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Waldmann, Emil
Lanzen, Stangen und Fahnen als Hilfsmittel der Komposition in den graphischen Frühwerken des Albrecht Dürer — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 68: Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.53417#0017
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3

Dem Begriff der Regelmäßigkeit nahe steht der der Sym-
metrie. Sie ist, nach Fr. Vischer, eine «Gegenüberstellung gleicher
Teile um einen trennenden Mittelpunkt, der ihnen ungleich ist».
«Symmetrie bedingt Vollständigkeit der Teile. In einem Ganzen,
das ein Ganzes für sich sein und aus integrierenden, von seiner
Einheit beherrschten Teilen bestehen soll, müssen diese Teile
alle vorhanden sein. Ein menschliches Angesicht mit bloß einem
Auge ist kein ganzes Angesicht.» 1 Köstlin nennt Symmetrie
ein gemeinschaftliches Maß, eine Gleichheit zweier Hälften oder
zweier sonstiger bedeutender Teile eines Ganzen.»2 Aber auch
hier macht er eine Einschränkung, wie bei der Regelmäßigkeit:
die Symmetrie darf nicht zu weit getrieben werden. «Voll-
kommen allein herrschende Symmetrie ist unerträglich. Schön
ist in der Natur die zufällige Gestaltung und Ordnung der
Dinge. ’Auch in der Malerei wirkt streng symmetrische Anord-
nung des Bildes unlebendig; sie hebt den Eindruck, daß eine
Mannigfaltigkeit auf eine Fläche vereinigt scheine, wiederum auf
durch den Zwang, den sie dem Einzelnen zugunsten gleich-
förmiger Haltung des Ganzen auferlegt.»
Während die Symmetrie die Gleichheit der verschiedenen
Teile bedingt, ruht bei der Proportionalität der Nachdruck
auf der Verschiedenheit der verglichenen Teile. «Proportion
ist ein Wohlverhältnis unter Teilen, die unter sich verschieden in
Größe, Stärke, Wert und Bedeutung sind.» Der kleinste Teil ist
das gemeinschaftliche Maß, das sowohl in jeder Einzelform als
auch im ganzen aufgehen soll (Vitruvs Definition der «analogia»).
Es ist dasselbe, was Köstlin3 mit «positiver, objektiver Propor-
tion», oder «Proportionalität» bezeichnet, im Gegensatz zur
«Proportioniertheit», die ein Negatives, zugleich Subjektives
bedeutet, nämlich: daß zwischen den verschiedenen Größen
kein Mißverhältnis ihrer Maße besteht. Es handelt sich hier aber
dennoch nicht um absolute, meßbare Werte, sondern es tritt
ein Vergleichen in Kraft; 4 und zwar ist dies ein unbewußtes
und unwillkürliches Vergleichen, das wir, wie Köstlin
1 Fr. Th. Vischer, 1. c., S. 125.
2 Aesthetik, S. 129.
3 Aesthetik. S. 130.
4 Cf. Albrecht Dürer : «Vergleichlich Ding acht man oft hübsch.»
 
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