--- 208 ---———
bat sie, voranzugehen, um dem Spiele näher zusehen zu können,
aber sie weigerte sich, von dunkler Ahnung durchschauert. Er
erschöpfte seiue ganze Beredsamkeit, aber um so größer wurde
ihre Bangigkeit. Da bat Randeck das Fräulein, voranzutreten.
Diese weigerte sich nicht lange, aber kaum hatte sie einige
Schritte gethan, als das dünne Brett brach und sie mit einem
Schrei des Entsetzens hinabstürzte, wo sie augenblicklich zermalmt
wurde. Randeck sprang vor, um auch die Gräfin hinabzustürzen,
aber in demselben Augenblick ergriff ihn der Graf, hielt ihn
fest, rief Leute herbei und ließ ihn und den Sägmüller binden.
Auf die Burg gebracht, gestanden beide ihr Verbrechen. Randeck
wurde bei Fackelschein im Burghof enthauptet, der Müller aber
in's Verließ geworfen, um lebenslänglich für seinen Frevel zu
büßen. Doch wurde er auf die Bitte der neuvermählten Gräfin
als ein Verblendeter und Verführter an ihren! Ehrentage seiner
Haft entlasten und für immer des Landes verwiesen. Die zer-
quetschten Ueberreste des unglücklichen Fräuleins wurden zusam-
mengesucht und in dem Kloster Höningen ehrenvoll bestattet.
Seitdem soll sich der Geist Randeck's, der wegen seiner Unthat
von den Wohnungen der Seligen ausgeschlossen wurde, oft zur
Nachtzeit in der Sägmühle sehen lasten an dem Orte, wo er
seinen Frevel verübt hatte." *)
Bei der ebenerwähnten Sägmühle theilt sich das Thal. Wir
folgen dem Zuge rechts und erblicken bald von hochstämmigen
Pappeln noch halb verdeckt die Ruinen der Burg Alt-
leiningen, die auf einem aus dem üppigen Wiesengrunde
sich frei erhebenden Berge ruhen, welcher das Thal abermals
in zwei Arme spaltet. Am Fuße des Berges liegt das Dorf
Altleiningen, das Namen und Entstehung der Burg verdankt
und fortwährend die Schicksale derselben theilte. Dieses Dorf
hat eine beneidenswerthe Merkwürdigkeit aufzuweisen, nämlich
einen Brunnen, der aus zwanzig dicken Röhren das beste und
klarste Wasser ausströmt und sogleich einen Bach bildet, der,
nur einige Schritte davon entfernt, eine Papiermühle in Be-
wegung setzt. Nachdem wir diesem seltenen Brunnen die verdiente
Bewunderung gezollt haben, wenden wir uns zu der Burg,
deren hohe mit vielen Fensteröffnungen versehene Mauern stolz
herabblicken. Ueber zwei Gräben, von denen der eine ganz in
I. G. Lehmann, das Leininger Thal. 1832.
bat sie, voranzugehen, um dem Spiele näher zusehen zu können,
aber sie weigerte sich, von dunkler Ahnung durchschauert. Er
erschöpfte seiue ganze Beredsamkeit, aber um so größer wurde
ihre Bangigkeit. Da bat Randeck das Fräulein, voranzutreten.
Diese weigerte sich nicht lange, aber kaum hatte sie einige
Schritte gethan, als das dünne Brett brach und sie mit einem
Schrei des Entsetzens hinabstürzte, wo sie augenblicklich zermalmt
wurde. Randeck sprang vor, um auch die Gräfin hinabzustürzen,
aber in demselben Augenblick ergriff ihn der Graf, hielt ihn
fest, rief Leute herbei und ließ ihn und den Sägmüller binden.
Auf die Burg gebracht, gestanden beide ihr Verbrechen. Randeck
wurde bei Fackelschein im Burghof enthauptet, der Müller aber
in's Verließ geworfen, um lebenslänglich für seinen Frevel zu
büßen. Doch wurde er auf die Bitte der neuvermählten Gräfin
als ein Verblendeter und Verführter an ihren! Ehrentage seiner
Haft entlasten und für immer des Landes verwiesen. Die zer-
quetschten Ueberreste des unglücklichen Fräuleins wurden zusam-
mengesucht und in dem Kloster Höningen ehrenvoll bestattet.
Seitdem soll sich der Geist Randeck's, der wegen seiner Unthat
von den Wohnungen der Seligen ausgeschlossen wurde, oft zur
Nachtzeit in der Sägmühle sehen lasten an dem Orte, wo er
seinen Frevel verübt hatte." *)
Bei der ebenerwähnten Sägmühle theilt sich das Thal. Wir
folgen dem Zuge rechts und erblicken bald von hochstämmigen
Pappeln noch halb verdeckt die Ruinen der Burg Alt-
leiningen, die auf einem aus dem üppigen Wiesengrunde
sich frei erhebenden Berge ruhen, welcher das Thal abermals
in zwei Arme spaltet. Am Fuße des Berges liegt das Dorf
Altleiningen, das Namen und Entstehung der Burg verdankt
und fortwährend die Schicksale derselben theilte. Dieses Dorf
hat eine beneidenswerthe Merkwürdigkeit aufzuweisen, nämlich
einen Brunnen, der aus zwanzig dicken Röhren das beste und
klarste Wasser ausströmt und sogleich einen Bach bildet, der,
nur einige Schritte davon entfernt, eine Papiermühle in Be-
wegung setzt. Nachdem wir diesem seltenen Brunnen die verdiente
Bewunderung gezollt haben, wenden wir uns zu der Burg,
deren hohe mit vielen Fensteröffnungen versehene Mauern stolz
herabblicken. Ueber zwei Gräben, von denen der eine ganz in
I. G. Lehmann, das Leininger Thal. 1832.