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Erster Teil
Kunstbolschewismus und Kunstanarchie, ihr Wesen
und ihre Ausdrucksform

Motto: Laßt uns Schlagwetteratmosphäre vorbereiten,
lernt! vorbereitet! übt Euch!
Aus einem Aufruf an alle Künstler, Berlin 1919.
Oer Geist der Zerstörung ist ein schassender Geist!
„Aktion" 1922 S. 564
(§g gibt heute Leute, die aus irgendwelchen, teils durchsichtigen teils
dunklen Gründen ein lebhaftes Interesse daran haben, Gras wachsen zu
lassen über die jüngstvergangenen Gestalten und Ereignisse unseres Kunst-
lebens. Sie rechnen mit der Gedächtnisschwäche - und verbreiten etwa fol-
gende Weisheit sür Ahnungslose:
„Das ganze Gerede vom Kunstbolschewismus ist ja Unsinn" - so sagen sie. „Es hat
ja nie einen KunstbolschcwiSmuS gegeben. Nur kunstfremdc Spießer und talentlose Künst-
ler haben das Wort Kunstbolschewismus erfunden, urn ihre Verständnislosigkeit und Hilf-
losigkeit gegenüber den notwendigen Problemen der neuen Kunst zu bemänteln. Die Not,
die Angst der Katastrophenzeit, die Abkehr von der Verstandesherrschaft über das Ge-
fühlsleben mit der neuerwachenden mystisch religiösen Vertiefung in das bluthaft be-
dingte Ich bewirkte bei einigen eine künstlerische Aufgeregtheit, die bisweilen, zumal bei
den üblichen Nachläufern, überspannt war. Bei anderen äußerte sich ganz im Gegensatz
zu den ersteren ein kühl erwägender, logischer Geist, der Probleme bis auf den Grund
ausschöpfte und die vom Impressionismus her mißachtete Schönheit ausgewogenen und
durchgeformten Bildaufbaus wieder zu Ehren bringen wollte. Mit Politik hat weder der
Expressionismus noch der Futurismus noch der Kubismus irgend etwas zu tun gehabt.
Auch der Dadaismus ist nichts als ein bitterer Hohn der Künstler über die traurige Lage
der Kunst im Zeitalter der Technik. Die Nachläufer natürlich haben - wie immer - auch
der Neuen Kunst geschadet. Dagegen die führenden genialen Köpfe der neuen Kunst sind
erhaben über jede politische Verdächtigung, und das Nationale Deutschland wird sie als
Führer gar nicht entbehren können. Natürlich ist auch der eine oder andere Künstler,poli-
tisch rot gewesen, aber das hat mit seiner Kunst gar nichts zu tun. Der Kunstbolschewismus
als staats- und kulturfeindliche Richtung ist weiter nichts, als ein Hirngespinst aus Dumm-
heit und Faulheit. Er hat nie wirklich existiert."
Um solchen Irreführungen zu steuern, ziehen wir einige rote Bekennt-
nisse und Urkunden ans Licht, die - das sei für Zweifler nebenbei bemerkt -
selbst da, wo wir, um nicht ins Uferlose zu geraten, kürzen müssen, doch
völlig sinngemäß - also durchaus dem ursprünglichen Zusammenhang ent-
sprechend - zitiert werden. Wer also irgendwelche Ungeheuerlichkeiten nicht
glauben will, möge die Stellen nachprüfen in ihrer Gesamtumgebung.
 
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