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Humanist und Künstler ist in Italien nur selten identisch, wie etwa in der
Person des Leon Battista Alberti. Und dessen künstlerische Betätigung ist augen-
scheinlich durch ein Überwiegen des Intellektes beeinträchtigt gewesen.
Wohl war den bahnbrechenden Künstlern der Frührenaissance zum Teil ein
auf wissenschaftliche Exaktheit hinzielender Forschungstrieb eigen, wodurch sich
ihnen eine wirklichkeitstreue, auf Gesetze begründete Darstellungsweise erschließen
sollte. Aber das Forschen, das in erster Linie ein praktisch-wissenschaftliches war,
blieb doch nur ein Mittel zum Zweck, und eins unter vielen Mitteln zur Erreichung
bestimmter rein künstlerischer Ziele.
Die Phantasie der Künstler, die im wesentlichen aus den Kreisen des niederen
Volkes, zum Teil der Handwerker, hervorgingen, war mit dem gesättigt, was im Volke
lebendig war.
Ihr Verhältnis zur Antike wurde mit dadurch bestimmt.
Als sie zuerst das Bedürfnis fühlten mit dem klassischen Altertum in Be-
rührung zu treten, da konnte ihnen die Gelehrsamkeit der Humanisten nur wenig
helfen. Das wurde von ihrer Seite zunächst praktisch angegriffen. Und es ist etwas
gänzlich anderes, ob pian antike Gebäudeteile nachmißt und zeichnet, Gewölbe-
konstruktionen studiert und Ornamente kopiert oder mit Plinius auf vertrautem
Fnße steht. Die Künstler haben sich ihre Renaissance selbständig geschaffen, und
das wäre vielleicht anch ohne literarischen Humanismus gekommen; wie sich schon
in der sogenannten Protorenaissance des elften und zwölften Jahrhunderts allein aus
künstlerischen Bedürfnissen heraus ein engerer Anschluß an das klassische Altertum
auf dem Gebiete der Architektur und Plastik vollzogen hatte. Die bildende Kunst
des Quattrocento war von sich aus vorbereitet für eine Wiedererweckung des Alter-
tums. Was bedeutete es daneben, daß der Humanismus etwa die Rolle eines Weg-
weisers zur Antike für die Künste spielte. Das kommt dabei kaum in Betracht.
Ein Jahrhundert ungefähr hatte er schon gewirkt, bis ein Moment kam, wo die
Kunst das Altertum brauchte. Und das, was diese der Antike entnahm, bezog sich
zunächst nur auf Einzelheiten, die auf dem Gebiete des Ornamentalen und Archi-
tektonischen im weitesten Sinne eine Rolle spielten. Das Wesentliche für Malerei
und Plastik wurde jener in der christlichen Kunst noch nicht dagewesene Sinn für
Natur und Wirklichkeit, woraus alle neuen Kräfte geschöpft wurden. Das Figürliche
der Antike bildete anfangs in erster Linie nur den Maßstab für die Beurteilung der
Natürlichkeit; sie galt als Wertmesser. Aber sie wurde nicht unselbständig nach-
geahmt, ja in ihren künstlerischen Tendenzen noch nicht einmal ganz verstanden.
Deshalb wurde der Charakter der Kunst auch kein humanistisch-klassizistischer.
Und wie verhielt sich die Malerei dieser Epoche, wenn sie antike Stoffe zu
behandeln hatte, Episoden aus der Sage und der Geschichte jener Völker, deren
Kunst und Kultur ihr als leuchtende Sonne vorschwebte, Szenen, die viel verlangt
und begehrt wurden? Die Humanisten vermochten sie wohl dazu anzuregen, was sie
darstellen sollte, aber wie sie es machen sollte, das mußte ihr überlassen bleiben.
Da bemerken wir nun, daß zunächst die antiken Sagen oder Szenen aus der alten Ge-
schichte zum Teil ganz im höfisch-romantischen Sinne dargestellt werden.1) Sie
b Dies und das Folgende bezieht sich vornehmlich auf die Malereien der Cassoni und Hand-
schriften, wo man die Entwicklung besonders deutlich verfolgen kann.
Humanist und Künstler ist in Italien nur selten identisch, wie etwa in der
Person des Leon Battista Alberti. Und dessen künstlerische Betätigung ist augen-
scheinlich durch ein Überwiegen des Intellektes beeinträchtigt gewesen.
Wohl war den bahnbrechenden Künstlern der Frührenaissance zum Teil ein
auf wissenschaftliche Exaktheit hinzielender Forschungstrieb eigen, wodurch sich
ihnen eine wirklichkeitstreue, auf Gesetze begründete Darstellungsweise erschließen
sollte. Aber das Forschen, das in erster Linie ein praktisch-wissenschaftliches war,
blieb doch nur ein Mittel zum Zweck, und eins unter vielen Mitteln zur Erreichung
bestimmter rein künstlerischer Ziele.
Die Phantasie der Künstler, die im wesentlichen aus den Kreisen des niederen
Volkes, zum Teil der Handwerker, hervorgingen, war mit dem gesättigt, was im Volke
lebendig war.
Ihr Verhältnis zur Antike wurde mit dadurch bestimmt.
Als sie zuerst das Bedürfnis fühlten mit dem klassischen Altertum in Be-
rührung zu treten, da konnte ihnen die Gelehrsamkeit der Humanisten nur wenig
helfen. Das wurde von ihrer Seite zunächst praktisch angegriffen. Und es ist etwas
gänzlich anderes, ob pian antike Gebäudeteile nachmißt und zeichnet, Gewölbe-
konstruktionen studiert und Ornamente kopiert oder mit Plinius auf vertrautem
Fnße steht. Die Künstler haben sich ihre Renaissance selbständig geschaffen, und
das wäre vielleicht anch ohne literarischen Humanismus gekommen; wie sich schon
in der sogenannten Protorenaissance des elften und zwölften Jahrhunderts allein aus
künstlerischen Bedürfnissen heraus ein engerer Anschluß an das klassische Altertum
auf dem Gebiete der Architektur und Plastik vollzogen hatte. Die bildende Kunst
des Quattrocento war von sich aus vorbereitet für eine Wiedererweckung des Alter-
tums. Was bedeutete es daneben, daß der Humanismus etwa die Rolle eines Weg-
weisers zur Antike für die Künste spielte. Das kommt dabei kaum in Betracht.
Ein Jahrhundert ungefähr hatte er schon gewirkt, bis ein Moment kam, wo die
Kunst das Altertum brauchte. Und das, was diese der Antike entnahm, bezog sich
zunächst nur auf Einzelheiten, die auf dem Gebiete des Ornamentalen und Archi-
tektonischen im weitesten Sinne eine Rolle spielten. Das Wesentliche für Malerei
und Plastik wurde jener in der christlichen Kunst noch nicht dagewesene Sinn für
Natur und Wirklichkeit, woraus alle neuen Kräfte geschöpft wurden. Das Figürliche
der Antike bildete anfangs in erster Linie nur den Maßstab für die Beurteilung der
Natürlichkeit; sie galt als Wertmesser. Aber sie wurde nicht unselbständig nach-
geahmt, ja in ihren künstlerischen Tendenzen noch nicht einmal ganz verstanden.
Deshalb wurde der Charakter der Kunst auch kein humanistisch-klassizistischer.
Und wie verhielt sich die Malerei dieser Epoche, wenn sie antike Stoffe zu
behandeln hatte, Episoden aus der Sage und der Geschichte jener Völker, deren
Kunst und Kultur ihr als leuchtende Sonne vorschwebte, Szenen, die viel verlangt
und begehrt wurden? Die Humanisten vermochten sie wohl dazu anzuregen, was sie
darstellen sollte, aber wie sie es machen sollte, das mußte ihr überlassen bleiben.
Da bemerken wir nun, daß zunächst die antiken Sagen oder Szenen aus der alten Ge-
schichte zum Teil ganz im höfisch-romantischen Sinne dargestellt werden.1) Sie
b Dies und das Folgende bezieht sich vornehmlich auf die Malereien der Cassoni und Hand-
schriften, wo man die Entwicklung besonders deutlich verfolgen kann.