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IV

DER ITALIENISCHE KREIS

A) DIE GRUPPE VON HANDSCHRIFTEN
Id IT GOLDGEWANDETEN FIGUREN

Das Gebiet Italiens, in dem die byzantinische Kunst
schnell Fuß fassen und sich ausbreiten konnte, war das der
alten Magna Graecia, wo das grieAische Element seit der
Antike bodenständig geblieben war. In Sizilien und Unter-
italien haben das ganze Mittelalter hindurch neben den
lateinischen Klöstern zahlreiche griechische bestanden, von
denen das Basilianer-Kloster Grottaferrata noch heute die
griechische Tradition hochhält. Wie die Buchmalerei vor
dem Jahre 1000 in diesen Gebieten aussah, ist bisher nur
für die lateinischen Handschriften im Zusammenhang er-
forscht worden''". Wir wissen aber, daß das Byzantiner-
tum nicht nur in Sizilien und Unteritalien mit der latei-
nischen Kultur sich auseinanderzusetzen hatte, sondern
auch an der reichen künstlerischen Tätigkeit Roms, die
wir bislang nur aus der Fresken- und Mosaikkunst dieser
Jahrhunderte kennen, regen Anteil gehabt hat. Wir dürfen
daher vermuten, daß, ebenso wie Griechen an der Aus-
malung von S. Maria Antiqua beteiligt waren, sie sicher-
HA auch die Buchmalerei in Rom gepflegt haben.
Vermutlich ist in Rom die früheste überhaupt erhaltene
italienisch-byzantinische Handschrift entstanden, eine
Sammlung der Dialoge des Papstes Gregor in der Vati-
kana, cod. gr. 1666, die in das Jahr 800 datiert
ist*"". Der Schmuck besteht nur aus wenigen Zier-
buchstaben, aber soviel läßt sich mit aller DeutliAkeit
aus ihnen erschließen: im Charakter stehen sie abend-
ländischen Initialen näher als byzantinischen. Das beweist
sowohl die Fischinitiale „G" (Abb. $20), die gegenüber
den kleinasiatisAen Fischinitialen (vgl. Abb. 43$, 467
u. a.) in jener strengen geometrisAen Zirkelung gebildet
ist, die vielfach vorkarolingischen ZierbuAstaben eigen
ist'"*, als auch die Initiale „M" (Abb. 321) mit Schlangen-
köpfen auf den Flechtbandbalken, deren schnabelartige

Mäuler kleinere Schlangen halten. Derartige beißende
Schnabelköpfe Enden sich in der gesamten Initialorna-
mentik Unteritaliens in früher Zeit, in der lateinischen
sowohl'"" wie in der griechischen, und dürfen als ein
speziEsch abendländisches Motiv gelten, das auf die irische
Ornamentik als der letzten Quelle zurückgeht'V Auf dem
Wege über Bobbio waren irische Handschriften nach Italien
gelangt, die diesen nordischen Einschlag in der italienischen
Ornamentik erklären. Meist beißen diese Köpfe — das ist
die ursprünglichste und verbreitetste Fassung — in den
eigenen Initialstamm.
In dieser charakteristischen Form ist der Schnabelkopf
in der einzigen Initiale einer Hiobs-HandschriA der Va-
tikana, cod. gr. 749 (Abb. 322), verwendet, wo er
einem Hundekopf angeglichen ist'"'. Es handelt sich um
eine Initiale „A", deren Stamm am unteren Ende in eben
jenen Schnabelkopf ausläuA, während der obere Abschluß
aus einem Greifenkopf gebildet wird. Gehalten wird dieser
Stamm von einem Putto, der auf einem Phantasie-Tier
reitet.
Diese dritte der uns erhaltenen Hiobs-HandschriAen
aus früher Zeit geht auf dieselbe Grundredaktion zurück
wie die Codices auf Patmos und in Venedig (vgl. S. 49 A.).
Sie übertriAt beide an Vollständigkeit des Miniaturen-
zyklus, der siA dem Text entsprechend in drei Abschnitte
gliedert. Wie in den anderen beiden HandschriAen ent-
halten die zwei Anfangskapitel, welche über die äußeren
Schi&sale des Hiob berichten, den umfangreichsten Bilder-
bestand (Fol. 6—30 mit 26 Miniaturen, Abb. 323—332).
Dann wiederholen sich nach einem bestimmten Kompo-
sitions-Schema mit nur geringen Abweichungen die Dar-
stellungen der drei Freunde vor Hiob. Sie begleiten den
eigentlichen Kern des Buches, die Meditationen des Hiob

*59 Es sei vor aHem auf Bd. I der ZimmermannsAen Vorkaro-
lingisAen Miniaturen hingewiesen, sowie für den Beneventer Kreis
auf die Publikation von Loew, The Beneventian Script, Oxford
1914 (Text), und Lowe, Scriptura Beneventana, 192$ (Tafeiband).
Pal. Soc., II. Ser., Part 1-V, 1884-88, Taf. 81. / Batiffol,
Melanges d'ArAeologie, t888, S. 297, Taf. 8. / Cavatieri, Cod.
Hag. Gr., S. 155. / Cavalieri-Lietzmann, Taf. 6. — FoL 185V;
^tekattA&yj 5s ßtßXos aÜT7] prpt dnptkttn fjxstS?] <x stous Die Hand-
schrift kam im 1$. Jahrhundert aus Rossano naA Grottaferrata und
von hier in die Vatikana.

49t KhnliAe Beispiele: Zimmermann a. O., Bd. I, Taf. ißd, 53b;
Bd. II, Taf. 129.
4M Lowe, Scriptura Beneventana, 1929, Bd. I, Taf. io, 15,
$ou. a.
4M Zimmermann a. O., Bd. III, Taf. 249, 230.
494 Karo-Lietzmann, Catenarum graecarum cataiogus, S. 322. /
Cavalieri-Lietzmann, Taf. 8. / Tikkanen, SAlosser-FestsAriA, 1927,
S. 71, Taf. 10, Abb. 22. / Ders., Stud-, S. 82-83, 96-97, i°L 107
Anm. 1, i;8, 162.

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