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Erscheinung; aus diesem Grunde bezeugten Griecnen und Römer immer ihre Achtung
für die ihrigem durch die aufserordentlifchsten Lobsprüche, die sie ihnen zollten.
Ein solcher Architekt, sagt Ditruv im ersten Buche, mufs die Theorie und die
Praxis inne haben, mufs Geschmack und Einsicht mit Genie und ErRndungsgeist ver-
binden , mufs mit diesen natürlichen Anlagen noch Kenntnifs der Geschichte und o.cr
schönen Wissenschaften vereinigen ; Zeichenkunst, als die Grundlage seiner Werke,
Kenntnifs der Perspectiv, um über die Gesichtspunkte zu urtheilen und sie richtig zu
fassen; Mathematik, um Pflanzungen von Bäumen, wasserrechte Anlagen etc. rich-
tig anzustellen; Kenntnifs der. Baumaterialien ünd des Steinbruchs, um der Ausfüll-
rung Kunst und Festigkeit zu geben.
E R S T È S KAPITEL.
VON DEN SÄULENORDNUNGEN.
jLjine Ordnung ist ein Verein mehrerer mit Kunst zusammen gefügter und nach richti-
gen Verhältnissen gegen einander gestellter Theile; „sie ist das Gegentheil der Verwir-
rung und Unordnung,“ wie Vignola sagt. In der Baukunst ist es eine regelmäfsige
Zusammenstellung, in welcher die Säule den Hauptgegenstand zu einem schönen Gan-
zen ausmacht
L. C. Sturm behauptet, es habe ursprünglich nur zwey Ordnungen gegeben;
die schönste, welche Salomo bey seinem Tempelbau angebracht, und eine andere, die
er in seinem Pällaste gebraucht habe; nachher sey eine dritte erfunden, und weil sie
zwischen beiden obigen die Mitte hielt, die mittlere genannt worden. In der Thal
kommen alle Schriftsteller darin überein, dafs es bey den Griechen nur drey Ordnun-
gen der Baukunst gegeben habe, die eine habe den Ausdruck der Festigkeit, die zweite
den der Eleganz gehabt, die dritte habe zwischen beiden Eigenschaften das Mittel ge-
halten. Die erste trug gewissermafsen das Gepräge der männlichen Festigkeit, man
gebrauchte sie in Gebäuden, die einen männlichen Charakter hatten, und den starken
Gottheiten gewidmet waren, und nannte sie die Dorische, von Dorus, einem Könige
Achajens, der zuerst in Argos einen Tempel nach dieser Ordnung erbauete; die zierli-
che Säulenordnung hatte einen Anstrich von jungfräulicher Zartheit und Feinheit, und
war den anmuthigeh, Freude und wollust athmenden Gottheiten geweiht; sie hiefs die
Corinthischc, weil sie in Corinth ihren Ursprung nahm; die mittlere Ordnung wurde
bey Gebäuden angebracht, die Frauen gewidmet waren; man nannte sie die Ionische,
weil die Ionier ihre Urheber waren.
Die Toscanische Säulenordnung, welche einfacher und massiver ist, wurde in.
der Folge von den Bewohnern Tosçana’s in Italien erfunden, welches eine vierte Ord-
nung verânlafstè, die man die bäurische (rüsticus) nannte.
Die zusammengesetzte Säülenordnung, ein Gemisch der Ionischen und Corin-
thischen, wurde in der Folge von den Römern ersonnen, und den übrigen als die fünf-
te beygezählt, aber ohne Grund; denn ihre Verhältnisse sind dieselben, wie die der Co-
rinthischen, und die meisten ihrer Verzierungen dieselben, die der Ionischen und der
Dorischen zukommen ; diese Ordnung, deren Vitruv gar nicht erwähnt, scheint den
Griechen ganz unbekannt gewesen zu seyn.
Erscheinung; aus diesem Grunde bezeugten Griecnen und Römer immer ihre Achtung
für die ihrigem durch die aufserordentlifchsten Lobsprüche, die sie ihnen zollten.
Ein solcher Architekt, sagt Ditruv im ersten Buche, mufs die Theorie und die
Praxis inne haben, mufs Geschmack und Einsicht mit Genie und ErRndungsgeist ver-
binden , mufs mit diesen natürlichen Anlagen noch Kenntnifs der Geschichte und o.cr
schönen Wissenschaften vereinigen ; Zeichenkunst, als die Grundlage seiner Werke,
Kenntnifs der Perspectiv, um über die Gesichtspunkte zu urtheilen und sie richtig zu
fassen; Mathematik, um Pflanzungen von Bäumen, wasserrechte Anlagen etc. rich-
tig anzustellen; Kenntnifs der. Baumaterialien ünd des Steinbruchs, um der Ausfüll-
rung Kunst und Festigkeit zu geben.
E R S T È S KAPITEL.
VON DEN SÄULENORDNUNGEN.
jLjine Ordnung ist ein Verein mehrerer mit Kunst zusammen gefügter und nach richti-
gen Verhältnissen gegen einander gestellter Theile; „sie ist das Gegentheil der Verwir-
rung und Unordnung,“ wie Vignola sagt. In der Baukunst ist es eine regelmäfsige
Zusammenstellung, in welcher die Säule den Hauptgegenstand zu einem schönen Gan-
zen ausmacht
L. C. Sturm behauptet, es habe ursprünglich nur zwey Ordnungen gegeben;
die schönste, welche Salomo bey seinem Tempelbau angebracht, und eine andere, die
er in seinem Pällaste gebraucht habe; nachher sey eine dritte erfunden, und weil sie
zwischen beiden obigen die Mitte hielt, die mittlere genannt worden. In der Thal
kommen alle Schriftsteller darin überein, dafs es bey den Griechen nur drey Ordnun-
gen der Baukunst gegeben habe, die eine habe den Ausdruck der Festigkeit, die zweite
den der Eleganz gehabt, die dritte habe zwischen beiden Eigenschaften das Mittel ge-
halten. Die erste trug gewissermafsen das Gepräge der männlichen Festigkeit, man
gebrauchte sie in Gebäuden, die einen männlichen Charakter hatten, und den starken
Gottheiten gewidmet waren, und nannte sie die Dorische, von Dorus, einem Könige
Achajens, der zuerst in Argos einen Tempel nach dieser Ordnung erbauete; die zierli-
che Säulenordnung hatte einen Anstrich von jungfräulicher Zartheit und Feinheit, und
war den anmuthigeh, Freude und wollust athmenden Gottheiten geweiht; sie hiefs die
Corinthischc, weil sie in Corinth ihren Ursprung nahm; die mittlere Ordnung wurde
bey Gebäuden angebracht, die Frauen gewidmet waren; man nannte sie die Ionische,
weil die Ionier ihre Urheber waren.
Die Toscanische Säulenordnung, welche einfacher und massiver ist, wurde in.
der Folge von den Bewohnern Tosçana’s in Italien erfunden, welches eine vierte Ord-
nung verânlafstè, die man die bäurische (rüsticus) nannte.
Die zusammengesetzte Säülenordnung, ein Gemisch der Ionischen und Corin-
thischen, wurde in der Folge von den Römern ersonnen, und den übrigen als die fünf-
te beygezählt, aber ohne Grund; denn ihre Verhältnisse sind dieselben, wie die der Co-
rinthischen, und die meisten ihrer Verzierungen dieselben, die der Ionischen und der
Dorischen zukommen ; diese Ordnung, deren Vitruv gar nicht erwähnt, scheint den
Griechen ganz unbekannt gewesen zu seyn.