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Winckelmann, Johann Joachim; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Kunze, Max [Hrsg.]; Rügler, Axel [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Hofstetter, Eva [Bearb.]; Binthe, André [Bearb.]; Kuhn-Forte, Brigitte [Bearb.]
Schriften und Nachlaß (Band 10): Winckelmanns verstreute Handschriften: Materialien - Entwürfe - Notizen - Exzerpte — [Darmstadt]: wbg Philipp von Zabern, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.70013#0014
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XII

Einleitung

Bereits 1792 gelangten 46 Autographen Winckelmanns, zu einem Band gebunden, nach Savign-
ano sul Rubicone-, sie werden dort in der Accademia Rubiconia dei Filopatridi aufbewahrt (Ms. 70,
Classes I-X). Der Bibliothekar Fantoni hatte sie wahrscheinlich zwischen 1768 und 1775 dem Sprach-
wissenschaftler Giovanni Cristofano Amaduzzi (1740-1792) geschenkt7, mit dessen Nachlaß sie den
Weg in dessen Geburtsstadt Savignano fanden.
Nach der Besetzung des Kirchenstaats durch Napoleon 1797 kam es im sog. Frieden von Tolenti-
no zu einem Friedensvertrag zwischen dem Papst und Napoleon bzw. dem Direktorium in Paris, wo-
bei Zahlungen in Höhe von 31 Millionen Livres an Frankreich zu leisten waren. Da die Staatskasse leer
war, wurden der ersten französischen Republik ersatzweise Kunstschätze und Manuskripte übergeben.
Die Bibliothek im Palazzo Albani war davon nicht betroffen. Jedoch wurde 1798 nach einem Attentat
auf den französischen General Duphot, für das Kardinal Giovanni Francesco Albani, der Erbe Ales-
sandro Albanis, als erbitterter Feind der französischen Revolution verantwortlich gemacht wurde, des-
sen gesamter Besitz, der Palazzo alle Quattro Fontane und die Villa Albani samt Inventar, konfisziert.
Am 22. Mai 1798 war das Verpacken der Kunstgegenstände und der Handschriften - nun Eigentum
der französischen Republik - abgeschlossen, Ende 1798 bis Mitte 1799 erreichten die Kisten über Li-
vorno und Toulon auf dem Wasserweg Paris, seit dem 7. 2. 1801 sind 21 Handschriftenbände Win-
ckelmanns Bestandteil der Bibliotheque Nationale, wie dort aufbewahrte Listen zeigen. Verschiedenen
Gesuchen um Herausgabe der Manuskripte, gestellt 1814 von dem bayerischen Kommissar in Paris,
Friedrich Thiersch, sowie 1815 von Jakob Grimm, damals hessischer Legationssekretär, und dem preu-
ßischen Staatsminister Altenstein, wurde nicht entsprochen.8 In den drei Gesuchen werden die Hand-
schriften Winckelmanns als Ersatz für verlorene, zerstörte oder andere annektierte Manuskripte, die
Frankreich behalten wollte, vorgeschlagen: Die Handschriften Winckelmanns seien, da auf deutsch
verfasst und schwer zu entziffern, nur für Landsleute von Nutzen; ferner lägen dessen Werke bereits
gedruckt vor, so daß die Manuskripte lediglich für Preußen, die Heimat Winckelmanns, einen senti-
mentalen Wert darstellen würden.9 Die eigentlichen Eigentümer, die Anspruch auf Rückgabe gehabt
hätten, die Erben Carlo und Giuseppe Albani, machten ihr Recht nicht geltend.
Zwei weitere Bände aus dem Palazzo Albani befinden sich seit 1804 in der Bibliotheque Universi-
taire Historique de Medecine in Montpellier. Bei der Plünderung des Palazzo Albani 1798 wurden nur
die schönsten Kunstwerke und ausgewählte Handschriften und Bücher für den Transport nach Paris
verpackt, den Rest verkaufte man, u. a. auch, um den Transport zu finanzieren. Dabei erwarb der Offi-
zier Henri Reboul zwei Bände mit Winckelmann-Handschriften, die er später aus Geldmangel zusam-
men mit anderen Büchern aus Albani-Besitz an Gabriel Prunelle, Bibliothekar an der Medizinischen
Fakultät in Montpellier, weiterverkaufte.10
7 Ferrari, Fantoni, Amaduzzi e il lascito italiano S. 15-27; ders., Nachlaß Italiano S. 81-83.
8 s. dazu Benedicte Savoy, „Un interet du famille“, Winckelmanns Nachlaß und der deutsche Rückforderungsanspruch von
1814/1815, in: Rom - Paris - Stendal S. 35-36, 41-63 bes. 51-54, 57.
9 Savoy (wie Anm. 8) S. 50-51, 56-57.
10 s. dazu Elisabeth Decultot, Wie gelangte Winckelmanns Nachlaß nach Frankreich? Rekonstruktion und Analyse eines
Kulturtransfers besonderer Art, in: Rom - Paris - Stendal S. 16-18, 23-25; Decultot, Untersuchungen S. 184-186; Bäbler,
Passion S. 33-34.
 
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