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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 5.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.9076#0069
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d

Die Töpfer von Bnnzlau.

In Bunzlau wurde einst beschlossen:
Wir wollen nicht vereinzelt sein;
Es gründen alle Fachgenossen
Der Töpfer einen Fachverein.

Da ist die Polizei gekommen
Und hat mit väterlicher Huld
Des Fachvereins sich angenommen
In Liebe, Langmuth und Geduld.

Um ihn nach Thunlichkeit zu heben,
Hat sie, bei der die Weisheit ruht,
Die große Mühe sich gegeben,

Ihm zu verleihen ein Statut,

Und wenn Bewund'rung ohne Schranken
Nicht einem Jeden ein es flößt,

Wird polizeilich ohne Zanken
Das Fachvereinchen aufgelöst.

Der Vorstand, der — genug des Guten! —
Nur Präses und Kassirer zählt,

Wird nach sothanen Prachtstatuten
Vom Chef der Polizei gewählt.
Der Vorsitz hat, wie in den meisten
Vereinen, Ehrenamt zu sein;

Kaution muß der Kassirer leisten —
Besolden darf ihn der Verein.

Das Recht, den Beitrag zu bestimmen,
Bleibt diesem Fachverein gewahrt,

Doch zeigt er auch in diesem schlimmen
Und zarten Punkt die Eigenart.
Den Beitrag so herabzudrücken,

Als zu erhöhen steht ihm frei —

Hat er dazu in allen Stücken
Genehmigung der Polizei.

Kommt jemals es zum Streite zwischen
Den Meistern nnd dem Fachvereiii,

So hat das Recht, sich einzumischen,
Die hohe Polizei allein.

450

Wenn mit erbittertem Gemüthe
Man etwa gar von Streiken spricht,
So übernimmt voll Vatergüte
Die Polizei das Schiedsgericht.

Doch selten ist des Dankes Blüthe
Gerade da, wo Dank gebührt;
Es blieben selbst von dieser Güte
Die biedern Töpfer ungerührt.
Verderbt und böse ist ihr Wille,
Der sich an jede Schranke stößt;
Sie haben sich in aller Stille,
Der Güte spottend, aufgelöst.

Hobelspähne.

In Europa ist der gesammte Bau
Fest wieder gekittet und paßt genau;
Der Philister ist froh, daß die Regierung für

ihn denkt

Und die Polizei gar weise Alles lenkt.

5 4-

-i-

Bummler sind alle diejenigen, welche den
Prinzipien der sogen. Neuzeit huldigen, — alle,
welche meinen, daß irgend etwas faul sei im
Staate und die nicht mit dem, was eben da ist,
vollständig zufrieden sind.

-s-

Seinem Schicksal ist noch keiner entgangen,
Ersaufen thut keiner, der soll werden gehangen.

-I- »

5

Das Volk ist derjenige Theil der Bewohner
Deutschlands, der Steuern zahlt.

-i- 4-

Nacht-Gevögel uud Eulen, sie folgen dem alten

Instinkte,

Alles ist ihnen verhaßt, was nicht dem Dunkel

entstammt.

5

Jenes Passive, seligmachende Denken, anch
! Unterthauenverstand genannt, ist ganz allein ge-
eignet, Alles das für Recht zu erkennen, was die
„Kreuzzeitung" in ihren Leitartikeln so zartsinnig
auszudrücken pflegt.

Früher war ein Lehrer-Magen in den meisten
Fällen auch ein leerer Magen; jetzt ist Dank der
Opposition ein leerer Magen kein Lehrer-Magen
mehr, dafür dient er aber auch der Reaktion; es
geht eben nichts über die Dankbarkeit.

Zwei Worte nenn' ich euch inhaltsschwer,

Sie gehen von Munde zu Munde;

Doch stammen sie nicht vom Ausland Her,
Nur Deutschland giebt davon Kunde;
In Deutschland hört ihr sie überall —
Es sind die zwei Worte: national-liberal.

5 -«!

5

Was du nicht willst, das man dir thn',
Das füg' auch keinem Sozialdemokraten zu.
Das wünscht Ihr treuer

Säge, Schreiner.

Kein Geld!

Wie die Regierungen in der Welt
Heuer, ach, sind so schlecht bestellt!

Auch der Mahdi hat gar kein Geld,

Daß er demnächst in Trübsinn verfällt!

Das Knustgewerbe auf der Schornstein-
fegerherberge

Hamburger, ich sage Dir, nach Frankfurt mußt
Du kommen, da wird eine feine, saubere Arbeit
geliefert. Der Schornstein muß Dir sein wie
geleckt!

Die schone Wäuberin.

Eine Schauergeschichte aus Ungarn.

. ^ Erzählt von Kans Ituze.

das Auftreten von Räuberbanden ist man in Ungarn ge-
wöhnt; aber seit langer Zeit war die Aufregung nicht so
groß gewesen als damals, da im südlichen Ungarn eine
weibliche Räuberbande auftrat. Sie verbreitete Schrecken
über mehrere Komitate und die Mütter pflegten unartige Kinder mit dem
Namen der Führerin einzuschüchtern. Diese Führerin war ein junges
Mädchen von etwa 22 Jahren. Sie galt für ausnehmend schön, hatte
lockiges schwarzes Haar und tieffchwarze Augen, einen etwas bräunlichen
Taint, eine zierliche Figur und eine elegante Haltung. Die Oberlippe
hatte einen leichten Anflug von einem Schnurrbärtchen, wie man es bei
den spanischen Damen häufig findet. Und aus Spanien oder Italien
stammte die kühne Räuberin; doch floß Zigeunerblut in ihren Adern.
Sie hieß Teresita. Man erzählte sich von ihr die abenteuerlichsten Ge-
schichten. Sie sollte ihren Bräutigam, der ihr die Treue gebrochen, in
den Armen ihrer Nebenbuhlerin erschossen und sich dann in die Wälder
geflüchtet haben; nach anderen Angaben war sie eine Männerfeindin über-
haupt, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das stärkere Geschlecht zu
bestrasen für die Unterdrückung, die es dem schwächeren zu Theil werden
läßt. In der That behandelte Teresita die Damen, die in ihre Hände
geriethen, mit ausgesuchter Höflichkeit, während die Männer oftmals
Schlimmes von ihr zu erdulden hatten. Teresita war äußerst verwegen
und liebte die kecken Abenteuer. So hatte sie einst mit zwei Gensdarmeu,
die auf sie streiften, in einem Gasthaus zu Mittag gespeist. Man unter-
hielt sich natürlich über Teresita und die schöne Unbekannte zeigte eine
so genaue Kenntniß von den Gepflogenheiten der weiblichen Räuberbande,
daß endlich einer der Gensdarmen ganz erstaunt rief:

„Da sind Sie am Ende die Teresita selbst!"

„Das bin ich allerdings", sagte sie lachend; in demselben Augenblick
aber seuerte sie unter dem Tisch zwei Pistolen ans die ihr gegenüber-
sitzenden Herren Gensdarmen ab, stürzte den Tisch um und auf die Bei-
den und war auf und davon, ehe Jemand sich nur recht besinnen konnte.

Nach nnd nach hatte sich eine recht stattliche Bande weiblicher Raub-
genossen um Teresita gesammelt, die durch ihre Wildheit nnd Verwegen-
heit die Männer erschreckten. Die Polizei blieb lange ohnmächtig gegen-
über diesen verzweifelten Amazonen, die vom Volke, wie so häufig der
Fall, unterstützt wurden, weil sie oft der Armen und Bedrängten sich
annahmen. In dieser Beziehung verfolgte Teresita eine sehr kluge Politik,
soweit man von einer solchen reden kann. Es gab auch Männer, denen
das schöne, abenteuerlich auftretende Mädchen den Kopf verdreht hatte.
Sie aber wollte von Keinem etwas wissen. j

Das Volk betrachtete sie mit abergläubischer Scheu, wenn sie mit
ihren Gefährtinnen in romantischem Kostüm erschien. Bald hieß es, sie
müsse ihre Seele dem Teusel verschrieben haben, sonst hätte sie längst
den Patrouillen in die Hände fallen müssen, die auf sie streiften. Aber
sie entkam immer wieder wie durch Zauberei und mancher Gensdarm
wurde von den Kugeln der wilden Amazonen niedergestreckt, deren Räu-
bereien das Land immer in Athem hielten.

Aber auch für Teresita sollte der Tag kommen, da sie ihre Ver-
wegenheit büßen mußte.

Ein junger Gensdarmeriekapitän. der Sohn des Stuhlrichters Ladis-
laus Palffy, hatte einen Schwur gethan, die Amazonen todt oder lebendig
in seine Hände zu bekommen. Es gelang ihm endlich, sie in einer ein-
samen Gegend, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, des Nachts zu
überfallen. Ein mörderischer Kampf entspann sich, der auf beiden Seiten
Wunden und Tod brachte. Die Gensdarmen ließen nicht nach, denn ihnen
waren hohe Belohnungen für die Einbringung der Räuberinnen ver-
sprochen worden; die letzteren aber wußten, daß sie die Gefangenschaft
zum Galgen führen würde und zogen den Tod im Kampfe vor. Das
Gefecht tobte hin und her durch die felsige Schlucht, aus der die Räu'
berinnen nicht mehr entrinnen konnten. Sie wehrten sich mit einer solchen
Wuth, daß den Gensdarmen nichts Anderes übrig blieb, als sie zu
tödten. Schon waren Teresitas Gefährtinnen sämmtlich unter den Kugeln
uud Säbeln der Gensdarmen gefallen und der junge Palffy erhob eben
feinen Revolver um Teresita niederzuschießen — da sah er in ihr junges
und schönes Antlitz, auf das eben ein voller Strahl des Mondes fiel.
Er drückte nicht ab, aber es gelang ihm, der verzweifelt sich wehrenden
Teresita die Waffe aus der Hand zu schlagen und sie gefangen zu nehmen.
Bald knirschte die schöne Räuberin ohnmächtig in ihren Fesseln. Sie
wurde auf einem Wagen zwischen zwei bis an die Zähne bewaffneten
Gensdarmen sitzend zur Hauptstadt des Koinitats geführt. Die Leichen
ihrer Gefährtinnen brachte man wie Trophäen dahin. Teresita wurde
in einen tiefen Kerker geworfen, ohne Aussicht auf Entrinnen. Der
Galgen war ihr sicher.

Aber der junge Palffy hatte manchmal auf dem Transport der
schönen Ränberin tief aufgeseufzt. Die schönen Augen dieses seltsamen
Weibes hatten es ihm angethan. Er war, das niußte er sich eingestehen,
in Teresita verliebt bis über die Ohren. Aber wie sie retten? Sein
Vater war Stuhlrichter und hatte den Prozeß gegen Teresita zu leiten.
Vielleicht — —

Teresita lag auf feuchtem Stroh; der Schlaf floh ihre müden Augeu.
Sie dachte nach über ihre verzweifelte Lage. Aber da gab es keine Aus-
sicht auf Rettung. Diese dicken Kerkermaueru, diese massiven eisernen
Gitter, diese schweren eisenbeschlagenen Pforten mußten allen Fluchtver-
suchen einer Gefangenen widerstehen, die obendrein mit Ketten schwer
beladen war. Da ging leise die Thür auf und herein schlüpfte der junge
 
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