VII. Die Exegese
In der Exegese soll der Text eines juristischen Frag-
ments in seinem Inhalt und in seiner Bedeutung
erklärt werden. Das klingt einfadi und selbstver-
ständlidh. Aber allzu oft wird dieser einfache und
selbstverständlidie Satz vergessen, entfernt sidi die
Exegese vom konkreten Text und vom konkreten
Fall und verliert sie sich in einer abstrakten Dar-
stellung der Rechtsinstitute und juristischen Pro-
bleme.
Erklärung des Textes heißt nicht nur: Erörterung der
speziellen Problematik des betreffenden Fragments.
Es ist nicht Aufgabe einer Digestenexegese, einen
allgemeinen Aufsatz zu schreiben über ein Thema,
das der Entscheidung des römischen Juristen zu
Grunde liegen mag. Eine Exegese ist verfehlt, die
man dann zum Beispiel überschreiben könnte: „Das
Problem der bedingten Novation im römischen Recht
unter besonderer Beriicksichtigung von Jav. D. 12. 1.
36“, wenn stattdessen der Text von Jav. 12. 1. 36 zu
interpretieren ist.
Die übermäßige Konzentration auf „das Problem der
Stelle“ verleitet häufig dazu, den Wortlaut des Frag-
ments außer Acht zu lassen und damit möglicher-
weise wesentliche Gedanken der Entscheidung zu
iibersehen. Besonders die — selbstverständlich not-
wendige — Beschäftigung mit der modernen rechts-
historischen Literatur läßt den Anfänger oft iiber-
Textinter-
pretation
47
In der Exegese soll der Text eines juristischen Frag-
ments in seinem Inhalt und in seiner Bedeutung
erklärt werden. Das klingt einfadi und selbstver-
ständlidh. Aber allzu oft wird dieser einfache und
selbstverständlidie Satz vergessen, entfernt sidi die
Exegese vom konkreten Text und vom konkreten
Fall und verliert sie sich in einer abstrakten Dar-
stellung der Rechtsinstitute und juristischen Pro-
bleme.
Erklärung des Textes heißt nicht nur: Erörterung der
speziellen Problematik des betreffenden Fragments.
Es ist nicht Aufgabe einer Digestenexegese, einen
allgemeinen Aufsatz zu schreiben über ein Thema,
das der Entscheidung des römischen Juristen zu
Grunde liegen mag. Eine Exegese ist verfehlt, die
man dann zum Beispiel überschreiben könnte: „Das
Problem der bedingten Novation im römischen Recht
unter besonderer Beriicksichtigung von Jav. D. 12. 1.
36“, wenn stattdessen der Text von Jav. 12. 1. 36 zu
interpretieren ist.
Die übermäßige Konzentration auf „das Problem der
Stelle“ verleitet häufig dazu, den Wortlaut des Frag-
ments außer Acht zu lassen und damit möglicher-
weise wesentliche Gedanken der Entscheidung zu
iibersehen. Besonders die — selbstverständlich not-
wendige — Beschäftigung mit der modernen rechts-
historischen Literatur läßt den Anfänger oft iiber-
Textinter-
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