Burschen im östlichen Norwegen, doch erwacht in ihm
bald ein reger Ehrgeiz, ein Drang, durch systematisch
betriebene Abhärtung die Herrschaft über seinen
Körper zu gewinnen, der durch eine aufrichtigeFreude
am Naturzustande wächst. Höchste Elastizität und
Ausdauer des Körpers und des Geistes verbunden
mit feuriger Energie des Willens ist das Wesen
schon des jungen Nansen, der 1880 das Abiturienten-
Examen mit dem Prädikate „sehr gut“ in den Natur-
wissenschaften, der Mathematik und der Geschichte
ablegte, um sich dem Studium der Zoologie zu
widmen. Zugleich ein tüchtiger Jäger, Schneeschuh-
läufer und Sportsmann, geht er im Frühjahr 1882
auf dem Seehundsfänger „Viking“ ins Eismeer, wo
er das Tierleben scharf beobachtet. Nach seiner
Heimkehr finden wir ihn als Konservator der natur-
geschichtlichen Abteilung des Museums zu Bergen
unter Dr. Danielssen mit einer Untersuchung der
Myzostomeen beschäftigt, die ihm 1885 Joachim
Friele’s goldene Medaille einträgt, doch begnügt er
sich mit der kupfernen. Im Frühjahr 1886 studiert
der junge Naturforscher auf der zoologischen Station
Prof. Dohrns in Neapel den feineren Bau des zen-
tralen Nervensystems bei den niedersten Wirbeltieren,
den Lanzettfischen und dem Schleimaal und legte in
den Jahresberichten des Bergener Museums 1886 und
1887 die Resultate seiner nach neuen Methoden ge-
führten zoologischen Arbeiten nieder. Das Problem
der „grossen Eiszeit“ zog seinen Wagemut bald
lebhaft an, und um hier Neues zu erkunden, ergreift
er im Herbste 1887 den Gedanken einer Durchquerung
Grönlands von Ost nach West. Nordenskjöld war 1870
50 km weit, sieben Tage ins Innere vorgedrungen, bis
zu 700 m über dem Meeresspiegel und hatte auf .einer
zweiten Tour 1883, 117 km von der Küste, keine
eisfreien Oasen gefunden, doch hatte der Amerikaner
Peary 1886 mit Schneeschuhen und Schlitten sich
160 km von der Küste entfernt und 23 Tage auf der
Höhe von 2400 m über dem Meere verweilen
können. Aus dieser bewunderungswürdigen Ex-
pedition hoffte Nansen für seinen eigenen Plan
Nutzen zu ziehen. Trotz Abmahnungen von Grön-
landfahrern, durch den Kopenhagener Grosskaufmann
Augustin Gamel mit 5000 Kronen unterstützt, unter-
nahm Nansen auf dem Robbenfänger „Jason“ im
Frühjahr 1888 von Island aus, mit umsichtiger Aus-
rüstung, in Begleitung des Kapitän Swerdrup, des
Leutnant Dietrichsen, Kristian Tranas und zweier
Lappländer seine Forschungsreise. Am 17. Juli
ward die Ostküste Grönlands auf Gß1/^ 0 n. Br. und
2V2 Meilen Entfernung gesehen und das Schiff ver-
lassen. Man ward am Sermelikfjord vom Lande ab-
getrieben und konnte erst Ende Juli den Treib-
eisgürtel durchbrechen. Auf ungemein schwie-
riger, durch Sturm stark gehemmter Bootfahrt nach
Norden ist die Expedition am 3. August auf 62°
45 ' n. Br. und erreicht, nachdem sie sich zwischen
riesenhaften Eisbergen hindurchgewunden, am
10. August den Umiviksfjord, von wo aus mit
fünf festen Schlitten der Aufstieg aufs Inlandeis be-
gann. Ohne Rückzugslinie erstieg man bei 40 ü
Kälte dieses Eis, sah am 31. August, nach ent-
behrungsreicher Tour zuletzt das nackte Felsgestein,
erreichte am 5. September 8860 Fuss Höhe, und
am ig. September erscheint die zerklüftete Randzone
des Inlandeises der Westküste. Endlich, am 24. Sep-
tember, gelangt die Expedition zum Fjord. Nach
fünftägiger Fahrt im lecken Boot auf dem Ameralik-
fjord sind Nansen und Swerdrup am 3. Oktober in
Neu-Herrnhut und Romman über Land nach Godt-
haab, während die übrigen Teilnehmer vom Ame-
ralikfjord abgeholt werden. Man überwinterte in
Godthaab, wo Nansen das Leben der Eskimos
studierte. Die Inselgestalt Grönlands ist nach Nansens
Forschungstour kaum noch zweifelhaft. Die viele tau-
send Meter dicke Eisdecke, die ohne jegliche Spur von
Leben in der Mitte gewölbt, über Grönland liegt, bringt
uns einen wichtigen Abschnitt aus der Geschichte
unseres Erdballs zur Anschauung. Nansen gab eine
anziehende Darstellung dieser Expedition in seinem
Werke: „Auf Schneeschuhen durch Grön-
land“, Hamburg 1890; ihre wissenschaftlichen Re-
sultate hat er mit Mohn 1892 in „Petermanns Mit-
teilungen“ niedergelegt. Schon nach Beendigung
seiner Grönlandwanderung mag in Nansens Geist
der Plan gereift sein zur Nordpolexpedition,
durch deren Ausführung sein Name Weltruhm er-
langt hat. Mit Unterstützung der norwegischen
Regierung ward diese Expedition durchgeführt.
Die „Fram“, das Expeditionsschiff, wurde nach
Nansens Angaben stark genug gebaut, um jeder
erwarteten Eispressung im Polargebiete Widerstand
leisten zu können, und die Forschungsreise wurde
nach jeder Richtung hin auf das Sorgfältigste vor-
bereitet. Am 22, Juli 1893 fuhr die „Fram“ mit ihrer
Besatzung, unter Swerdrups Führung von Wardö
aus zum sibirischen Eismeer, wo man sie einfrieren
liess. Nansen hoffte, im Verlaufe von drei Jahren, auf
diese Dauer war die Expedition durchweg berechnet,
sich durch die Strömung nach Norden treiben zu
lassen und so entweder über den Pol hinweg oder
nahe daran vorüber, ins ostgrönländische Meer zu
gelangen. Seine Erwartung hat sich durchaus als
richtig erwiesen. Das grandiose Unternehmen ist
technisch geglückt, da es die Möglichkeit weiter Drift-
fahrten zeigte; denn das von Eismassen umschlossene
Schiff folgte der Meeresströmung, allen Angriffen des
Eises hat es getrotzt, zudem hielt die zweckmässige,
reichliche Nahrung der Mannschaft den Skorbut fern,
und da keine Niedergeschlagenheit herrschte, konnten
753
bald ein reger Ehrgeiz, ein Drang, durch systematisch
betriebene Abhärtung die Herrschaft über seinen
Körper zu gewinnen, der durch eine aufrichtigeFreude
am Naturzustande wächst. Höchste Elastizität und
Ausdauer des Körpers und des Geistes verbunden
mit feuriger Energie des Willens ist das Wesen
schon des jungen Nansen, der 1880 das Abiturienten-
Examen mit dem Prädikate „sehr gut“ in den Natur-
wissenschaften, der Mathematik und der Geschichte
ablegte, um sich dem Studium der Zoologie zu
widmen. Zugleich ein tüchtiger Jäger, Schneeschuh-
läufer und Sportsmann, geht er im Frühjahr 1882
auf dem Seehundsfänger „Viking“ ins Eismeer, wo
er das Tierleben scharf beobachtet. Nach seiner
Heimkehr finden wir ihn als Konservator der natur-
geschichtlichen Abteilung des Museums zu Bergen
unter Dr. Danielssen mit einer Untersuchung der
Myzostomeen beschäftigt, die ihm 1885 Joachim
Friele’s goldene Medaille einträgt, doch begnügt er
sich mit der kupfernen. Im Frühjahr 1886 studiert
der junge Naturforscher auf der zoologischen Station
Prof. Dohrns in Neapel den feineren Bau des zen-
tralen Nervensystems bei den niedersten Wirbeltieren,
den Lanzettfischen und dem Schleimaal und legte in
den Jahresberichten des Bergener Museums 1886 und
1887 die Resultate seiner nach neuen Methoden ge-
führten zoologischen Arbeiten nieder. Das Problem
der „grossen Eiszeit“ zog seinen Wagemut bald
lebhaft an, und um hier Neues zu erkunden, ergreift
er im Herbste 1887 den Gedanken einer Durchquerung
Grönlands von Ost nach West. Nordenskjöld war 1870
50 km weit, sieben Tage ins Innere vorgedrungen, bis
zu 700 m über dem Meeresspiegel und hatte auf .einer
zweiten Tour 1883, 117 km von der Küste, keine
eisfreien Oasen gefunden, doch hatte der Amerikaner
Peary 1886 mit Schneeschuhen und Schlitten sich
160 km von der Küste entfernt und 23 Tage auf der
Höhe von 2400 m über dem Meere verweilen
können. Aus dieser bewunderungswürdigen Ex-
pedition hoffte Nansen für seinen eigenen Plan
Nutzen zu ziehen. Trotz Abmahnungen von Grön-
landfahrern, durch den Kopenhagener Grosskaufmann
Augustin Gamel mit 5000 Kronen unterstützt, unter-
nahm Nansen auf dem Robbenfänger „Jason“ im
Frühjahr 1888 von Island aus, mit umsichtiger Aus-
rüstung, in Begleitung des Kapitän Swerdrup, des
Leutnant Dietrichsen, Kristian Tranas und zweier
Lappländer seine Forschungsreise. Am 17. Juli
ward die Ostküste Grönlands auf Gß1/^ 0 n. Br. und
2V2 Meilen Entfernung gesehen und das Schiff ver-
lassen. Man ward am Sermelikfjord vom Lande ab-
getrieben und konnte erst Ende Juli den Treib-
eisgürtel durchbrechen. Auf ungemein schwie-
riger, durch Sturm stark gehemmter Bootfahrt nach
Norden ist die Expedition am 3. August auf 62°
45 ' n. Br. und erreicht, nachdem sie sich zwischen
riesenhaften Eisbergen hindurchgewunden, am
10. August den Umiviksfjord, von wo aus mit
fünf festen Schlitten der Aufstieg aufs Inlandeis be-
gann. Ohne Rückzugslinie erstieg man bei 40 ü
Kälte dieses Eis, sah am 31. August, nach ent-
behrungsreicher Tour zuletzt das nackte Felsgestein,
erreichte am 5. September 8860 Fuss Höhe, und
am ig. September erscheint die zerklüftete Randzone
des Inlandeises der Westküste. Endlich, am 24. Sep-
tember, gelangt die Expedition zum Fjord. Nach
fünftägiger Fahrt im lecken Boot auf dem Ameralik-
fjord sind Nansen und Swerdrup am 3. Oktober in
Neu-Herrnhut und Romman über Land nach Godt-
haab, während die übrigen Teilnehmer vom Ame-
ralikfjord abgeholt werden. Man überwinterte in
Godthaab, wo Nansen das Leben der Eskimos
studierte. Die Inselgestalt Grönlands ist nach Nansens
Forschungstour kaum noch zweifelhaft. Die viele tau-
send Meter dicke Eisdecke, die ohne jegliche Spur von
Leben in der Mitte gewölbt, über Grönland liegt, bringt
uns einen wichtigen Abschnitt aus der Geschichte
unseres Erdballs zur Anschauung. Nansen gab eine
anziehende Darstellung dieser Expedition in seinem
Werke: „Auf Schneeschuhen durch Grön-
land“, Hamburg 1890; ihre wissenschaftlichen Re-
sultate hat er mit Mohn 1892 in „Petermanns Mit-
teilungen“ niedergelegt. Schon nach Beendigung
seiner Grönlandwanderung mag in Nansens Geist
der Plan gereift sein zur Nordpolexpedition,
durch deren Ausführung sein Name Weltruhm er-
langt hat. Mit Unterstützung der norwegischen
Regierung ward diese Expedition durchgeführt.
Die „Fram“, das Expeditionsschiff, wurde nach
Nansens Angaben stark genug gebaut, um jeder
erwarteten Eispressung im Polargebiete Widerstand
leisten zu können, und die Forschungsreise wurde
nach jeder Richtung hin auf das Sorgfältigste vor-
bereitet. Am 22, Juli 1893 fuhr die „Fram“ mit ihrer
Besatzung, unter Swerdrups Führung von Wardö
aus zum sibirischen Eismeer, wo man sie einfrieren
liess. Nansen hoffte, im Verlaufe von drei Jahren, auf
diese Dauer war die Expedition durchweg berechnet,
sich durch die Strömung nach Norden treiben zu
lassen und so entweder über den Pol hinweg oder
nahe daran vorüber, ins ostgrönländische Meer zu
gelangen. Seine Erwartung hat sich durchaus als
richtig erwiesen. Das grandiose Unternehmen ist
technisch geglückt, da es die Möglichkeit weiter Drift-
fahrten zeigte; denn das von Eismassen umschlossene
Schiff folgte der Meeresströmung, allen Angriffen des
Eises hat es getrotzt, zudem hielt die zweckmässige,
reichliche Nahrung der Mannschaft den Skorbut fern,
und da keine Niedergeschlagenheit herrschte, konnten
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