IV. DAS SCHLOSS IN RICHELIEU UND DER FRANZÖSISCHE SCHLOSS-
BAU DES 16. UND 17. JAHRHUNDERTS
1. Der Flügel des 1 6 . Jahrhunde rts
Aus der Erörterung der Bauabfolge geht hervor, daß wir bei der architektur-
geschichtlichen Einordnung zuerst einen Bauteil aus dem 16. Jahrhundert zu
behandeln haben: den Ostflügel. Lemercier übernahm einen schmalen zwei-
geschossigen Flügel mit doppelten dreigeschossigen Eckpavillons. Inwieweit
er die Fassaden veränderte, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen.
Doch können wir annehmen, daß Erker und Fenster (wegen ihrer unregelmä-
ßigen Anordnung) beibehalten und nur die Büsten- und Statuennischen einge-
fügt wurden. Die Eingriffe in die Mauersubstanz müssen beträchtlich gewe-
sen sein.
Nach welchem Plan der Vater des Kardinals seinen Bau begonnen hatte,
kann nur vermutet werden. Eine Vierflügelanlage wie Ancy-le-Franc oder
eine Dreiflügelanlage wie etwa Ecouen lagen im Bereich der Möglichkeiten.
Es ist jedoch keineswegs gesichert, daß dieser Vorgängerbau ein vollstän-
diger Neubau werden sollte. Möglicherweise sollten nur Teile einer mittel-
alterlichen Anlage durch neue Flügel ersetzt werden.
Batiffol341 hat festgestellt, der Vater des Kardinals habe seinen Bau
"sans doute sur un plan conforme aux conceptions architecturales de la fin
du XVIe siede” unternommen. Seine Vermutung läßt sich präzisieren, wenn
man die auffallendsten Merkmale des rekonstruierten Flügels heranzieht:
die Doppelpavillons an den Ecken, bzw. den Enden des Flügels, die Erker
der Gartenfassade und das Aufrißsystem mit den steilen Dächern.
Doppelpavillons sind in der Baukunst des 16. Jahrhunderts selten ange-
wandt worden. Geht man von den erhaltenen Monumenten aus, so kann nur
der Louvre-Neubau von Lescot^^ jas Vorbild gewesen sein. Der ausge-
führte Westflügel des Louvre zeigt an den Ecken zwei unterschiedlich große
Pavillons nebeneinander - allerdings nur im Grundriß. Im Aufriß erschei-
nen die innen liegenden als Risalite; sie haben kein eigenes Dach, sondern
sind unter das des Flügels gezogen. Ob eine absichtliche Anlehnung an den
königlichen Bau vorlag, muß offen bleiben. Immerhin kann die Möglichkeit
erwogen werden, denn Franpois de Richelieu war im engsten Umkreis des
Königs tätig.
Erker wurden in der Baukunst des 16. Jahrhunderts häufiger angewandt.
Als auf Pendentifs sitzende Ausbauten hat sie besonders Philibert De L’Orme'^"
gebraucht, z.B. am Hotel Bullioud in Lyon und an Schloß Anet. Im 17. Jahr-
hundert sind sie selten. Nur bei Lemercier treten sie auf. Offensichtlich
von dem Beispiel in Richelieu angeregt, hat er beim Umbau des Hotel de
Liancourf344 wahrscheinlich nach 1623 ähnliche Erker verwandt.
Der zweigeschossige Aufriß des Flügels mit ausgebauten Lukamen und
die dreigeschossigen Pavillons finden sich an zahlreichen Schloßbauten des
16. Jahrhunderts. Nur das Verhältnis von geöffneter zu geschlossener Flä-
che, die Dekoration und das Verhältnis der Pavillons zu den Flügeln wandeln
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BAU DES 16. UND 17. JAHRHUNDERTS
1. Der Flügel des 1 6 . Jahrhunde rts
Aus der Erörterung der Bauabfolge geht hervor, daß wir bei der architektur-
geschichtlichen Einordnung zuerst einen Bauteil aus dem 16. Jahrhundert zu
behandeln haben: den Ostflügel. Lemercier übernahm einen schmalen zwei-
geschossigen Flügel mit doppelten dreigeschossigen Eckpavillons. Inwieweit
er die Fassaden veränderte, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen.
Doch können wir annehmen, daß Erker und Fenster (wegen ihrer unregelmä-
ßigen Anordnung) beibehalten und nur die Büsten- und Statuennischen einge-
fügt wurden. Die Eingriffe in die Mauersubstanz müssen beträchtlich gewe-
sen sein.
Nach welchem Plan der Vater des Kardinals seinen Bau begonnen hatte,
kann nur vermutet werden. Eine Vierflügelanlage wie Ancy-le-Franc oder
eine Dreiflügelanlage wie etwa Ecouen lagen im Bereich der Möglichkeiten.
Es ist jedoch keineswegs gesichert, daß dieser Vorgängerbau ein vollstän-
diger Neubau werden sollte. Möglicherweise sollten nur Teile einer mittel-
alterlichen Anlage durch neue Flügel ersetzt werden.
Batiffol341 hat festgestellt, der Vater des Kardinals habe seinen Bau
"sans doute sur un plan conforme aux conceptions architecturales de la fin
du XVIe siede” unternommen. Seine Vermutung läßt sich präzisieren, wenn
man die auffallendsten Merkmale des rekonstruierten Flügels heranzieht:
die Doppelpavillons an den Ecken, bzw. den Enden des Flügels, die Erker
der Gartenfassade und das Aufrißsystem mit den steilen Dächern.
Doppelpavillons sind in der Baukunst des 16. Jahrhunderts selten ange-
wandt worden. Geht man von den erhaltenen Monumenten aus, so kann nur
der Louvre-Neubau von Lescot^^ jas Vorbild gewesen sein. Der ausge-
führte Westflügel des Louvre zeigt an den Ecken zwei unterschiedlich große
Pavillons nebeneinander - allerdings nur im Grundriß. Im Aufriß erschei-
nen die innen liegenden als Risalite; sie haben kein eigenes Dach, sondern
sind unter das des Flügels gezogen. Ob eine absichtliche Anlehnung an den
königlichen Bau vorlag, muß offen bleiben. Immerhin kann die Möglichkeit
erwogen werden, denn Franpois de Richelieu war im engsten Umkreis des
Königs tätig.
Erker wurden in der Baukunst des 16. Jahrhunderts häufiger angewandt.
Als auf Pendentifs sitzende Ausbauten hat sie besonders Philibert De L’Orme'^"
gebraucht, z.B. am Hotel Bullioud in Lyon und an Schloß Anet. Im 17. Jahr-
hundert sind sie selten. Nur bei Lemercier treten sie auf. Offensichtlich
von dem Beispiel in Richelieu angeregt, hat er beim Umbau des Hotel de
Liancourf344 wahrscheinlich nach 1623 ähnliche Erker verwandt.
Der zweigeschossige Aufriß des Flügels mit ausgebauten Lukamen und
die dreigeschossigen Pavillons finden sich an zahlreichen Schloßbauten des
16. Jahrhunderts. Nur das Verhältnis von geöffneter zu geschlossener Flä-
che, die Dekoration und das Verhältnis der Pavillons zu den Flügeln wandeln
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