Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
eine Hetoimasia zwischen Kerzenständer undKugelbäumen
(FoL 107'*), Architekturgebiide zwischen Zypressen (Fol.82^),
dekorative Vasen (Fok 117'') u. a. m. kommen als Vignetten-
schmuck vor, ohne jedoch etwas von der klassizistischen
Strenge Konstantinopeler HandschriAen zu zeigen, sondern
in der starken Buntfarbigkeit des kleinasiatischen Stils.
Ein in dieselbe Ornamentgruppe gehörendes Evangeliar
inLondon, BritishMuseum, cod. FIarley$787,
hat eine Provenienz ausBrussa inBithynieVT Sein Schmuck
läßt sich als ein Endgliedeiner mit der 861 datiertenMeteora-
HandschriA beginnenden Entwicklungsreihe ansehen, wo-
durch ihrer bithynischen Provenienz eine besondere Be-
deutung zukommt, denn da die Meteora-HandschriA laut
Subskription sicher in dieser Provinz entstanden ist, läßt
sich auch bei der Londoner HandschriA mit gutem Grunde
die Provenienz mit der Entstehungsgegend gleichsetzen.
Das beliebte Motiv der Mandelrosette Andet sich mehrfach
auf den Titelbalken, zuweilen im Zusammenhang mit
Flechtbandkreuzen (Abb. 287), einem in denverschiedensten
Gruppen wiederkehrenden Ornamentmotiv, das bereits
durch römische Mosaikfußböden eine allgemeine V erbreitung
gefunden hatte. Die sehr ausgesprochene Hörnerranke mit
Herzblatt- und Traubenschößlingen (Abb. 289), vergleich-
bar derjenigen der Pariser Vitensammlung (Abb. 274),
zeigt alle Einzelformen stärker ornamentalisiert und steht
hierin — man beachte vor allem die sassanidischen Blüten
in den Ecken des Titelrahmens — orientalischen Vor-
bildern näher als die gleichzeitigen Wellenranken haupt-
städtischer Handschriften (z.B. Abb. 36). Die Initialen
lassen sich in zwei Gruppen scheiden: in primitive glatt-
stämmige mit geometrischen Mustern, die sich auf die
Meteora-HandschriA zurückführen lassen (Abb. 287), und
entwickeltere mit SchaAringen, Knotenschleifen (Fig. 39)
und kleinen Häkchen oder staubgefäßartigen Schößlingen.
In zweierlei Gestalt kommen Vogel-Initialen vor, das
eine Mal den Stamm tragend (Abb. 288) — diese attri-
butive Verwendung der Tiere zum Initialschmuck ist
wohl die ursprüngliche —, das andere Mal in stilisierter
Form den Initialstamm bildend (Fig. 40). Die Vögel haben
etwas sehr Charakteristisches in ihrer Gestalt mit dem
kurzen Schwanz, dem Schwanenhals und den ausgesparten
Mandelaugen.
Sie Anden sich in gleicher Gestalt wieder in einer Gregor-
HandsAriA in Wien, Nationalbihliothek, cod.
t h e o 1. g r. 30, als Vignettenschmuck (Abb. 290)^°. Die
Initialen (Abb. Gerstinger a. O.) sind komplizierter in den
Knotungen des Stammes und entwickelter in den ranken-
artigen Schößlingen. Die HandschriA scheint daher später
entstanden zu sein als die Londoner. Der aus Kreismustern
gebildete Balken (Abb. 290) hat — übersetzt in die Technik
des blaugoldenen Laubsägestils — in dem Patmos Codex 44
(vgl. Abb. 133) seine nächste Parallele.
Thompson, S. 23, Taf. 17. / Tikkanen, Stud., S. 96.
Gerstinger, S. 37, Taf. 23, a, e, L Taf. 28 h. / Tikkanen,
Stud-, S. $4.
37* Jac. Morelii, BiMiotheca Manuscripta, Bassano 1802, S. 4. /

Wir haben für diese ganze Gruppe den Namen „bithy-
nisch" gewählt, weil das Anfangsglied dieser Ornamentreihe
in dieser Provinz entstanden ist und bei einem der End-
glieder, dem Londoner Evangeliar, die Provenienz in diese
Gegend weist. Bithynisch ist aber nur als Hilfsbezeichnung
zu verstehen. Sicherlich geht der Geltungsbereich der hier
zusammengestellten Ornamentformen über diese Provinz
hinaus und hat sich vor allem auf die südlicheren Provinzen
der Westküste erstreckt und mit diesen eine Einheit ge-
bildet. So Anden sich dieselben Motive, wie z.B. dieMandel-
rosette als Vignettenschmuck, begleitet von zwei Vögeln
(Fig. 41) in einem Alten Testament in Venedig, Mar-
ciana, cod. gr. 1, dessen Subskription das Wort


„Karien" zu enthalten scheint, also vermutlich in dieser süd-
lichen Provinz des westlichen Kleinasiens ges Arieben ist"".
An die Ornamentik der sogenannten 'bithynisAen
Gruppe' lassen sich vier HandsAriAen anreihen, von denen
sich drei auf der Insel Patmos beAnden. Diese Patmos-
HandschriAen bilden eine kleine Sondergruppe und wurden
vermutlich bei der Gründung des Johannes-Klosters im
11. Jahrhundert aus einem der benachbarten Klöster des
nahen westliAen Kleinasiens mitgebracht. Das Hauptwerk
ist ein Evangeliar Patmos, cod. 72"^", dessen Ornamentik
ärmlich und in groben Farben gemalt ist. Äußerst simple
Canonesbögen mit Flechtband und Flechtbandkreuzen in
Zinnober und schmutzigem Gelb gehen dem Text voran.
In den geometrischen Rahmenmustern der Evangelien-
anfänge (Abb. 293 und 296) kehren die typischen Muster
bithynischer HandschriAen wieder: Mandelrosette, Perl-
rautenmuster u. a. m. AuA die Farbenwahl, schmutziges
Grün, Gelb und Rot ist übereinstimmend.
Die Evangelistenbilder (Abb. 291—294), die von anderer
Hand gemalt sind, hängen im Gegensatz zu der boden-
ständigen Ornamentik unmittelbar mit Konstantinopeler
HandschriAen zusammen. Im Figurentypus wie in der
Hintergrundarchitektur sind sie so genaue Wiederholungen
des Evangeliars in Stauronikita (vgl. Abb. 169—172),
daß man annehmen möchte, der Maler der Patmos-Hand-
schriA habe eben jene Athos-HandschriA als Vorbild
H. B. Svete, The OM Testament, 1894, S. 14. — Pol. 163: x6pteßoi)&et
ßxatksitp ptMa/tp t... xapdvro) cuvypajKp.^tp ßtßktp apt^.
ttxpaxaXtü AyeciP/L üttep 6^7]etp.cn) p-tMayoü otp.xpim)Xoü xaM-typatpou. äu-iy'.
372 Sakkelion P. B., S. 32. / Buberl, S. 9. / Jacopi, Abb. 31-34.

43
 
Annotationen