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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte (Band 1) — Tübingen, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.19222#0018
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2

Was ist Philosophie?

worden ist. Aber mag man dabei die Philosophie als Lehre
vom Absoluten oder als Selbsterkenntnis des Menschen-
geistes oder wie immer bezeichnen, stets wird die Definition
zu weit oder zu eng erscheinen; immer namentlich wird
es historische Gebilde geben, welche, mit dem Namen der
Philosophie bezeichnet, doch der einen oder der anderen
jener formalen Begriffsbestimmungen sich nicht unter-
ordnen lassen.

Es wäre nutzlos, oft Gesagtes zu wiederholen und die
negativen Jnstanzen beiznbringen, welche sich aus der
Geschichte gegen jeden derartigcn Versuch leicht hervorsuchen
lassen. Dagegen empfiehlt es sich, den Gründen dieser Er-
scheinung etwas genauer nachzugehen. Bekanutlich ver-
langt die Logik für eine giltige Definition die Angabe des
nächst höheren Gattungsbegriffs und des artbildenden
Merkmals: beide Erfordernisse aber scheinen in diesem
Falle nicht erfüllbar.

Zunächst freilich wird man mit der Behauptung bei
der Hand sein, der höhere Begriff, unter welchen die
Philosophie gehöre, sei derjenige der Wissenschaft. Es wäre
auch nur ein schwacher Einwnrf, darauf hinzuweisen, daß
in diesem Falle die Art zeitweise sich mit der Gattung völlig
deckt, so z. B. im Anfange des griechischen Denkens, wo es
eben nur noch die eine ungeteilte Wissenschaft gibt, oder
später in solchen Perioden, wo die universalistische Tendenz
eines Descartes oder Hegel die übrigen „Wissenschaften"
als solche nur insofern anerkennt, als sie sich zu Teilen der
Philosophie machen lassen. Das beweist nur, daß das Ver-
hältnis zwischen dieser Art und der Gattung kein konstantes
ist, läßt aber den Charakter der Philosophie als Wissen-
schaft unangefochten. Ebensowenig ließe sich die Unter-
ordnung der Philosophie unter den Begriff der Wissen-
schaft durch den Nachweis wiederlegen, daß in den meisten
philosophischen Lehren durchaus unwissenschaftliche Ele-
mente und Gedankengänge sich vorfinden. Auch das be-
 
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