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Ankel, Paul; Werckmeister, Karl [Hrsg.]
Das Neunzehnte Jahrhundert in Bildnissen (Band 5) — Berlin: Kunstverlag der Photographischen Gesellschaft, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.63696#0190
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als mittelbaren Besitz zu behaupten gedenkt, so ver-
gisst es nicht, dass die Wiederherstellung der
Mandschu-Herrschaft in Südchina wesentlich das
Werk des „chinesischen Gordon“, die Gewinnung
des östlichen Sudans für den schon unter europäischem
Einfluss stehenden Orient neben anderen hervor-
ragenden Abendländern jeder Nationalität auch
„Gordon-Pascha“ zu danken ist.
Charles George Gordon, am 28. Januar 1833
zu Woolwich geboren, trat nach dem Besuch der
Militärakademie seiner Vaterstadt 1852 als Leutnant
in das britische Ingenieurkorps, focht im Krimkrieg
gegen die Russen, wurde vor Sebastopol verwundet
und gehörte nach dem PariserFrieden der Kommission
an, welche die Grenzen zwischen Russland und dem
Osmanischen Reiche in Bessarabien und in Armenien
festzulegen hatte. Die Korrespondenz Gordons aus
dieser Zeit hat Boulger im Jahre 1884 herausgegeben.
1860 nahm Gordon an dem englisch-französischen
Feldzuge in China teil und bereiste im folgenden
Jahre die Provinz Petschili nordwärts bis zum Passe
von Kalgan, ein Gebiet, das vor vierzig Jahren noch
wenig bekannt war. Im Jahre 1862 erfolgte die
Beförderung Gordons zum Major.
Als Li-Hung-Tschang, der Gouverneur der
Provinzen Kiang-su und Kiang-si von den Briten
einen Offizier erbat, der imstande zu sein ver-
möchte, mit den vorhandenen Streitkräften und
Mitteln den Taipingaufstand wirksam niederringen
zu helfen, trat Gordon auf Empfehlung seiner Vor-
gesetzten in die Dienste des Mandschukaisers Tung-
tschi. Er organisierte aus chinesischen Leuten sechs
Infanterieregimenter und eine Batterie, bildete die-
selben mit Hilfe europäischer und eingeborener
Offiziere nach abendländischem Vorbild aus und
wusste durch eiserne Disziplin seine „Ever-victorious
force“ zu einem Musterkorps umzuschaffen, das in
der Hand des energischen Feldherrn durch Tapfer-
keit und Schnelligkeit der Bewegungen seit der
Einnahme von Fushan (6. April 1863) einen Erfolg
nach dem andern über die Taiping gewann. Am
30. Mai wurde Kiunshan genommen, das seitdem
das Hauptquartier Gordons war. Im Dezember fiel
Sutschou in die Hände der Kaiserlichen; vor Kintan
wurde der siegreiche Heerführer schwer verwundet.
Mit der Eroberung von Tschangtschou am 11. Mai
1864 endeten die Operationen der „Ever-victorious
force“ und ihres tapferen Führers; am 1. Juni
löste Gordon seine Division auf und kehrte am
25. November über Shanghai nach Europa zurück,
nachdem ihm vom Kaiser Tung-tschi der höchste
militärische Rang Chinas, der eines Ti-tuh (General-
kapitäns), verliehen w’orden war.
Voller Selbstlosigkeit wies Gordon jede Geld-
belohnung zurück; sein Gehalt hatte er zum grossen

Teil zur Ausstattung der Offiziere seines Korps und
zu menschenfreundlichen Werken in dem verwüsteten
Lande verwendet. Dabei war ihm von chinesischer
Seite nicht selten mit Undank und Argwohn be-
gegnet worden, sodass er mehrere Male sein
Kommando niederlegte, um es dann freilich w'ieder
aufzunehmen und von neuem schlimme Erfahrungen
mit den Grosswürdenträgern des „himmlischen
Reiches“ zu machen. Gordons „Diary of the Taiping
rebellion“, das Hake 1890 herausgab, versetzt leb-
haft in jene Epoche, in der das Organisationstalent
dieses Engländers unvergleichliche Schwierigkeiten
und Hindernisse siegreich überwand.
Nach seinem Austritt aus dem chinesischen
Dienst trat der Ueberwinder der Taiping als Oberst-
leutnant in das britische Heer zurück und übernahm
1865 das Ingenieurkommando der Befestigungen
von Gravesend; 1871 bis 1873 bekleidete er das
englische Vizekonsulat für das Donaudelta und war
gleichzeitig britischer Bevollmächtigter für die euro-
päische Donaukommission in Galatz.
Ein neues und fruchttragendes Feld zivilisato-
rischer Thätigkeit eröffnete sich ihm, als er im
Februar 1874 vom Khediv Ismael von Aegypten den
Auftrag annahm, als Nachfolger Sir Samuel Bakers
im Gouvernement der Aequatorialprovinz die
Sicherung und Erweiterung der ägyptischen Er-
oberungen am Bahr el Gebel (oberen Weissen Nil)
in die Hand zu nehmen. Mit 2000 Mann brach
Gordon auf, nahm seinen Sitz zuerst in Gondokoro,
dann in Ladö, liess Forschungsreisen und Ver-
messungen zu beiden Seiten des Weissen Nil durch
seine Offiziere vornehmen, unterdrückte den Sklaven-
handel in seinem Verwaltungsbezirk und schob dessen
Südgrenzen bis zum Albert- und Victoria-Njansa vor.
Im Jahre 1877 wurde er zum Generalgouverneur des
ägyptischen Sudan ernannt, zu dem alle Länder
zwischen Nubien, dem Roten Meer, Abessinien, den
Nilseen und der Westgrenze vonDar-Fur gehörten.
Gordon-Pascha besuchte Kordofan, Schekka, Darfur
und sogar Abessinien, trat aber schon 1879 zurück.
Die Zeit der Verwaltung der Aequatorialprovinz be-
treffen die 1877 in Kairo veröffentlichten „Publi-
cations of the Egyptian general staff. Summary of
letters and reports from the governor-general.“
Die vier Jahre von 1880 bis 1883 sind vielleicht
die wechselvollsten im Leben Gordons; er war
Militär-Sekretär des Vizekönigs von Indien, Marquis
of Ripon, folgte dann einer Einladung nach China,
wo er die dortigen Machthaber von einem Kriege
mit Russland zurückhielt, that hierauf Dienst auf
Mauritius, führte (1882) als Generalmajor den Ober-
befehl über die Truppen in der Kapkolonie und
wandte sich dann nach Palästina, wo er der Beschau-
lichkeit und Werken der christlichen Charitas lebte.

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