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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 4.1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.9080#0017
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306


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Aus der ersten Sitzung der nationalliberalen Fraktion des Reichstages.

Ziffer berühmter Mitarbeiter Dr. H orribiliskrib ifax wohnt
gegenwärtig den Verhandlungen des Reichstages an. die recht
interessant sind. Zufällig gerieth derselbe in eine Sitzung der
nationalliberalen Fraktion, wo man ihn ruhig einließ, da man
ihn für einen der neugewählten Abgeordneten hielt. Was dg, vorging
und wie unser verehrter Mitarbeiter wieder hinauskam, wollen wir unseren
Lesern nicht verschweigen.

Zuerst ergriff natürlich das Wort v. Bennigsen: Meine Herren,
wir sind nun unter uns Pfarrerstöchtern und können uns ganz ungenirt
über die Situation aussprechen. (Bravo! Jawohl!)

Dr. Bürklin: Dann müssen wir uns auch offen eingestehen, daß wir,
trotz unserer Wahlerfolqe, noch weit vom Ziele entfernt sind. So lauge
nicht unsere Freunde Bennigsen, Miguel und Buhl Minister, Professor
Marquardsen und ich nicht mindestens Unterstaatssekretäre sind, so lange
kann man von eineni Erfolg der nationalen Sache nicht reden. (Oho!)

Miguel: Der verehrte Herr Vorredner ist ein feuriger Patriot in
den besten Jahren und will rasch vorwärts. Das begreife ich. Allein
wir müssen mit den Umständen rechnen. Die Franzosenfurcht . . .

Ein jüngeres Mitglied (vom Platze): Ja, das hat famos ge-
zogen. Wir haben ihnen den Boulanger auch tüchtig an die Wand gemalt,
daß ihnen die Augen übergingen.

v. Bennigsen: Nun muß aber auch wieder abgewiegelt werden.
Der Krieg kommt ja doch nicht und man muß den Leuten begreiflich
machen, daß er nur deshalb nicht kommt, weil so viele Nationalliberale
gewählt sind. (Bravo!)

H orribiliskrib ifax: Ob sie das glauben werden? (Oho!)

Dr. Buhl: Sie werden es glauben.

Miguel: Daß das Kunststück, die Wähler in Furcht zu versetzen,
diesmal gut gelungen ist. wissen wir Alle. Aber ich glaube kaum, daß
es uns in einem zweiten Fall auch wieder gelingen wird. (Zustimmung.)

Marquardsen: Nun, mau wird zugeben, daß die „Kölnische
Zeitung" ihre Pflicht gethan hat. Mit den Baracken haben wir ihnen
tüchtig eingeheizt. Es ist auch ein wahres Glück, daß der General Bou-
langer da ist. Als Feldherr kennt man ihn ja nicht, aber zum Kriegs-
popanz eignet er sich vortrefflich. (Sehr gut!)

Ein neues Mitglied: Meine Herren, fürchten Sie sich nicht vor
der Intelligenz des Volkes. An diese glauben nur Demokraten und So-
zialisten. Ich bin in einem bäuerlichen Wahlkreise gewählt und meine
Bauern glauben Alles, was ich ihnen sage. (Bravo!)

Horribiliskribifax: Diese Bauern sind aber nicht das deutsche
Volk. (Unruhe.)

Ein süddeutscher Abgeordneter: Meine Herren, machen Sie

sich um die nächsten Wahlen noch keinen Kummer. Wir haben drei Jahre
vor uns und werden die Zeit ausnutzen. Wir haben ja die äußersten
Mittel noch nicht erschöpft.

Horribiliskribifax: Doch!

Der süddeutsche Abgeordnete: Nun, was haben wir denn ge-
than? Wir haben Bilder verbreiten lassen, auf denen dargestellt war,
wie die Franzosen einem Bauern seine letzte Kuh fortschleppen und wie
sie ihm Haus und Hof niederbrennen. Das hat vortrefflich gewirkt,
(Sehr richtig.) Man kann aber noch stärker auf die Nerven wirken. Man
kann Bilder verbreiten, wie die Franzosen Frauen und Töchter fort-
schleppen . . .

Horribiliskribifax: Und nachher in die Sklaverei nach Egypten
und Brasilien verkaufen. (Oho!)

Bennigsen: Meine Herren, es harrt unser eine ernste Arbeit. Wir
haben viel zu bewilligen, wir haben Kompromisse zu schließen, wir haben
Alles zu thun, was von uns verlangt wird, und das im Interesse eines
freiheitlichen Ausbaues der Reichsverfassung. So müssen wir dem Volke
sagen.

Ein Bankier: Nur keine direkten Steuern, meine Herren. Lassen
Sie dies Volk doch bezahlen. Wir sind ja wohlthätig und geben auch
etwas für Wissenschaft und Kunst.

Eine Stimme: Und gedenken im Winter der nothleidenden Vögel.

Ein Kulturkämpfer: Unter der Parole: Los von Rom! kämpfen
wir gegen das Zentrum. Der liberale Papst wird uns dabei unterstützen.
Wir kriegen am Ende noch den Titel päpstlicher Kammerherren!

Horribiliskribifax: Hahaha!

Ein Süddeutscher: Aber zuerst müssen wir Alles bewilligen, was
verlangt wird.

Horribiliskribifax: Und noch zehnmal mehr! (Unruhe.)

Ein Staatsanwalt: Meine Herren, es ist Jemand hier, der offen-
bar nicht von unserem patriotischen Geist erfüllt ist. (Er deutet auf
unseren Korrespondenten) Wollen Sie sich erklären!

Horribiliskribifax: Ich bin Journalist und bin zufällig hier
hereingekommen. (Lärm.)

Ein Abgeordneter: Ah, jetzt kenne ich diesen Herren. Es ist der
Dr. Horribiliskribifax, der für den „Wahren Jacob" schreibt. Der wird
wieder Alles an die Oeffentlichkeit bringen, was er hier gehört hat. (Furcht-
barer Lärm; Rufe: Hinaus, hinaus mit ihm!)

Horribiliskribifax: Nur Geduld, meine Herren, ich gehe schon.
Ich wünsche gute Verrichtung! (Geht schleunigst ab.) — — —-

Soweit der Bericht unseres Korrespondenten. Wenn ihn die natio-
ualliberale Presse desavouirt, können wir natürlich nichts dagegen machen.

Der Schatzgräber.

Eine Erzählung von Sigrnrirrd Schrvcrrtz.

Das Käthchen vom Oberhof war ein ganz hübsches Bauernmädchen,
wenn auch nicht gerade eine zierliche Erscheinung. Sie hatte eine derbe
Figur, starke Hände und Arme und ihre Füße waren keineswegs klein.
Aber sie konnte auf dem Felde ein tüchtiges Stück Arbeit leisten; kräftig
schwang sie die Sense und auf der Tenne kam ihr kein Drescher zuvor.
Sie hatte ein rosiges Antlitz, einen Mund mit vollen Lippen, blaue Augen
und prächtiges blondes Haar, das sie in zwei dicke» Zöpfen über den
Rücken fallen ließ. So erschien sie dem jungen Neuhofbauer, dem eben
vom Militärdienst zurückgekehrten Matthias, als sein Ideal weiblicher
Vollkommenheit. Matthias, ein wohlgebildeter und verständiger junger
Mann, gefiel dem schönen Käthchen recht gut und sie war bereit, sein
Weib zu werden; sie liebte ihn aufrichtig und treu und schlug seinetwegen
mehr als einen vortheilhaften Antrag aus.

Aber der Heirath stand ein gewaltiges Hinderniß im Wege in Ge-
stalt des alten Öberhofbauern, Käthchens Vater.

Der Oberhofbauer war ein sehr wohlhabender, mau konnte sagen
reicher Mann. Der alte Maier besaß große Grundstücke, hatte ein schönes
großes Haus, seine Ställe voll schönen Viehes und eine schöne Anzahl
harter Thaler im Kasten daheim. Er war immer gerne dabei, wenn es
galt, einzuheimsen; wenn er aber etwas hergeben sollte, so zeigte er sich
so zähe, wie seine hirschlederuen Hosen, ein richtiger alter Filz. Er war
einer jener hartköpfigen Bauern, die den Werth und die Bedeutung ihrer
Dorfgenoffeu niemals anders taxiren können, als nach der Anzahl der
Stücke Vieh, die ein jeder besitzt. Und der junge Matthias besaß eben
nicht so viel Ochsen, Kühe, Schweine und Schafe, als der Oberhofbauer
für seinen künftigen Eidam als nöthig erachtete. Als er dennoch wagte,
um die Haud Käthchens anzuhalten, ward er schnöde abgewiesen.

Käthchens entschiedene Erklärung, daß sie dem Matthias vom Neu-
hof treu bleiben werde, versetzte den Oberhofbauern in Wuth.

„Nimmer werd' ich's leiden!" schrie er, mit dem Fuße aufstampfend,
„Du sollst so einen Lump nicht heirathen, der keine drei Ochsen im
Stalle hat!"

„Die Ochsen will ich ja auch nicht heirathen," sagte Käthchen, die
den trotzigen Sinn ihres Vaters hatte. Damit ging sie hinaus und schlug
zornig die Thüre hinter sich zu.

Draußen ging der Neuhofbauer eben vorüber. Der Herr vom Ober-
hof riß das Fenster auf und schrie:

„Wenn Du mir tausend harte Thaler auf den Tisch legen kannst,
daß wir Dir die nöthigen Ochsen anschaffen können, dann magst Du
wieder kommen. Eher aber nicht."

Matthias hatte eine scharfe Antwort auf der Zunge, allein er be-
zwang sich, um den Alten nicht zu reizen, und sagte nur:

„Nun, dann komme ich vielleicht bald wieder!"

Der Oberhofbauer lachte höhnisch hinter ihm her; Schön Käthchen
aber weinte in ihrer kleinen Kammer, daß ihr Kissen feucht wurde.

Bei Matthias ans dem Neuhos stand ein Schäfer im Dienst, der für
einen sehr klugen Mann galt. Man hielt ihn für einen Zauberer und
traute ibm zu, er könne das Wetter machen und das Vieh behexen. Zwei-
hundert Jahre früher wäre er sicher als Hexenmeister verbrannt worden.
Im Uebrigen war er ein durchtriebener Schalk.

Als er den Neuhofbauer kommen sah, fragte er ihn um den Grund
seiner Niedergeschlagenheit. Matthias sah ihn erst mißtrauisch an. Der
Schäfer aber meinte, er könne ihm vielleicht helfen. Da theilte ihm
Matthias alles mit.

Der Schäfer kraute sich hinter den Ohren und machte ein nachdenk-
liches Gesicht.

„Der Oberhofbauer", meinte er, „hat freilich einen harten Schädel,
und es wäre gut, wenn man ihn mit diesem Schädel einmal an die
Wand rennen ließe. Vielleicht würde er vernünftig."

Matthias seufzte.

„Nun," fuhr der Schäfer fort, „er ist geizig und abergläubisch. Ich
Hab' eine Idee."

Matthias' Augen leuchteten ans. „Du hast eine Idee? Ach, wenn
sie bewirken könnte, daß Käthchen meine Frau würde, ich wollte Dir es
lohnen."

Sie sprachen leise miteinander und Matthias sah bald darauf viel
vergnügter aus.

Am anderen Tag erschien er mit zuversichtlicher Miene auf dem Ober-
hof. Käthchen kam ihm unter der Thür ängstlich entgegen.

„Geh lieber nicht hinein", warnte sie, „der Alte wird wüthend."

„Sei ganz unbesorgt", meinte er lachend, „er wird sich auch wieder
besänftigen lassen." Damit faßte er sie um die Taille und gab ihr einen
schallenden Kuß.

„Hoho!" rief der Oberhofbauer aus dem Fenster, „will der Musjöh
 
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