zum Abiturientenexamen gab er seine Kunst nicht
auf, vielfach angeregt durch den trefflichen Violinisten
und Komponisten Molique und den um acht Jahre
älteren Joachim Raff, mit dem er eine Freundschaft
fürs Leben schloss. In die Stuttgarter Zeit fällt
auch das erste öffentliche Auftreten Bülows als
Pianist (i. Januar 1848).
Es waren trübe, unerquickliche Verhältnisse,
unter denen der nun zur Selbständigkeit heran-
gewachsene Jüngling ins Leben trat. Seine Eltern
trennten sich nach mehr als zwanzigjähriger Ehe,
und Eduard von Bülow heiratete eine nahe Verwandte.
Aus Besorgnis für die Zukunft des Sohnes wider-
setzte sich die Mutter seiner Neigung zur Musik,
die durch die Bekanntschaft mit Wagner zu leiden-
schaftlicher Liebe entfacht war. Hans sollte Jura
studieren, um eine Beamten- oder Diplomaten-
laufbahn einzuschlagen. Er bezog die Universität
in Leipzig und verlebte hier eine freudlose Studenten-
zeit bei seinen Verwandten, der Familie des Pro-
fessors Frege. Seine freiheitliche Gesinnung, seine
künstlerische Lebensauffassung vermochte sich den
bürgerlichen Anschauungen des konservativen Hauses
nicht immer zu beugen, und die hereinbrechende
Revolution, an der der junge Bülow schon aus
Sympathie für Wagner innerlich lebhaften Anteil nahm,
trug das Ihre dazu bei, die Gegensätze zu verschärfen.
Im Herbst 1849 ging Bülow zur Fortsetzung seiner
Studien nach Berlin. Hier sehen wir ihn als musika-
lischen Berichterstatter der demokratischen „Abend-
post“ seine journalistisch-litterarische Thätigkeit be-
ginnen, zugleich aber mit Eifer seine pianistischen
Uebungen auf eigene Hand betreiben. Endlich, nach
längerem Aufenthalte in Oetlishausen, der Besitzung
seines Vaters in der Schweiz, kommt es im Herbst 1850
zur Entscheidung. Gegen den Wunsch der Seinen
geht Bülow zu Wagner nach Zürich und versucht
erst dort, später in St. Gallen unter Entbehrungen
und kleinlichen, aufreibenden Verhältnissen sein
Glück als Opern-Kapellmeister. Sein unabweisbarer
Entschluss, Musiker zu werden, stützte sich auf die
Autorität Wagners und Liszts, der Leitsterne seiner
Jugend, die nun auch seine Lehrmeister, seine
Freunde wurden. Wagner führte ihn in die Kunst
der Direktion und damit in die Welt einer neuen
Musikauffassung ein; Liszt gab seinem bereits weit
vorgeschrittenen Klavierspiel die letzte Weihe.
Dem harten Lehrjahre in der Schweiz folgten
1851 —1853 zwei fruchtbringende Studienjahre in
Weimar, nach deren Verlauf Bülow seine Lauf-
bahn als Pianist begann. In der Natur seines
Klavierspiels, das entgegen den bisherigen Ge-
wohnheiten alles Virtuosenhafte verschmähte und,
von einer vollkommenen unabhängigen Technik als
selbstverständlicher Vorbedingung ausgehend, sich nur
in den Dienst echter und ernstester Kunst stellte, lag
es begründet, dass Bülow sich nur langsam, dann
aber um so entschiedener durchsetzte. Die Er-
weckung historischen Sinnes und feineren Stilgefühls,
absolute Treue gegen den interpretierten Autor,
das waren die Ziele, nach denen er in seinem,
allerdings von lehrhaftem Charakter nicht immer
freien Spiele strebte. Zunächst wrandte er sich nach
Oesterreich, dann nach Karlsruhe und Nord-
deutschland. Nach mehrmonatlichem Aufenthalt in
Dresden übernahm er vorübergehend eine Privat-
lehrerstelle; 1855 folgte eine zweite grössere
Tournee, bei deren Beendigung er sich in Berlin
an Stelle Kullaks als erster Lehrer an das Stern’sche
Konservatorium fesseln liess. Mit seiner Berliner
Thätigkeit, die fast ein Jahrzehnt (1855—1864) um-
spannte, setzt nun Bülows propagandistisches und
reformatorisches Wirken ein. Bald stand er an
der Spitze der musikalischen Fortschrittspartei. Im
innigen Verkehr mit Wagner, Liszt, Berlioz und
ihren Werken hatte er wie kein anderer das Wesen
der neuen Tonkunst erfasst; er wusste aber auch
am besten, welch aufklärender Arbeit es bedurfte,
um ihr das Verständnis zu erschliessen. Mit der
ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit, Energie und
Selbstlosigkeit lud er diese Aufgabe auf sich, keine
seiner reichen Gaben ihrem Dienste entziehend.
Lehrend, musizierend und polemisierend trat er für
alles Neue von Bedeutung ein; zugleich häufte er
einen Schatz pädagogischer Erfahrungen, die er
später in seinen Klassiker-Ausgaben dauernd ver-
wertet hat. So steht bereits der ausgereifte Mann
in seiner ganzen Originalität und Vielseitigkeit vor
uns. Da auch die scharfen Kanten seiner Per-
sönlichkeit, sein sarkastischer Witz und seine un-
verhohlene Lust am Kampfe schon damals hervor-
traten, so konnte es nicht fehlen, dass die Berliner
Jahre bis zum Schlüsse von steter, zum Teil in
der Oeffentlichkeit ausgetragener Fehde erfüllt waren.
Die Beziehungen zum Weimarer Kreise waren
infolge der Ehe, die Bülow mit Liszts Tochter
Cosima eingegangen war, noch intimere geworden.
Als Wagner durch die Gunst Ludwigs II. in
München an die Verwirklichung längst gehegter
Pläne ging, war auch für Bülow der Platz ge-
funden, an dem er seine Wirksamkeit in grösserem
Stile entfalten konnte. Auf Veranlassung des
Meisters wurde er zunächst als Vorspieler an den
Hof des Königs berufen, 1867 aber zum Kapell-
meister der Hofoper ernannt, nachdem er schon
1865 den „Tristan“ zur ersten Aufführung gebracht
hatte. Diese Riesenthat und die historisch denk-
würdige Premiere der „Meistersinger“ (1868) bilden
die Ruhmestitel seiner Münchener Kapellmeister-
schaft. Dem Wagnertum hatte er dadurch zum
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auf, vielfach angeregt durch den trefflichen Violinisten
und Komponisten Molique und den um acht Jahre
älteren Joachim Raff, mit dem er eine Freundschaft
fürs Leben schloss. In die Stuttgarter Zeit fällt
auch das erste öffentliche Auftreten Bülows als
Pianist (i. Januar 1848).
Es waren trübe, unerquickliche Verhältnisse,
unter denen der nun zur Selbständigkeit heran-
gewachsene Jüngling ins Leben trat. Seine Eltern
trennten sich nach mehr als zwanzigjähriger Ehe,
und Eduard von Bülow heiratete eine nahe Verwandte.
Aus Besorgnis für die Zukunft des Sohnes wider-
setzte sich die Mutter seiner Neigung zur Musik,
die durch die Bekanntschaft mit Wagner zu leiden-
schaftlicher Liebe entfacht war. Hans sollte Jura
studieren, um eine Beamten- oder Diplomaten-
laufbahn einzuschlagen. Er bezog die Universität
in Leipzig und verlebte hier eine freudlose Studenten-
zeit bei seinen Verwandten, der Familie des Pro-
fessors Frege. Seine freiheitliche Gesinnung, seine
künstlerische Lebensauffassung vermochte sich den
bürgerlichen Anschauungen des konservativen Hauses
nicht immer zu beugen, und die hereinbrechende
Revolution, an der der junge Bülow schon aus
Sympathie für Wagner innerlich lebhaften Anteil nahm,
trug das Ihre dazu bei, die Gegensätze zu verschärfen.
Im Herbst 1849 ging Bülow zur Fortsetzung seiner
Studien nach Berlin. Hier sehen wir ihn als musika-
lischen Berichterstatter der demokratischen „Abend-
post“ seine journalistisch-litterarische Thätigkeit be-
ginnen, zugleich aber mit Eifer seine pianistischen
Uebungen auf eigene Hand betreiben. Endlich, nach
längerem Aufenthalte in Oetlishausen, der Besitzung
seines Vaters in der Schweiz, kommt es im Herbst 1850
zur Entscheidung. Gegen den Wunsch der Seinen
geht Bülow zu Wagner nach Zürich und versucht
erst dort, später in St. Gallen unter Entbehrungen
und kleinlichen, aufreibenden Verhältnissen sein
Glück als Opern-Kapellmeister. Sein unabweisbarer
Entschluss, Musiker zu werden, stützte sich auf die
Autorität Wagners und Liszts, der Leitsterne seiner
Jugend, die nun auch seine Lehrmeister, seine
Freunde wurden. Wagner führte ihn in die Kunst
der Direktion und damit in die Welt einer neuen
Musikauffassung ein; Liszt gab seinem bereits weit
vorgeschrittenen Klavierspiel die letzte Weihe.
Dem harten Lehrjahre in der Schweiz folgten
1851 —1853 zwei fruchtbringende Studienjahre in
Weimar, nach deren Verlauf Bülow seine Lauf-
bahn als Pianist begann. In der Natur seines
Klavierspiels, das entgegen den bisherigen Ge-
wohnheiten alles Virtuosenhafte verschmähte und,
von einer vollkommenen unabhängigen Technik als
selbstverständlicher Vorbedingung ausgehend, sich nur
in den Dienst echter und ernstester Kunst stellte, lag
es begründet, dass Bülow sich nur langsam, dann
aber um so entschiedener durchsetzte. Die Er-
weckung historischen Sinnes und feineren Stilgefühls,
absolute Treue gegen den interpretierten Autor,
das waren die Ziele, nach denen er in seinem,
allerdings von lehrhaftem Charakter nicht immer
freien Spiele strebte. Zunächst wrandte er sich nach
Oesterreich, dann nach Karlsruhe und Nord-
deutschland. Nach mehrmonatlichem Aufenthalt in
Dresden übernahm er vorübergehend eine Privat-
lehrerstelle; 1855 folgte eine zweite grössere
Tournee, bei deren Beendigung er sich in Berlin
an Stelle Kullaks als erster Lehrer an das Stern’sche
Konservatorium fesseln liess. Mit seiner Berliner
Thätigkeit, die fast ein Jahrzehnt (1855—1864) um-
spannte, setzt nun Bülows propagandistisches und
reformatorisches Wirken ein. Bald stand er an
der Spitze der musikalischen Fortschrittspartei. Im
innigen Verkehr mit Wagner, Liszt, Berlioz und
ihren Werken hatte er wie kein anderer das Wesen
der neuen Tonkunst erfasst; er wusste aber auch
am besten, welch aufklärender Arbeit es bedurfte,
um ihr das Verständnis zu erschliessen. Mit der
ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit, Energie und
Selbstlosigkeit lud er diese Aufgabe auf sich, keine
seiner reichen Gaben ihrem Dienste entziehend.
Lehrend, musizierend und polemisierend trat er für
alles Neue von Bedeutung ein; zugleich häufte er
einen Schatz pädagogischer Erfahrungen, die er
später in seinen Klassiker-Ausgaben dauernd ver-
wertet hat. So steht bereits der ausgereifte Mann
in seiner ganzen Originalität und Vielseitigkeit vor
uns. Da auch die scharfen Kanten seiner Per-
sönlichkeit, sein sarkastischer Witz und seine un-
verhohlene Lust am Kampfe schon damals hervor-
traten, so konnte es nicht fehlen, dass die Berliner
Jahre bis zum Schlüsse von steter, zum Teil in
der Oeffentlichkeit ausgetragener Fehde erfüllt waren.
Die Beziehungen zum Weimarer Kreise waren
infolge der Ehe, die Bülow mit Liszts Tochter
Cosima eingegangen war, noch intimere geworden.
Als Wagner durch die Gunst Ludwigs II. in
München an die Verwirklichung längst gehegter
Pläne ging, war auch für Bülow der Platz ge-
funden, an dem er seine Wirksamkeit in grösserem
Stile entfalten konnte. Auf Veranlassung des
Meisters wurde er zunächst als Vorspieler an den
Hof des Königs berufen, 1867 aber zum Kapell-
meister der Hofoper ernannt, nachdem er schon
1865 den „Tristan“ zur ersten Aufführung gebracht
hatte. Diese Riesenthat und die historisch denk-
würdige Premiere der „Meistersinger“ (1868) bilden
die Ruhmestitel seiner Münchener Kapellmeister-
schaft. Dem Wagnertum hatte er dadurch zum
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