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Erzählung gelten und zwar am Schluss der Collazje
( : Collatio = Mahlzeit und Vorlesung dabei).
„Der Seele Trost" ist im 14./15. Jahrhundert ent-
standen. Der Verfasser ist unbekannt. Wenn die Hand-
schrift, woraus ich die eine Erzählung herausgegeben
habe, bei der ursprünglichen Sprachform bleibt, so
stammte der Verfasser vom Niederrhein. Das ganze
Werk ist eine Tugendlehre nach den 10 Geboten. Es
erstrebt Veranschaulichung ihrer Glaubens- und Sitten-
regeln durch mancherlei Erzählungen von mehr oder
minder legendenhafter Art. Amicus und Amelius dient
als Beispiel der Treue.
Die Sprache der beiden Erzählungen ist nicht hoch-
deutsch, sondern mitteldeutsch. Diese Bezeichnung be-
greift die Mannigfaltigkeit der Mundarten des mittleren
Deutschlands, räumlich und ihrem Wesen nach in der Mitte
zwischen Hochdeutsch und Niederdeutsch und bald zu
diesem, bald zu jenem mehr hinneigend. Es ist von
geschichtlicher Bedeutung für die Entwickelung der
jetzigen Schriftsprache. Auch das Obersächsisehe, wo-
raus zunächst und hauptsächlich das Nhd. hervorge-
gangen ist, ist eine md. Mundart, und so finden wir
vieles von dem, was bezeichnende Eigenheit des Nhd.
ist, schon in diesem älteren Md. vorgebildet und vor-
bereitet.
In folgenden Punkten (ich kann hier nur Haupt-
punkte und durchgehende Dinge erwähnen) weicht die
Sprache beider Denkmäler vom Mhd. ab.
An Stelle der Diphthonge stehen einfache Längen,
i für ie wie kric, ü für wo wie tun. Der Umlaut von
ä ist nicht ce, sondern e : were; die andern Vokale und
Diphthonge sind nicht umgelautet: toten, sunde, krüze,
froude, betrüben. Bezüglich der Konsonanten tritt nament-
lich an Stelle von ht cht z. B, knecht.
Erzählung gelten und zwar am Schluss der Collazje
( : Collatio = Mahlzeit und Vorlesung dabei).
„Der Seele Trost" ist im 14./15. Jahrhundert ent-
standen. Der Verfasser ist unbekannt. Wenn die Hand-
schrift, woraus ich die eine Erzählung herausgegeben
habe, bei der ursprünglichen Sprachform bleibt, so
stammte der Verfasser vom Niederrhein. Das ganze
Werk ist eine Tugendlehre nach den 10 Geboten. Es
erstrebt Veranschaulichung ihrer Glaubens- und Sitten-
regeln durch mancherlei Erzählungen von mehr oder
minder legendenhafter Art. Amicus und Amelius dient
als Beispiel der Treue.
Die Sprache der beiden Erzählungen ist nicht hoch-
deutsch, sondern mitteldeutsch. Diese Bezeichnung be-
greift die Mannigfaltigkeit der Mundarten des mittleren
Deutschlands, räumlich und ihrem Wesen nach in der Mitte
zwischen Hochdeutsch und Niederdeutsch und bald zu
diesem, bald zu jenem mehr hinneigend. Es ist von
geschichtlicher Bedeutung für die Entwickelung der
jetzigen Schriftsprache. Auch das Obersächsisehe, wo-
raus zunächst und hauptsächlich das Nhd. hervorge-
gangen ist, ist eine md. Mundart, und so finden wir
vieles von dem, was bezeichnende Eigenheit des Nhd.
ist, schon in diesem älteren Md. vorgebildet und vor-
bereitet.
In folgenden Punkten (ich kann hier nur Haupt-
punkte und durchgehende Dinge erwähnen) weicht die
Sprache beider Denkmäler vom Mhd. ab.
An Stelle der Diphthonge stehen einfache Längen,
i für ie wie kric, ü für wo wie tun. Der Umlaut von
ä ist nicht ce, sondern e : were; die andern Vokale und
Diphthonge sind nicht umgelautet: toten, sunde, krüze,
froude, betrüben. Bezüglich der Konsonanten tritt nament-
lich an Stelle von ht cht z. B, knecht.