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Waetzoldt, Stephan
Die Kopien des 17. Jahrhunderts nach Mosaiken und Wandmalereien in Rom — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 118: Wien, München: Schroll-Verlag, 1964

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https://doi.org/10.11588/diglit.50950#0026
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Den größten Teil der Aquarellkopien aus römischen Kirchen in den Sammlungen von Cassiano dal
Pozzo und Kardinal Francesco Barberini hat Antonio Eclissi geschaffen. Auf den Titelblättern der
Cod. Barb. lat. 4403 (datiert 1630) und 4404 (datiert 1640) hat er sich genannt, der Cod. Barb. lat. 4402
(datiert 1630) und die Mehrzahl der Windsor-Zeichnungen Cassianos lassen sich ihm mit Sicherheit
zuschreiben80. Als Maler ist Eclissi ganz unbedeutend, der Kopist dagegen scheint sich einen gewissen
Ruf erworben zu haben, denn er lieferte 1633/34 für Papst Urban VIII. eine Kopie der Teppiche Raphaels
in großem Format81.
Künstlerisch bedeutender ist Marco Tullio Montagna. Er wird von Baglione82 als vielversprechender
jung verstorbener Künstler geschildert. 1618 kam er nach Rom, 1634 wurde er in die Accademia di
San Luca aufgenommen. Arbeiten in der Armeria des Vatikan, im Quirinaispalast, in Castel Gandolfo,
Deckenmalereien in SS. Cosma e Damiano und S. Sebastianello sind überliefert. Marco Tullio ist auch
als Restaurator mittelalterlicher Wandmalereien tätig gewesen. Im Dezember 1637 erhielt er eine
Zahlung für die Restaurierung der Zyklen in S. Urbano alla Caffarella83. Der Cod. Barb. lat. 4408 aus
der Sammlung Francesco Barberinis enthält Kopien dieses Zyklus (Kat. Nr. 1091-1110, 1118-1131),
die wahrscheinlich von Tullio im Zusammenhang mit den Restaurierungsarbeiten angefertigt worden
sind. Die Hand des gleichen Künstlers, der mehr mit dem Pinsel als mit der Feder zeichnet, dem es mehr
auf die Gesamterscheinung als auf die Details ankommt, läßt sich im Cod. Barb. lat. 4405 erkennen,
der die Kopien nach den Mosaiken von S. Maria Maggiore und den Malereien in S. Martino ai Monti
enthält. Auf der Rückseite eines Blattes dieser Serie (Kat. Nr. 560) ist der Autor genannt: »Alcune
copie fatte da Marco Tullio sane antichi a S. Martino de Monti«.
Mit dem Namen Gasparo Morone und der Jahreszahl 1672 ist eine Kopie aus der Lateransbasilika
(Kat. Nr. 166) in dem Barberini-Codex 4423 bezeichnet, und wahrscheinlich stammen auch alle anderen
Nachzeichnungen dieses Bandes von der gleichen Hand. Morone84 war 1637 aus Mailand nach Rom
gekommen, wo er sich als Medailleur einen Namen gemacht hat. Nach 1640 schnitt er regelmäßig die
jährlichen Pontifikalmedaillen und -münzen.
Von Domenico Taselli85 stammen einige der wichtigen Zeichnungen aus dem sogenannten »Album«
Grimaldis und dem Cod. Barb. lat. 2733. Taselli hat die bekannte Ansicht der alten Peterskirche mit
dem Atrium (Kat. Nr. 885) signiert, wahrscheinlich sind die Kopien nach dem Zyklus der Apostel-
geschichte am Portikus (Kat. Nr. 862-869) und die Darstellungen aus dem Inneren von Alt-St. Peter
(Kat. Nr. 931-934) von ihm. Über die Lebensgeschichte Tasellis ist nichts bekannt. Er war sicherlich
weder Maler noch Architekt, könnte aber in irgendeiner untergeordneten Funktion an der Fabbrica
von St. Peter tätig gewesen sein.
Kopienkritik
Bei einer Beurteilung des Wertes der Kopien für die kunstwissenschaftliche Forschung kann davon
ausgegangen werden, daß die Nachzeichnungen von vornherein für Zwecke der Wissenschaft bestimmt
gewesen sind. Sie sind in Auftrag gegeben worden, um einen vorhandenen Denkmälerbestand der Nach-
welt möglichst getreu zu überliefern, und wir besitzen zahlreiche Zeugnisse dafür, daß schon die Besteller
die Genauigkeit der Kopien geprüft haben. Erhalten sind die Revisionsnotizen des Cod. Barb. lat. 4406
(vgl. S. 57), die notariellen Beglaubigungen der Kopie des Apsismosaiks von Alt-St. Peter (vgl. S. 13)
und der Grimaldi-Codices und die Zeugnisse über eine zeitgenössische Kritik an den Katakomben-
Kopien des Ciacconius (vgl. S. 12). Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß die archäologische Forschung
seit über achtzig Jahren die Antikenkopien, die aus den gleichen Sammlungen stammen, wissenschaftlich
auswerten konnte.
80 Morey, a. a. O., S. 3.
81 O. Pollak, Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII. (Quellenschriften zur Geschichte der Barockkunst in Rom), Bd. 1, Wien
1930, Regest 1453—1457. Zu Eclissi noch Thieme-Becker, Bd. 10, 1914, S. 332.
82 Baglione, a. a. O., S. 92f.
83 Pollak, a. a. O., Regest 698.
84 Thieme-Becker, Bd. 25, 1931, S. 165.
85 Thieme-Becker, Bd. 32, 1938, S. 452.

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