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Windelband, Wilhelm
Präludien: Aufsätze und Reden zur Philosophie und ihrer Geschichte (Band 1) — Tübingen, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.19222#0184
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Aus Goethes Philosophie.

(Rede 1899 aus Anlaß des Straßburger Denkmals für den
jungen Goethe.)

. . . Vom „ewig jungen Goethe" will ich reden, von
dem Manne, der die mächtige Eigenart seines Wesens
dnrch ein langes Leben schöpferisch bewahrt und bewährt
hat — von dem Dichter, der diese seine ewige Jugend
den leuchtenden Gestalten eingehaucht hat, mit welchen
er in uns lebt und immerdar leben wird.

Während der beiden Generationen, die seit seinem
Tode dahingegangen sind, ist das Verständnis seiner Be-
deutung für unser geistiges Leben nur immer mehr ge-
stiegen, — nicht vielleicht in der populären Schätzung
brciterer Kreise, in denen man sich von den Strömungen
des Tages treiben läßt, aber desto mehr im Urteil der-
jenigen, die sich den Sinn für das dauernd Wertvolle
im Wechsel der Zeiten zu bewahren wissen. Für diese
ist Goethe immer größer geworden.

Wer aus den Toren Roms hinanspilgert in die
Campagna, den Bergen zu, der sieht alle die Mauern
nnd Türme, die Knppeln und Spitzen mehr und mehr
verschwimmen nnd verschwinden: nnd schließlich, wenn die
ewige Stadt nur noch wie eine einzige Masse daliegt,
da wölbt sich über ihr, allbeherrschend, die eine gewaltige
Kuppel von St. Pcter. So geht es nns mit der zeitlichen
Entfernung von Goethe. Je weiter wir von jener größten
Zeit der deutschen Kulturgeschichte abkommen, in der um

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