Doctrinarismus und verkleineren die „Theorie" zu
Gunsten der „Praxis." Was aber das Schlimmste von Allem
ist, dieser „conservative Hauch" ist an den Universitäten nicht
spurlos verübergegangen. Mit Wehmuth muß das Geständniß
gemacht werden, die deutsche Wiffenschast ist vielfach von ihrer
Höhe herabgestiegen und hat sich zur Magd der Gewalt gemacht,
sie hat sich oftmals ihrer Keuschheit begeben und buhlt als Lohn-
dirne um den gedeckten Tisch. Die Geschichtsklitterer unserer
Tage kennen nichts mehr von der Unbestechlichkeit der Wahrheits-
liebe eines Schlosser und Rotteck; die Staatsrechtslehrer der
jüngsten Zeit wandeln nur in den wechselnden Bahnen der
Minister, und die amtlichen Profefforen der Nationalökonomie
setzen ihren Stolz darein für jeden Einfall eines mächtigen
Mannes eine wiffenschaftliche Begründung zu erdichten. Jst das
die Wahrhaftigkeit, welche der Wiffenschaft geziemt? Nimmer-
mehr; der Kronprinz hat Recht, und seine Mahnung ist am
Platze: Hoch über den Kämpfen des Tages und dem Widerstreit
der Meinungen im Staate, im Reiche, in der Kirche, in der
Gemeinde hat die Wiffenschaft nichts zu ergründen als die reine
Wahrheit, die volle Wahrheit, unentwegt und unbeirrt, ob sie den
Machthabern willkommen oder unbequem ist.

Aber Wahrhaftigkeit ist nicht möglich ohne geistige Zucht.
Niemand kann zween Herren dienen; nur wer der Wahrheit dient
um der Wahrheit willcn, kann ihrem hohen Ziele näher kommen.
Freilich, Schwäche, dein Name ist Mensch. Auch die akademischen
Lehrer stehen im Kampfe um's Dasein; auch sie sind den Regungen
des Hasses und des Neides, den Begehrlichkeiten des Streberthums
und der Selbstsucht, den Neigungen und Abneigungen in der Politik
zugänglich. Der Lehrcr aber muß über sich wachen, mißtrauischer und
gewisscnhafternoch als derRichter. Ermußstrenge seinen Geist schulen
auf daß er von der Bahn dcr Wahrheit nicht abweiche; er muß
jede Nebenrücksicht von sich weisen, auf daß sich in seine Lehre
nicht der Jrrthum oder die Lüge einschleiche. Er muß unnahbar
sein " gegen jede Versuchung, unzugänglich gegen Lockung und
Drohung, auf daß er, wenn es sein muß, Prometheus gleich,
den Erdenmenschen die wärmende und leuchtende Flamme bringe,
auch wenn er als Märtyrer an den Felsen geschmiedet und sein
Herz eine Beute für die Geier werde. Wo sind die Männer,
die, den Göttinger Sieben gleich, dem Exil und Elend den Vvr-
zug vor der Unwahrheit und Knechtschaft geben? Wo sind die
Gelehrten, die Folter und Verfolgung nicht scheucn, wcnn es sich
um die Verkündung der geprükten Ueberzeugung handelt? Za,
es ist erfreulich, es ist ein Glück, noch sind diese Helden der
Fm chung, diese Gelehrten von Charakter nicht ausgestorben.
Uoe^ jick'kouimen in die M'nd-rzahf. in den Vordergrund drängen
sich die Ltebediener. Und darum ist des Thronfolgers königliches
Wort an der Zeit: Seid wahr, seid ehrlich, schult Euren Geist
in strenger Zucht und gewöhnt Euch wieder an Selbstverleugnung !
Die Wissenschaft und ihre Lehre sollen frei sein, frei vou den
Schlacken der irdischen Gemeinheit — unvermischtes, lauteres
Gold!

Aber wo Unwahrhaftigkeit und Selbstsucht, wo Sittenlosig-
keit und Aemterjagd, da ist nothwendig auch Unfrieden und Haß.
Wie tief hat der Hader nicht in den letzten Jahren die deutsche
Studentenschaft zerfreffen? Die Unlauterkeit, welche von Lehrern
der Jugend, von Predigern des Volkes im öffentlichen Leben, aus
der Kanzel, auf dem Katheder geübt, gebilligt, beschönigt ist,
die Verfolgungssucht und Engherzigkeit — sie haben einen
zerstörenden Keil in die akademische Welt getrieben. Niemals
ist die Rohheit und Rauflust in der Studentenschaft
so beklagenswerth grvß gewesen wie in der Gegenwart, und nie-
mals hat sie zur Bedeckung ihrer Blöße so schamlos die große,
edle Jdee der Baterlandsliebe mißbraucht wie in der Zeit der

„Vereine deutscher Studenten." Sie schlägt den nationalen
Mantel malerisch um die Glieder und giebt sich als patriotisch
aus, wie Domitian sich dünkte, Zeus zu sein, da er mit Kinder-
spielzeug Donner und Blitz nachahmte. Dieser Carricatur des
nationalen Gedankens ist der Kronprinz schon am Pregelstrande
entgegengetreten; er rief der akademischen Jugend zu, daß Deutsch-
land von fremdem Wesen weniger zu besorgen habe als von der
Ueberspannung des nationalen Hochmuths, von jener undeutschen
Art und Gesinnung, welche der Franzose Chauvinismus nennt.
Und diese Warnung hat der erleuchtete Fürst in Heidelberg wieder-
holt: thut ab den Hader und die Zwietracht; je größer unsere
Erfolge, um so nöthiger die Selbstverleugnung; kehrt zurück zu
den alten Tugenden und trennet die Menschen nicht nach Glauben,
Race, Abstammung, Gesinnung, sondern pslcget die Brüderlichkeit
unter einander! Dank dem Fürsten, der den Völkern den rechten
Weg gewiesen! Dank ihm, der nicht in dem dumpfen Gehorsam
des Sklaven, sondern in dem Freimuth des charakterfesten Mannes,
nicht in der Ausstoßung und Anfeindung ruhiger Bürger, sondern
in der Friedfertigkeit und gegenseitigen Achtung die Grundsäulen
deutschen Volksthums erblickt. Mögen seine Worte Beherzigung
fiuden uud sich von Heidelberg aus wie ein befruchtender Strom
in alle Orte und Lande verbreiten! Zum Heile des Bolkes,
zum Segen des Reiches, nnd zum unvergänglichen Ruhme für
den erlauchten Fürsten — den Stolz nnd die Zuversicht der deut-
schen Nation.

Politische CorresNondeNzerr.

X. Berlin, 6. August. Prmz Friedrich Leopold von
Preußen, der einzige Sohn des verstorbenen Prinzen Friedrich
Carl, verläßt jetzt die Universität Bonn, wo er, wie früher sein Bater,
sein Onkel, der Kronprinz, und sein Vetter, Prinz Wilhclm. 2 Jahre
dem akademischen Lcben und Studium gewidmet hat, um wieder in
die militärische Laufbahn einzutreten. Sein Vater hatte ihn zum
Soldaten bestimmt, deshalb selbst seine Erziehung in die Hand ge-
nommen und überwacht und die Auswahl seiner Lehrer getroffen. Der
Mutter ist wenig Einfluß darauf eingeräumt gewesen. Jndeß ist bis-
her kaum etwas davon bekannt geworden, daß der junge Prinz,
welcher nebenbei gesagt der Erbe eines riesenhaften Vermögens ist,
das militärische Handwerk über alles andere stelle oder eine Special-
waffe mit Vorliebe pflege. Er soll vor einigen Jahren den Wunsch
geäußert haben, Seemann zu werden, aber diese Neigung stieß auf
d'ii unüberwindlichcn Widerstand des Kaisers, und so mußle der
Prinz stch darein schicken, fortan nur der Landarmee anzugehören.

* Berlin, 6. Äugust. Jn einer osficiöseu Berliner Nach-
richt der „Pol. Corr." wird gesagt: „Daß diesmal die Kaiser -
begegnuu,>,uter Aisistenz der beiden leitenden Staatsmänner in
Gastein stattfindet, deutet allerdings auf Beweggründe besonderer
Natur. Es schien dem langjährigen Freundschaftsverhältniß beider
Mächte, daß sich schon wiederholt bewährt hat, zu entsprechen, dem-
selben bei den mancherlei vorhandenen Strömungen und Versuchen
der Beunruhigung ein osficielleres Gepräge zu geben und die politi-
schen Abenteurer daran zu erinnern, daß die beiden Staaten in aller
Form fest zu einander halten und auch gesonnen sind, sest zn einander
zu stehen, wenn im Südosten oder Westen Europas sich eine Lawine
in Bewegung setzen sollte. Jm Uebrigen wird diese Begeznung Nie-
mandem Besorgniß oder Mißtrauen einflößen können. Europa ist
jchon so lange an die Friedenspolitik dieser beiden Staaten gewöhnt,
als daß es sich von ihnen bedroht fühlen könnte. Die Gasteiner
Entrevüe dürfe vielmehr wesentlich zur Beruhigung der Gcmüthrr bei-
tragen und auch die öffentliche Meinung in dem übrigen Europa
wieder in's Geleise bringen und somit wesentlich den bei den mon-
archischen Regierungen thatsächlich vorhandenen Wunsch der Aufrecht-
erhaltung des Friedens verwirklichen helfen. Von einer ernsten Be«

Ienilleton.

Zur Heidelberger Universitäts-Jubelfcier.

Wir sind in der Lage, aus der am Mittwoch gehaltenen Fest -
rede Kuno Fischer's die beiden ersten Abschnitte mitzutheilen.

I.

Angesichts der gewaltigen Aufgaben, welche die Gegenwart er-
füllen und nicht blos die Wiffenschaften, sondern die Völker bewegen,
im Vorgefühle einer schicksalsvollen Zukunft, die vielleicht neue Welt-
stürme entfeffell, sind die vielen und mannigfaltigen Jubelfeste, die
wir im Genuffe des FriedenS feiern, die Denkmale und Zeugnisse
einer bedeutenden , glücklich vollbrachten Vergangenheit. Es ist gut,
daß unsere Zeir reich ist nickt blos an erhabenen Erinnerungen, son-
dern auch an Thaten, wodurch sie selbst eine Saat vonJubiläen aus-
gestreut hat welche die Nachwelt ernten wird. Diese wird in neuen
Festen das Andenken der Personen und Werke feiern, die wir 'er-
lebt haben.

Jede fortwirkende, denkwürdige That ist eine Frucht der Anstreng-
ung und Arbeit, und zu der Arbeit der W is s en s ch a s t, die zngleich
forschen, lehren und wissenschaftlich gesinnte Männer bilden soll, sind
unsere Universitäen eingerichtet und berufen. Es ist in diesem
ß Jahrhundert kein Decennium vergangen und wird keines vergehen,
s ohne daß eine oder mehrere der deutschen Universitäten säculare Ge-
dächtnißtage erlebt haben: darunter fünf, auf drei Jahrhunderte,
sechs, die auf vier Jahrhunderte, und drei, die aus ein hatbes Jahr-
taufend zurückblicken. Denn Prag uno Wien gebörten zur Zeit
ihrer Jubelfeier noch zu dem Gebiete Deutschlands. Von den vicr
Universitäten, welche in unserem Jahrhundert entstanden sind, baben
Berlin und Bonn das sünfzigjährige Gedächtniß ihres ruhm-
würdigen Daseins festlich begangen. Zwei alte Universitäten, die von
dsn Anfängen des sechszehnten Jahrhunderts bis in das zweite De-
cennium des unserigen bestanden haben, sind nicht mehr: Frank -
> urta. O. ist nach Breslau verlegt, Wittenberg mit Halle

vereinigt worden. Von den zwanzig Universitäten, die das gegenwär-
tige Deutsche Reich besitzt, hat die jüngfte noch kein halbes Menschen-
alter, die älteste ein halbes Jahrtausend vollendet. Dicse älteste ist
unsec Heidelberg.

So groß ist die Familie der deutschen Universitäten, so mannig-
fach ihre Altersunterschicde, nnd eigenartig, wie die Zeitalter, die
Staaten und Stämme, woraus sie hervorgegangen sind, ist der Cba-
rakter- und Schicksaisgang jeder einzelnen. Sie heißen Mütter,
und wenn man sich die Jahrhunderte vergegenwärtigt, welche die
ältesten von ihnen erlebt haben, so sind diese Erinnerungen, die sich
in den Abgrund der Zeiten vertiefen, wie ein G an g zu den
Müttern!

Welcher ungeheure Zeitraum, mit dem Maßstabe der Menschen-
geschichte gemeffen, den diese unsere slwa watsr erlebt hat, von dcn
Tagen der Schlacht von Sempach bis auf die heutigen! Der Zeit-
punkt ihrer Stistnng drei Decennien nach der Errichtung der goldcnen
Bulle, jenes Rnchsgesetzes, das die kaiserliche Gewalt untergraben
und das Reich oligarchisch gemacht hat; ihre heutige Jubelfeier drei
Luftra nach der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches. wodurch uns
ein einiges und großes Vaterland, das Gott erhalten wolle, von neuem
geschaffen wurde. Welcher Contrast zwischen damals und jetzt in den
Trägern der kaiserlichen Gewalt! Als unsere Universität ge-
stiftct wurde, herrschte Wencelaus von Böhmen, wenn man den
einen Herrscher nennen kann, der sein Reich in den Zustand wildester
Gesetzlosigkeit und Auflösung gerathen läßt und einen Beinamen er-
halten wis verdient hat, der das Gegentheil alles deffen bezeichnet,
was Arbeit und Pslich t heißt. Und nun eröffnet sie ihr sechstes j
Jahrhundert uuter einem kaiserlichen Schirmer und Herrn, der durch^
sein Beispiel der Welt gezeigt hat, was die Kraft und Pflichtreue-
eines mächtigen Herrscheis vermag, der seine Zeit erkennt und ersüllt^
ist von der Liebe zu seinem Vaterlande und zu seinem Volk; denn er.
hat darch diese Tugendcn einen beispiellosen Thatenruhm geerntet, der^
aber nicht den Befriedigungen des Ehrgeizes , sondern lediglich dazu
gedient hat, ein n a t i o n a l e s Reich zu begründen und dieses Werk, ^
das durch Kriege errungen werden mußte, zu einem Hort des'

Friedens zu gestalten. Das Zeitalter, in dem wir leben, trägt
und behält seinen Namen: es ist das Zeitalter Wilhelm 1.

Als der Kaiser die Reiterstatue des großen Kurfllrsten scinem
königlichen Freunde von Spanien zum Geschenk machle, fügte er hin-
zu: „das Bild jenes Helden, der die Grundlage der Wohlfahrt meines
Hauses und meiner Familie begonnen hat."

Und er selbst hat das Wort ausgeführt und verkörpert, worin
ein patriotisch und hochgesinnter Dichter den großen Kurfürsten sagen
läßt, was ihm Vaterland, Pflicht und Gesetz bedeuten: „ das Ge -
setz, es ist Mutter meiner Krone, die ein Geschlecht
von Siegen mir erzeug t." Es gelte uns als ein segens-
reiches und glückverkündendes Zeichen unserer Feier, daß der Kaiser
auf dem Gipfel seines fast neunzigjährigen Lebens dieses Jubiläum
dcr ältesten Univsrsität in dem von ihm gegründeten Reiche mit huld-
reicker Theilnahme erblickt und zum Zeugniffe dieser Huld S e i n e
KaiserlicheundKöniglicheHoheitdenKronprinzen
des DeutschenReichesund vonPr eußen beauftragt hat,
Allerhöchstihn Selbst durch seine Anwesenheit bei diesem Feste zu ver-
treten.

II.

Unser Heidelberg ist der Schauplatz einer mehr als sieben -
hundertjährigen Geschichte: bis zum Ende des vorigen Jahr-
hunderts die Hauptstadt der rheinischen Pfalz, die Residenz von dreißig
Pfalzgrafen und Kursürsten, während dreier Jahrhunderte die stets
bewohnte; die ersten FLrstengeschlechter ihrer Welt sind die Begründer
und Träger der Geschichte der rheinischen Pfalz, welche die Geschichte
Heidelbergs in sich schließt: vie Hohenstaufen, die Welfen
und die Wi t te l s b a ch er, oie in ihrem vierleu Gliede, den beiden
Söhnen Ludwigs II. den man den Strengen genannt hat und, ein-
gedenk dcr häuslichen Tragödie, die sein grauenvolles Werk war,
schlimmer hätte bezeichnen sollen, zugleich Enkel dcs ersten Kaisers aus
dem Hause Habsburg sind. Ein langjähriger Bruderkrieg entzweit
diese beiden Enkel, Rudolf und Ludwig den Baier, der als
deutscher König Ludwig IV. heißt. Rudolf stirbt flüchtig und heimath-
los. Sein zweiter Sohn Ruprecht wird der Stifter unserer Uni-
 
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