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drohung defselben ist nichts wahrzunehmen, wenngleich es nicht an
Unterströmungen sehlt, welche auf kriegerische Pfade hmdrängen. Jn
den leitcnden Kreisen und Spitzsn der monarchisch regierten Staaten
ist der Wunsch, Frieden zn halten und alle entstehenden Differenzen
auf den Weg diplomatischer Verständigung zu verweisen, zu aufrich-
tig, als dah das Ziel der österreichisch - deutjchen FriedenZpolitik zur
Zeit als in Frage gestellt erscheinen könnte."

Die „P" erfährt von einer hiesigen maßgebenden russischen Seite,
daß Herr v. G ie rs von St. Petersburg gradeswegs nach Franzens-
bad zu seiner Familie rsist, von welcher bisher noch kein Mitglied,
felbst die beiden Söhne nicht, dieses Bad verlassen haben. Die Ab-
reise erfolgt Sonnabend, spätestens nächsten Montag. Nach Gastein
geht Herr v. Giers nicht, dürfte jedoch anderswo mit dem Fürsten
Bismarck zusammentreffen.

Jm Laufe dieses Monats werden sich bekanntlich die preu -
ßischen Bischöfe am Grabe des heitigen Bonisacius in Fulda
wieder zusammensinden, um ihre Ansichten Lber die Lage der
katholischen Kirche in Preußen auszutauschen. Seit ihrer letzten Zu-
sammenkunft haöen sich die Verhältnisse ganz wesentlich geändert
und wenn sie seitdem ungleich friedlicher und sür die katholische
Kirche günstiger sich gestaltet haben, so gebührt ein nicht geringer An-
theil an diesem Verdienst dem Bischof, an dessen Sitz sich seine
preußischen Amtsgenosien versammeln werden. Von verschiedeuen Seiten
bat man deu Versuch gemacht, die sriedfertige Vermittelungsthätigkeit
des Bischofs vr. Ko p p in Gegensatz zu den Anschauungen und
Wünschen der übrigen preußischen Prälaten zu bringen. Wie unzu-
trefsend diese Behanptung war, geht am deutlichsten aus der That-
sache hervor, daß man wiederum Fulda als Ort dsr Bischofszu-
sammenkunst gcwählt hat. Wenn innerhalb der katholischen Kircbe
in Preußen ein Gegensatz vorhanden ist, so darf man ihn jedenfalls
nicht in den Rsihen der hohen Geistlichkeit suchen, die nach Allem was
verlautet, einig ist in dem Bestreben, dem Streit mit der Staatsge-
walt cin Ende zu machen und einen sriedlichen Ausgleich herbeizu-
sühren. Wie verlautet, werden sich die Bischöfe bei ihren bevor-
stehenden Besprechungen haupt?ächlich mit der Frage beschästigen,
wie eine möglichst einheitlicheEinrichtung der Con-
victe undSeminarien herbeizusühren sei. Wenn es fernsr
heißt, daß sie auch zu der Frage Stsllung nehmen würden, in welcher
Weise gegenAusschreitungenderkatholischenPresse,
soweit ste von Geistlichen geleitst wird, vorgegangen wsrden solle,
so hat man es offenbar nnr mit einer Vermuthung zu thun.

Hamlmrg, 6. Aug. Bezüglich der in der Thalstraße in St. Pauli
ausgehobenen socialdemokratischen geheimen Verbindung tst
nach dem „Hamb. Handelsbl." weiter zu berichten, daß man in den
verhafteten Personen die Leiter und FUHrer der socialdemo -
kratischen Bewegung in Hamburg, Altona, Ottensen
und Harburg ermittelt hat. Das beschlagnahmte Material
ist dem genannten Blatte zusolge ein so umsaffendes, daß
nuf Erund desselben eine Anklage wegen Vergehens gegen
den 8 128 des St.-G.-B. sich noch umfangreicher gestalten dürste, als
die Frsiberger Affaire. Gleich gestern hatten die verhafteten Personen
ein mehrstündiges Verhör vor dem Untersuchungsrichter Herrn Affeffor
Grünberg zu bestehen, und wurde sofort nach Beendigung dieses Ber-
hörs der Haftbefehl gegen sämmtliche Personen erlaffen. — Bei dem
Vorsitzenden des Unterstützungsvereins deutscher Tabakarbciter und
dem Cassirer in Hambnrg ist gestern eine Haussuchung gehalten und
eine große Zahl von Schriftstücken, sowie auch die Caffe des Bereins
bsschlagnahmt worden.

Thorn. 4. August. Der unter dem Verdacht de-i' Spionage
am 28. v. M. bei dem Zeichnen in den Festungswerkeu verhaftete, an-
gebliche GrafThomas Lubienski aus Polen, der Sereits vor
Jahren aus Preußen ausgswiesen und dem die Rückkehr in den dies-
seitigen Staat ausdrücklich untersagt worden ist, wurde vorgestern der
Staatsanwaltschaft zur weitercu Beranlaffung überwiesen. Außer der
Sichtung und Feststellung des Jnhalts der vielen, bei demselbeu vor-
gefundenen, in fremden Sprachen abgefaßten Papiere und Schriftstücke
handelt es sich auch um die Feststellung des Zweckes seines hiesigen
Aufenthalts, da ermittelt worden sein soll, daß der Verhafiete seit
Wocbsn sich hier aufgehalten und nicht nur die Umgebung der ver-
schiedenen Außenforts, sonderu auch die Partien an der Weichsel be-
sucht und dort ebenfalls Zeichnungen und Aufnahmen gemacht hat.

München, 5. August. Die bereits signalisirte Meldung der „N.
N." hat folgenden Worilaut: „Der Reichskauzler Fürst Bismarck
bat, wie wir aus sicherster Quelle erfahren, an maßgebender Stclle in
Münchcu seiner hohen Beiriedigung darüber Ausdruck gegeben, daß
die Berhandlungen mit dem österreichischen Premier, Grafen von
Kalnoky, außerordentlich günstig verliefen, und ebenso die Verhand-

versilät, seit 1353 Alleinregent der Pfalz, in der Reihe der Pfalzgrafen
bei Rhein der neunte, in der Reihe der Pfalzgrcffen aus dem
Hause Wittelsbach der sechste, nach dem Reichsgesetz der goldenen
Bulle der erste Kurfürst der Pfalz, unter welchem die Kurwürde mit
diesem Lande uutrennbar vereinigt wird, er ist der erste weltliche
Kurfürst des Reichs und als solcher der Vicar des Kaisers im west-
lichen Reiche.

Es war eine kriegerische Natur, ein ritterlicher Held aus den
wildcsten Zeiten des Faustrechts, an Thatkraft und Gesinnung ein
Typus dieser sturmbewegten, chaotischen Zeit, darin seinem Nachbar
in Württemberg vergleichbar, der bald sein Bundes- und Streitgenoffe,
bald sein Gegner war, „GrafEberhardderGreiner, der
alte Rauschebart", dem er bei Döffingen half, die Städter besiegen,
zwei Jahre nachdem die Schweizer bei Sempach über die Ritter ge-
siegt hatten. Aber RuprechtI. von der Pfalz war zugleich ein
Herrscher, ein Mehrer seines Gebiets, ein Staatengründer, der,
selbst ungelehrt, doch Lie Bildungsbedürfniffe seiner Zeit und seines
Landes zu würdigen wußts. Er hatte in Böhmen und Oesterreich
die beiden ersten Unioersitäten des Reiches entstehen sehen, er war
politisch ein Anhänger, persönlich ein Bewunderer Karls IO, der
die gelehrte Bildung seiner Zeit besaß und sörderte, in Paris studirt
und in Prag die erste Universität des Reiches gestiftet hatte. Diesem
Vorbilde folgte Ruprecht, als er faft vierzig Jahre später, schon ein
siebenundsiebzigjähriger Greis, die Universität Heidelberg in's
Leben rief und dieser sriedlichen Schöpfung, die er seine geliebte Tochter
naunte, seinen Namen gab und alle väterliche Sorgfalt widmete.

Die patriarchalischen und liebevollen Pflichtgefühle für die Uni-
versität, welche ihr sürstlicher Begründer hatte und aussprach, haben
sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt, und es hat während dreier
Jahrhunderte zwischen den Kursürsten der Pfalz und ihrer Landes-
universität ein Pietätsverhältniß, einzig in seiner Art, be-
standen, wvdurch die Schicksale beider innig und untrennbar mit ein-
ander verkettet wurden. Seit den Tagen Ludwigs III. wurde dieses
Pietätsverhältniß bei jsdem Regicrungswechsel erneuert. Die Universitär
erschien vor dem Fürsten und brachte demselben ihrc Huldigungen

lungen mit dem russischsn Botschafter, Freiherrn von Mohren»
heim, eine weitere Zusamiuenkiinst niit Herrn v. Giers übcrflüssig
machen, so daß die Erneuerung des Dreikaiserbündniffes dadurch an
Wahrscheinlichkeit gewonnen habe. Dabci konnte der Reichskanzler
mittheilen, daß Rußland heute von einem Bündniß mit Frankreich
weiter enlfernt ist als je, und daß es auch in Konstantinopel Erklä-
rungen abgegeben hat, wonach augenblicklich ein weiterer Schritt Ruß-
lands im Orient nicht in Aussicht steht. Die Batumfrage wird von
England nicht weiter urgirt. Sollte übrigens auch das Dreikaiser-
bündniß nicht crneuert werden, so wäre doch die festverbündete Macht
Deutscblands und Oesterreich-Ungarns sür die Erhaltung des Friedens
eine vollständige Garanlie."

Heidelbcrg, 6. August. Der Großherzog hat deu päpstlichen Ab-
gesandten, Bibliothekar Stevenson, mit der Ueberbringung eines eigen-
händigen Schreibens an den Papst und mit der Ueberbringung der
goldenen Jubiläumsmedaille beauftragt. — Der von dem Maler
Karl Hoff, Profeffor an der Kunstschule zu Karlsruhe, entworfene und
unter seiuer persönlichen Leitung zur AusfUhruug gebrachte historische
Festzug, welcher die seit der Gründung der Universität ver-
floffenen sünf Jahrhunderte zur Darstellung brachte, ist
programmmäßig verlaufen. An demselben nahmen über 900 Personen
mit 360 Pferden und 14 Prachtwagen Theil. Durch seine bis in die
geringsten Einzelheiten durcbgeführte historische Treue in den Trachten,
Geräthschasten und allen übrigen Beziehungen, sowie auch
durch die Farbenpracbt und den Reichthum der verwendeten Stoffe
machte der Zug auf sämmtliche Zuschauer einen unvergeßlichen Ein-
druck. Die volle Entwickelung des Zuges dauecte dreiviertel Stunden.
Se. Kgl. Hoheit der Großherzog hatte nebst Familie und Gefolge,
dem Prorektor und den Dekanen der vier Facultäten auf einem uahe
am Ausgangspunkte des Zuges errichteten Pavillon Platz ge-
nommen, so daß der Zug den Pavillon zweimal passirte. Die Dele-
girien und die Ehrengäste der Universität sahsn von einer aufge-
schlagenen Tribüne zu. Der Kroßherzog von Hessen hatte incognito an
einem Fenster des Hotel „Darmstädter Hof" Platz genommen. Die
Straßen der Stadt, durch welche sich der imvosante Zug bewegte,
waren von einer Kops an Kopf gedrängten Menschenmenge angefüllt.
Die Ordnung wurds nirgends qestört.

Unter den Ehren-Promotionen besindet sich bekanntlich
auch die R. von Bennigsen's zum Doctor der Rechte. Dieselbe
ist nach dem „Hannov. Cour." wie folgt begründet:

Dem hochherzizen deutscben Patrioten, welcher in der Zeit der
tiefsten Abspannung den Glauben an Deutschlands Zukunft bewahrt
und im deutschen Äolke genährt und befestigt hat, welcher einen ent-
scheidenden Einfluß auf das Zustandekommen der norddeutschen Bundes-
verfassung ausgeübt, und ebenso bei der Wiederherstellung des deutschen
Reichs im Rathe der Staatsmänner wie im Parlamente bedeutsam
mitgewirkt hat und in seinem ganzen ösientlicben Leben Ueberzeugungs-
lreue mit staatsmäni.ischem Blick und weiser Mäßigung verbunden hal.

Heidelbcrg, 6. August. Abends 9 uhr nahm der allgemeine
Studentencommers in der Festhalle seinen Anfang, an welcheni gegen
8000 Personen lheilnahmen. Jn der Mitte der Halle war eine Ehren-
jafel aufgestellt. Den Mi'telsitz derselben nahm der Großherzog ein,
rechts von dem Großherzog saßen Prinz Carl von Baden, der Dekan
der juristischen Faknität Prof. Schulze, Prof. Gneist und der Rector
dcr Universitcit Tübingen, v. Frcmktin. Links ncben dem Großherzog
saß der Prorector Bekker, dem Großherzog gegenüber hatten der Unter-
richtsminister Nokk, der Chef des Geh. Cabinets, Gch. Rath v. Ungern-
Sternberg, der Oberstkammerherr v. Gemmingen, der Oberststallmeister
Von Holzing Platz genommen. Unter den cilten Herren des Saxo-
Borusien-Corps saß der Cullusminister v. Goßler aus Berlin. Um
halb 10 Uhr erhob sich der Großherzog und brachte mit lauter in
der ganzen Halle vernehmbaren Stimme einen Trinksprnch auf Se.
Majestät den Kaiser aus, der mit stürmischem Hoch aufgenommen
wurde.

Qesterreich-Ungarn

Pest, 5. August. Die „Budapestsr Correspondenz" meldet aus
Jschl: Minister-Präsideiit Koloman Tisza, welcher heute in einer
von 10 bis 1 Uhr dauernden Audienz vom Kaiser empfangen wurde
und sodann mit dem in Jschl heute Früh eingetroffenen Hofrathe Pa-
pay conferirte, hat die volle Ueberzeugnng gewonnen, daß die jüngsten
Personal-Veränderungen in der Generalität der gemein-
samen Armce in keiner Richtung irgendwelche Demon-
strationgegenUngarn bezweckten. Die nächsten Tage
werden auch jedem billig und unvoreingenommen denkenden Menschen
in Ungarn in dic-ser Beziehung vollständige Beruhigung und, wie
wir bestimmt glaubsn, auch Besriedigung verschaffen, nachdem
alle maßgebenden Factoren rückhaltlos bestrcbt sind, weitere Mißver-
ständniffe nicht aufkommen zu laffen. Jrgend welche sensationelle Er-

und Glückwünsche nebst einem Geschenk; der Fürst empfing sie niit
väterlicher Huld und versprach ihr seinen Schutz und die Wahrung
ihrer Gerechtsame. Zwei Jahrhunderte hindurch, von den Anfängen
des fünfzehnten bis in die des siebzehnten, von dem Regierungsantrilt
Ludwigs 111. bis zu dem Friedrichs V., hat diese fromme Sitte un-
unterbrochen forlbestanden, und sie war so eingelebt, daß die Er-
süllung derselben von Seiten der Universilät erwartct und nachgesucht
wurde.

Nach dem Tode König Ruprechts, der nebst seinem Vater die Uni-
versität (seinem Oheim) mitbegründen half, — er war der dritte seines
Namens unter den Kursürsten der Psalz. der erste und einzige dieses
Namens unter den deutschen Königen, der den Reichsadler in das
Heidelberger Schloß gebracht. aber zehn Jahre vergeblich gerungen
hat, das Reich zu ordnen — verzweigten sich die Linien des pfälzischeu
Hauses, die von seinen Söhnen abstammen. Der Begründer der
ältesten regierenden Linie war Ludwig III. Sein Haus hat in
sieben Gliedern regiert (1410 bis 1559- : er setbst, seine beiden
Söhne und sein Enkel Philipp, dieser, seine beiden Söhne und
sein Enkel, ein Mann erhabenen und ehrsurchtgebielenden Andenkens:
Otto Heinrich. Mit ihm war sein Stamm erloschen. Es folgte
das Haus Simmern, unter den jüngeren Linien, die von Stephan,
dem dritten Sohne Ruprechts, abstammen, die älteste. Auch dieses
Haus hat in sieben Gliedern regiert (1559—1685): Friedrich III.,
seine beiden Söhne und sein Enkel Friedrich IV., dann folgte Fried-
rich V., sein Sohn und sein Enkel Karl, der Sohn Karl Ludwigs,
der Bruder der Elisabeth Charlotte und der letzte seines Stammes,
der letzte verkümmerle Sprößling eines erhabenen Geschlechtes.

Drei Jahrhunderte sind vergangen seit der Stistung derUniversität
bis zu dem Ende des Hauses Simmern. Gemeinsam, wie der Schau-
platz ihres Wohncns und Wirkens, sind die Schicksale gewesen, welche
die Universität mit ihren alten Kurfürsten von Rupprecht I. bis zu
dem Sohne Karl Ludwigs erlebt und getheilt hat. Höchst wechselvolle
Schicksale, zulctzt höchst tragische und leidensvolle! Doch behält bis in
ihr drittes Jahrhundert die Universität trotz allen äußeren irnd inneren
Hemmungen ihren ruhigen Fortbestand, sie wird von den geistigen

eigniffe sind sclbstverständlich nicht zu erwarten. Der Ministerpräsident
und deffen Bruder. Graf Audwig Tisza, wurden um. 3 Uhr zur-Hos-
tafel beigezogen. Vor seiner Abreise sprach der Mirnsterpräsident den
Nachmittags hier angekommenen Obersthofmeister Fürsten Hohen -
lohe. Um 7 Uhr reiste Tisza mit seinem Bruder und dem Mini-
sterialrathe Tarkovics mit dem Personenzuge nach Wien. Mehrere
hier anwesende ungarische Abgeordnete begleiteten den Ministerpräsi-
denten zum Bahnhofe.

Frankreich.

Jn Cl^menceau, deffen Schutz Boulanger gesucht hatte,
als von Aumale's Einfluß keine Besörderung mehr zu erhoffen war,
ist dem verunglückten französischen Nationalheros, deffen Ruhm die
Lebenszeit einer Eintagsfliege nur knrzüberdauert hat, ein Veriheidiger
erstanden.

Der Opportunisiensührer Ranc sagt im „Matin", General
Boulanger habe bei verschiedenen Anläffen Uebereifer und Maß-
losigkeit gezeigt; er sei es gewesen, welcher den Sekretär Thibaudin's,
Capitän Maujan wegen versönticher Differenzcn in eine Stras -
cvmpagnie vcrsetzt habe. Ranc's Artiksl schließt: „Bleiben Sie ein
guter Kriegsminister, aber büten Sis sich vor der Politik, Sie haben
kein Glück damit." Darciufhin ist das Organ Cl menceans, die
„Justice". aus ihrer seitheriqen Reserve herausgetreten, indem sie einen
yeftiaen Artikel gsgen die Widersacher Bonlangers, insbesondere gegen
die Opportunisten richtet. Zum Schluß heitzt es: „Nur diezcnigen
sind zu tadeln, welche dem Herzoge von Aumale, dem Onkel dcs
Prätendenten, so lange eine der einflußreichsten Stcllungen in der
Armee Uberließen." Vericbtigend wird erwähnt, Maujan, der Secretär
Thibaudin's, sei nicht von Äoulanger, sondern vom opportunistischen
Minister Campenon bestraft worden.

Es ist ganz ehrenwerth von Elsmenccau, daß er seinen Schützling
nicht im Stich läßt, trotzdem densetben Dankbarkeil nicht hinderte,
seinen einstigen Prolectoren recht gefährlich zu werden. Aber welch
sonderbare Logik! Wenn es wirklich ein Fehler war, den Herzog in
einflußreiche Slellen zu bringen, so bleibl es doch immer ein wenig
rühmliches Thun sür einen Osficier, an solche einflußreiche Leute Bitt-
gesuche zu schreiben nnd ein sehr unrühmliches, diese Bittgesuche nach-
her abzuleugnen.

1-8. Paris, 5. August. Die „Ju stice", das Organ ClSmenceau's»
veröffentlicht nachstehenden Artikel des Pariser Abgeordneten Mille -
rand über das Heidelberger Jubiläum:

„Man begreift, mit wetch gerechlfertigtem Stolz die Dentschen
das ruhmreiche Juvitäum einer wissenschastlicken Anstalt feiern. welche
sich duich Jahrhunderte allen Hinderniffen zum Trotz groß und
hlühend erhielt. Daher wurde der Feier aller erdenktiche Glanz ver-
liehen. Die Fürsten strömten dazu herbei, an ihrer Spitze der deutsche
Kronprinz. Zahlreiche Deputationen wurden von allen Punkten des
deutschen Reiches und des Auslandes nach Heidelberg entsandt. Unter
diesen figurirt auch eine Abordnung des Jnstituts de France, welcbes
iiatürlich zu den Festen eingeladen wocden war. Es würde uns nur
mitlelmäßig in Erstaunen setzen, wenn wir hörten, daß unsere Akade-
miker, weit sie sich bei einer deutschen Feier, auf deutscher Erde haben
verlreten laffen, scharfen Tadet ersahren. Schon zu mehreren Mal n
waren wir Zeugen hefliqer Proteste, die durch ähnliche Anläffe her-
vorgerufen wiirüen. Was uns betriffc, so haben wir u.is niemats
solchen kindiscken und bebeutinigslosen Kundgcbungen angeschlossen.
Welches auch d!e Hallung des deutschen Volkes oder, um es richtiger
zu sagen, seiner Gebieter gegen uns gewesen sein mag, so haben wir
doch niemals gedacht, daß ein Krieg, so schmerzlich er auch für uns
Franzosen war, den Gang der Civilisation hemmen und zwiscyen der
germanischen Race und uns eine Mauer errickten sollte, welche dem
literaiiscken, künstlerischen und wisscnschasliichen Vertebr hinderlick
wäre. Ganz im Gegenlheil. Jn Heidelberg haben die Bcrtreter der
gelebrten Körperschaft Frankreichs die Ruinen betrachtsn können, w>1che
die französischen Herren unter Lndwig XtV. schusen . . . Sie sind
ein sprechender Beweis von der biutigcn Tborheit der Eroberungs-
kriege, gerade in der Stadt, wo man heute das Fest des Geistes
feiert. Jndem das Jnstilut de France der ihm zuaegangenen Ein-
ladung entsprach, faßte es unseres Erachlens seine Psticht richtig auf.
Jn der Rede des Rectors der Heidelberger Universilät finden wir
folgende Stelle: „Die Wissenschait hat keinen ansschließlich nationalen
Charakter; sie ist universell und alle Bölker müffen wie Brüder an
ihrer Fortentwickelung arbeiten." Dieser Gedanke war es sicheriich,
welcher das Jnstitut beseelte, als cs beschloß, eine Deputation nach
Heidelberg zu schicken. Er ist erbaben und gerecht und wir hätten
dabei nur einem Wunsche Ausdruck zu geben: daß auch die Denlschen
ihn beherzigen möchten. Die französische Republik will gegen kein
anderes Volk eine agressive Haltung einnehmen. weun sie gteich cnt-
schloffen ist, sich bei Allen Respect zu verschaffsn. Ganz unserem
Werke der socialen Berbcfferung lebend, möchten wir, den Lehren
unserer Bäter cms der Revolutionszeit treu, dazu beitragcn, in diese
Welt größere Gerechtigkeit, eine gleichmäßigere Vertheilring des Wohl-
standes zu bringen. Ein solches Unternehmen ans Ziel zn fübren,
haben wir nicht zu viel an nnserer ganzen Thatkraft, an nnserer
ganzen Wiffenschaft. Wenn die Deutschsn ihrerseits zu der Stunde,
da sie das Kest der Jnlelligenz und der Wiffenschaft feiern. den Worten
ihrer eigenen Weisen lauschen und auf ihre unsinnigen Träume, auf
ihre Heraussorderungen (!) verzichten wolllen, nm alle ihre Bestrebungen
auf die Verbefferung des Looies der Menschbeit zu richten, so würden
wir sicherlich nicht mit unserem Lobe geizcn."

Umwälzungen der Zeit erst widerstrebend ergriffen und fortgetrieben,
uolen-lvm tcaliaiit, dann durchdrnngen und freiwlllig in neue Bahnen ge-
lenkt; auch ihre Einrichtungsn werden denBedürfniffen u. Fordermigender
Zeit angepaßt und zu wiederholten Malen unler der Fürsvrge ihrer väter-
lich gesinnten Fürstcn umgestaltet; sie schreitet vorwärts, sie steigt von
dem Höhepunkt, den sie unter Otto Heinrich gewonnen hat, höher
hinanf und erreicht trotz allen inneren Erschütterungen, die ihren Lauf
untsrbrechen, den Glauz und die Bedsutung einer weithin leuchtenden
europäischen Hochschule. Die Zeit dieser Blüthe ist kurz, zwei
gedeibliche Menschenalter, die Jahre von 1539 bis 1619, sie ist im
Wachsen begriffen: da kommt der verhängnißvolle Moment, wo „die
Pfalz nach Böhmen geht" und der dreißigjcihrige Krieg hereinbricht,
den in allen seinen Schreckniffen, in der ganzen unsäglichen Fülle seines
Elends kein Land und keine Stadl so gründlick, so vollauf erlitten hat
als diese gesegnete Psalz und dieses schöne Heidelberg. Nachdem d:e
Dämonen des Krieges ihr dreißigjähriges Zerstörungswerk vollbracht
hatten, gab es in diesem Garten Dentschlands nur noch wenig Bauern,
aber sehr viele Wölfe. Nach dem Frieden kamen einige Jahrzehnte
der Erholung und des Aufathmens. Dem Lande und der Universität
war wieder ein Vater, ein Wiederhersteller erschienen, ausgerllstet mit
aller Energie, aller Entschloffenheit und allem Verständniß für disse
Aufgabe, die schwerste und würdigste für die Tugenden eines Regenten.
Er besaß dieie Tugenden und hätte das Werk der Wiederhcrstellmig,
das glücklich begonnen und fortgeführt war, vollendet, aber alle Mühe
war umsonst. „Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn
es dem bösen Nachbar nicht gesällt." Karl Ludwig stieg in die
Gruft seiner Väter mit dem Vorgefühl des herannahenden Verderbens.
Als sein Stamm erloschen war und ein Jahr darauf die Univerfftät
ihre britte Säcularfeier beging, stand das Verderben schon vor der
THUr und wollte herein. Ein benachbarter Herrscher, der gewaltigste
seiner Zeit, begehrte dieses Land, und da es ihm nicht freiwillig aus-
geliefert wurde, befahl er die völlige Verheerung der Pfalz, die Ver-
brermung ihrer Städte und Dörfer, die gänzliche Zerstörung unserer
Stadt, die im März 1689 ins Werk gesetzt und in den Schreckens-
tagen des Mai 1693 zu Ende gesührt wurde. Die Stadt sank in
 
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