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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 1): Geometrische Zeichnungslehre, Licht- und Schattenlehre — Tübingen, 1810

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https://doi.org/10.11588/diglit.6992#0016
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i6

ia der Zeiclmung oft ganz anders erscheinen, als sie in der Natur sind, und dennoch in dem strengsten Sinn
geometrisch verzeichnet seyn. So kann eine Fläche in dem Grund - oder Aufriss als Linie, ein Cylinder als
Viereck, ein Kegel tds eine Cirkelfläche oder als ein Dreieck erscheinen; denn die. geometrischen Lichtstrahlen
zeigen hloss die Umrisse der Körper an, die rechlwinklich auf die Zeichnungsfläche fallen.

§. 6". Ein Ohjekt in geometrisches Maas verzeichnen, heisst, dasselbe in seiner Lage und Form
entweder gleich gross, oder in einem bestimmten Verhältniss (1, 10, 20, 5o u. s. w. mal) grösser, oder kleiner,
auf eine Fläche tragen, so dass es der geometrischen Erscheinung des Objektes ganz ähnlich ist (§. 5).

§. 7. Die Winkel, sie mögen in einer noch so sehr vergrösserten oder verkleinerten Zeichnung
vorkommen, müssen denen in der Natur gleich seyn, wenn die Schenkel mit der Zeichnungsfläche parallel
gehen. Ein solcher Winkel kann daher durch Grade, oder auch durch die UmfassungsLinien eines Dreiecks,
bestimmt abgetragen und verzeichnet werden.

§. 8. Die geometrische Zeichnung eines Winkels, dessen Schenkel die in dem vorigen §. angeführte
Eigenschaft haben, nennt man den wahren Winkel; zum Unterschied der Zeichnung solcher Winkel, deren
Schenkel in der Natur keine mit der Bildfläche parallele Lage haben, welche man auch die scheinbaren
Winkel nennt *).

§. 9. Wo bei Winkeln die Schenkel in ihrer wahren Grösse erscheinen, da erscheint auch der
Winkel in seiner wahren Gestalt, und umgekehrt.

§. 10. Wo die bei de n Schenkel bei spitzen, rechten, oder stumpfen Winkeln verkürzt erscheinen,
da kann der wahre Winkel bald grösser, bald kleiner seyn, je nachdem der Winkel eine Richtung mit
der Zeichnungsfläche hat.

§. 11. Wo nur ein Schenkel in dem Grund - oder Aufriss in seiner wahren Länge sich zeigt,
und der andere verkürzt erscheint, da erscheint der rechte Winkel in Gestalt und Lage immer unter go°,
bis endlich die bewegte Seite, und mit ibr der Winkel, verschwindet und Null wird.

§. 12. Berühren sich die Schenkel in einem spitzen, oder in einem stumpfen Winkel, und
erscheint nur Ein Schenkel in seiner wahren Gestalt, so ist in dem ersten Fäll der wahre Winkel grösser

*) Der Ausdruck scheinbarer Winkel oder Scheinwinkel sollte zwar umfassender ausgedrückt seyn, weil hier von
einem wirklichen Winkel die Rede ist, der nur seiner geometrischen Verzeichnung nach, anders erscheint, als er in der
Natur ist. Allein weil ich keinen andern Ausdruck kenne, so habe ich mich desselben, wie auch bei solchen Linien
und Flächen, welche anders erscheinen, als sie sind, durchgängig bedient.
 
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