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Waetzoldt, Stephan
Die Kopien des 17. Jahrhunderts nach Mosaiken und Wandmalereien in Rom — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 118: Wien, München: Schroll-Verlag, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.50950#0013
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DIE WISSENSCHAFTSGESCHICHTLICHE SITUATION

Die Kopien nach Malereien und Mosaiken in den Kirchen Roms, die seit etwa 1580 im Auftrag von
kirchlichen Würdenträgern, von Gelehrten und Sammlern angefertigt wurden, bilden eine wesentliche
Quelle für die Geschichte der frühchristlichen und mittelalterlichen Kunst in der Ewigen Stadt. Eugene
Müntz1, Giovanni Battista de Rossi2, Charles Rufus Morey3, Joseph Wilpert4 haben sie zuerst bekannt
gemacht und in Auswahl veröffentlicht. Bei zahlreichen Einzeluntersuchungen, zum Beispiel von Joseph
Garber5 und Luciano de Bruyne6 für Alt-St. Paul, von Philippe Lauer7 für den Lateran, von Gerhard
B. Ladner8 für die Papstikonographie, wurden sie herangezogen. Der Versuch, einen Katalog dieser
Kopien zusammenzustellen und sie als eine auch innerlich zusammenhängende Gruppe von Bild-
dokumenten zu betrachten, ist jedoch noch nicht unternommen worden.
Anders verhält es sich mit den Kopien nach Malereien in den römischen Katakomben. Abgesehen
von der Würdigung in den Standardwerken, etwa bei de Rossi9 und Wilpert10, gibt es über sie zwei
spezielle Untersuchungen: Joseph Wilperts Buch über die Katakombenmalereien und ihre alten Kopien
(1891)11 und Henri Leclercq’s Artikel im Dictionnaire d’Archeologie chretienne et de Liturgie (1914)12.
Die Nachzeichnungen nach Mosaiken und Malereien außerhalb der Katakomben sind bisher nur deshalb
zu Rate gezogen worden, weil sie Auskunft geben über ältere Zustände der vielfach restaurierten Originale
oder weil sie die einzigen Zeugnisse verlorener Werke sind. Ihr Quellenwert ist sehr unterschiedlich,
vielfach negativ beurteilt worden, doch stand eine eigentliche Kopienkritik noch aus. Voraussetzung
dafür und damit für eine Beurteilung des Quellenwertes dieser Kopien überhaupt, ist aber eine Unter-
suchung über ihre Entstehungsgeschichte, die Beantwortung der Frage, weshalb und wofür sie geschaffen
wurden.
Die hier zusammengestellten Kopien sind - abgesehen von den Skizzen, die Seroux d’Agincourt für sein
Stichwerk13 anfertigte, und die ihrer großen Genauigkeit wegen zusätzlich aufgeführt wurden - zwischen
1580 und 1640 entstanden. Sie bilden eine ganz eigene Gattung unter den verschiedenartigen, uns
vertrauten Aufnahmen von Kunstwerken. Weder mit den Antikenkopien des 16. Jahrhunderts, noch
mit den Veduten eines Heemskerk oder Dosio und anderen Skizzenbüchern von Italienreisenden sind
diese Zeichnungen vergleichbar. Sie wurden im Auftrage von Gelehrten und für Gelehrte geschaffen.
Sie haben keinerlei künstlerischen Selbstwert, ja sie verleugnen manchmal geradezu, daß sie ein Kunst-
werk wiedergeben. Sie sind genau im Detail, können aber den stilistischen Gesamteindruck verfälschen.
Die Kopien des 17. Jahrhunderts sind wissenschaftliches Arbeitsmaterial, Abbildungssammlung in
ganz modernem Sinn. Sie begründen eine neue Gattung im Arsenal der Werkzeuge historischer Forschung.
Deshalb konnten sie zu Vorlagen werden für die umfassenden Abbildungswerke eines Bosio (Kata-
kombenmalerei) und Ciampini (Mosaiken und kirchliche Wandmalerei) und das erste wissenschaftlich
geordnete Bildarchiv bilden, das »Museo cartaceo« des Cassiano dal Pozzo.
Die Kopien nach Denkmälern der christlichen Kunst bilden wissenschaftsgeschichtlich einen Zweig der
kirchengeschichtlichen Quellenforschung im Zeitalter der katholischen Reform. Die Glaubenskämpfe
1 E. Müntz, L’ancienne Basilique de St.-Paul-hors-les-murs, in: Revue de l’art chretien 41, 1898, S. 1-19, 108-113.
2 G. B. de Rossi, Musaici cristiani e saggi dei pavimenti delle chiese di Roma anteriori al sec. XV, Rom 1873-1889.
3 Ch. R. Morey, Lost Mosaics and Frescoes of Rome of the Mediaeval Period, Princeton 1915.
4 J. Wilpert, Die römischen Mosaiken und Malereien der christlichen Bauten vom 4. bis 13. Jahrhundert, Freiburg i. Br.,
3. Aufl. 1924 (1. Aufl. 1916).
5 J. Garber, Wirkungen der frühchristlichen Gemäldezyklen der alten Peters- und Pauls-Basiliken in Rom, Berlin-Wien 1918.
6 L. de Bruyne, L’antica serie di ritratti papali della basilica de S. Paolo fuori le mura (Studi di Antichitä Cristiana VII), Rom
1934.
7 Ph. Lauer, Le palais du Latran, Rome 1911.
8 G. B. Ladner, Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters (I ritratti dei Papi nell’Antichitä e nel Medioevo) Bd. 1
(Monumenti di Antichitä Cristiana II. Ser. IV), Cittä del Vaticano 1941.
9 G. B. de Rossi, La Roma sotterranea cristiana, 3 Bde., Rom 1864-1897.
10 J. Wilpert, Die Malereien der Katakomben Roms, Freiburg i. Br. 1903.
11 J. Wilpert, Die Katakombengemälde und ihre alten Kopien, Freiburg i. Br. 1891.
12 DACL 3, 2 (1948), Sp. 2801 f. (H. Leclercq, Copies des peintures des catacombes).
13 Seronx d’Agincourt, Sammlung von Denkmälern der Architektur, Skulptur und Malerei vom IV. bis zum XVI. Jahrhundert,
rev. F. v. Quast, Frankfurt a. M. um 1845 (Manuskript abgeschlossen um 1790).

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