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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 5.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.9076#0122
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Nr. 64.

Preis pro Nummer 1V Pfennig.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.

Berlin. Als neuestes Zugmittel für die Erhöhung des Mintär-
Etats dient die Artillerie-Bespannung. Mit derselben hofft man
auch die Steuerschraube noch mehr anzuspannen.

— Als man bei der Etatsberathung im Reichstage dem Reichsschatz-
amt auf den Malt zahn fühlte, ergab sich ein kleines Defizit von
13> 2 Millionen Mark.

Tachsen. In Schnüffelwitz ist die Kunde von einem Garten laut
geworden, in welchem jedes Jahr rothe Nelken wachsen. Man be- j
fürchtet den Belagerungszustand für den betreffenden Bezirk.

Im Tanlkrcise wurde das Verabreichen von Almosen an nicht-

ortsangehörige Arme verboten und mit S Mark Strafe belegt. Als
Konsequenz dieser Maßregel erwartet man die Konfiskation der Bibel,
in welcher an vielen Stellen ganz unverblümt zum Almosengeben, also
zu einer verbotenen Handlung, ausgefordert wird.

Paris. Bonlanger hat sich von seiner Frau getrennt, um als
künftiger Souverän eine Fürstin zu heirathen. Er soll ein Auge aus
die Königin von Serbien geworfen haben.

London. Die englische Armee hat so lange keine Niederlagen mehr
erlitten, daß man in maßgebenden Kreisen eine baldige militärische
Erpedition im Sudan für dringend nöthig hält.

Weihnacht 1888.

hr sagt Vvn uns, wir seien abgestorben
Im Lebenskampf den: kindlichen Gefühl;
Wir feien Richter, forschend» streng und kühl,
Und für der Andacht Zauber längst verdorben.
Wie ihr's versteht» so lasten wir es gelten,
In tief'rem Sinne aber gilt es nicht —
Wir pflegen nur in and'rem, hell'rem Licht
Zu feh'n die „bestgestaltete der Welten".

Wir, die wir nicht im kalten Golde wühlen,
Das ihr zum MaWab der Gestttuug macht,
Ihr könnt uns glauben, daß in dieser Nacht
Tiefer als ihr und inniger wir fühlen.

Ihr könnt uns glauben, dasz der Andacht Walten
Hinab zur Brust das Haupt geliud uus neigt,
Datz es uns Heist und feucht iu's Auge steigt
Und datz die Hand vor das Gesicht wir halteu.

Ein Fest der Kindheit wollt ihr doch begehen,
Das euch zugleich an gold'ne Tage mahnt;
Glaubt ihr, datz näher als ihr denkt und ahnt
Dem Elternherzen uus're Kinder stehen?
Ihr werdet tiefer unser Lieben finden.

Als selbst das eure, weuu ihr es begreift:
Im Kuh, der uuf'rer Kinder Lippen streift,
Liegt ja ein bitter-fchmerzliches Empfinden.

Ihr könnt nicht wissen, was, heraufbeschworen
Ans tiefster Brust, iu uus sich mächtig regt,
Wenn uns an's Herz die junge Mutter legt
Das Kiud, das sie in Schmerzen uns geboren.
Ihr könut nicht Wilsen, wie es uns durchschauert,
Weuu uuser Kiud die ersten Worte lallt,

Wenn es zuerst die kleiueu Fäustchen ballt,
Und wie die Seele unwillkürlich trauert.

Wir liebeu sie, die Kleiueu dort im Wagen,

Nicht wie ein Spielzeug, äfsisch uicht und blind,
Nein, weil sie Opfer eiuer Ordnung siud,

Au der wir uus die Schulteru wuud getrageu.
Wir liebeu sie. wir möchten sie beschenken
Mit Kinderglück und jeder Kinderlust —

Zieht doch der Grau: auf innner in die Brust,
Weuu sie die Welt erfafzt mit ihrem Denken.

Wir lieben doppelt sie, weil sie erlesen
Zu Erben sind und Trägern der Idee,

Die unser Steril in Bitterkeit und Weh,
Die Ulster Trost uud uuser Stolz gewesen.
Wir lieben doppelt sie, denn künftig trageil
Das reine Banner sie in Leid und Noth,
Das vou der Arbeit erstem Aufgebot
Glorreich eutfaltet ward iu uuseru Tageu.

Das wird euch wieder überschwänglich scheinen,
Wie jedes Fühlen, das ihr nicht begreift,

Doch stehen wir, wenn uus're Lippe streift
Der Kleinen Stirn mit unterdrücktem Weinen,
Dem Weltgeheimnitz, das wir Liebe nennen,
Um Vieles näher als das Bürgerthnm,

Das, wie es fagt, des Volkes Kern und Ruhm,
Mag hundertkerzig auch fein Christbaum brennen.
 
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