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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 5.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.9076#0123
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SV«

Deutscher Reichstag.

Militär-Etat.

Am Tische des Bundesraths der Kriegsminister, um auf etwaige Inter-
pellationen zu antworten und Auskunft zu ertheilen.

Abg. Baumbach: Ich möchte den Herrn Kriegsminister fragen, wie es
mit der Unterstützung der Familien einberufener Landwehrleute und Reser-
visten steht?

Kriegsminister: Weiß nicht. Gehören nicht zu meinem Ressort.

Abg. Rickert: Ich iuterpellire über die politische Thätigkeit der Krieger-
vereine bei Wahlen.

Kriegsminister: Ich habe mit den Kriegervereinen gar nichts zu thuu,
sie gehören nicht zu meinem Ressort.

Sächsischer Bevollmächtigter: Mein Name ist von Schlieben und
ich weiß von den Kriegervereinen ebenfalls nichts.

Abg. Rickert: Ich wollte nur anführen, daß der Premierlieutenant
Horka in Uniform die Kriegervereinler beeinflußte.

Kriegsminister: Was den Fall Horka betrifft, so beachte ich anonyme
Beschwerden grundsätzlich nicht und bemerke den Herren Abgeordneten, daß
ich sie in den Papierkorb werfe.

Abg. Rickert: Ich erlaube mir die ergebene Mittheilung, daß ich, so
viel ich mich erinnern kann, in den Reichstag, aber nicht in den Papierkorb
des Kriegsministeriums gewählt bin.

Abg. Richter: Ich möchte blos fragen, wie es mit der Vermehrung
der Artillerie steht, welche in der offiziösen „Kölnischen Zeitung" ange-
kündigt wird?

Kriegsminister: Die „KölnischeZeitung" gehört nicht in mein Ressort.

Abg. Bebel: Ich verlange Auskunft, warum man den Landesverräther
Ehrenberg laufen ließ, welcher u. A. Festungspläne an Frankreich verrieth?

Kriegsminister: Dieser Ehrenberg war meines Wissens ein ganz
harmloser Mensch und für feindliche Festungspläne würde ich keinen Silber-
groschen mehr geben, seit die Markwährung eingeführt ist.

Abg. Bebel: Ich frage blos, warum ihn das Kriegsgericht nicht ver-
haftete, nachdem Geffcken —

Vizepräsident Buhl: Geffcken gehört nicht zur Sache.

Kriegsminister: Und das Militärgericht nicht in mein Ressort.

(Die Debatte wird geschlossen.)

Ahrenberg.

Mit 'nem hübschen Räthsel hat
Lr die Welt beglückt:

War er wirklich ein Lpion
Vder nur verrückt?

Dieses Aäthsels Lösung ist
Uns nicht allzu schwer:

Beides war er wohl zugleich
Und noch etwas mehr!

Hobelspähne.

Mit Recht wird der preußische Militaris-
mus als der eigentliche Schöpfer des Deutschen
Reiches bezeichnet. Er hört noch immer nicht
auf, aus der Steuerkraft des deutschen Volkes zu
schöpfen.

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Das Mißtrauen gegen die Kolonial-
politik ist vielleicht doch unberechtigt. Es kann
ja der ostafrikanischen Gesellschaft unmöglich ge-
lingen, die Deutschen im Aeqnatorgebiete auf's
Eis zu führen.

Auch ich war in Arkadien geboren,

Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freuden zugeschworen,

Doch Steuerzettel gab der Lenz mir nur.

Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder,

Und einmal blüht das Glück,

Der Steuerbote aber, treu und bieder,

Kommt stets mit höh'rer Forderung zurück.

Weihnachten ist doch ein unbezahlbar schönes Fest, denkt mancher Fabri-
kant, und zieht den Arbeckern die Weihnachtsfeiertage vom Lohne ab.

45 45

45

Der Denunziant Fürst in München bekam l'/z Jahre Zuchthaus.
Möchten alle Denunzianten so fürstlich belohnt werden!

Es kommen die Tannenbäume

Im Städtchen zu Besuch.

Sie füllen die engen Räume
Mit würzigem Waldgeruch.

Und Lichter, Vieltausend, funkeln

In ihren Zweigen, — da spricht
Der Stöcker mit Grollen im Dunkeln:

Ich bin doch das größte Licht!

Daß hinter den Bergen auch Leute wohnen, ist bekannt, doch wer die
Leute sind, die hinter einem gewissen Eh r enb er ge stecken, wird immer ein
Geheimniß bleiben. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Dementirte Todesnachricht.

A.: Ist es wahr, daß der an Rückgratsverkrümmung erkrankte Redakteur
der „Politischen Loyalitätspost" seinen Geist aufgegeben hat?

B.: Unmöglich; wie kann Der seinen Geist aufgeben! Ein Schelm
giebt mehr, als er hat.

Berlin, Mitte Dezember 1888.

Mein lieber Jacob!

MHls wir uus det letzte Mal hier in uufe fcheene Reichshauptstadt trafen,
fordertest Du mir uff, mal hin und Widder wat von uns Heeren zu
lassen, wie et uns jeht, wat wir machen, wat iberhaupt hier los.

Ick habe uu proppere Verbindungen; in unsere Stammkneipe kommt
nehmlich Eener, den seine Mutter ihr Kousiu war srieher Portier beim ^
Reichsdag, uu der is uatierlich in alle Fragen mächtig beschlagen; ick sage
Dir, den kannste fragen, wonach de willst, der bleibt Dir nischt schuldig.
Neilich sitzen wir also an uuseu Stammtisch, denken an jarnischt Beeses nn unter-
halten uns über det Jeschäst mit de Weihnachtsbeeme. Det dauert ja uatierlich
ooch nicht so lange, nn wir sind mitten drin in de Etatsberathungen uu int j
Portmonneh vont deitsche Reich. Da hättste die Brieder mal quasseln Heeren ^
sollen, ick kann Dir sagen, de reene Makulatur. Allens Blech, blos der
friehere Portiersneffe, der wußte Bescheid.

„Mächtig", Meente der, „haben se Draht in de Reichshauptkasse, se wissen
ja nich, wo se mit det Moos hinsollen, nn se haben schon öfter Soldaten
kommandirt, — det is nehmlich billijer — die mußten die Zwanzigmärker
nmschippen, sonst hätten se anjesangen zu schimmeln."

Det Ueberflnß an baaret Jeld kam mir riesig unterkeethig vor, uu et hat
immer 'u Jrund, wenn der Bauer eeu Huhn eßt, entweder is der Bauer
krauk oder det Huhu. Uu so is et ooch hier. Det baare Jeld bedeitet noch
lange keenen Reichthum, uu wenn De mal Eenen mächtig mit 'n paar
Paradedahlern in de Tasche klimpern heerst, brauchste nich etwa zu jlooben,
det der et so dicke hat.

Du weeßt doch, lieber Jacob, wat wir hier so eenen Sechsdreierrentier
nennen. Solange so'n Knopp seine Staatspapiere in de Kommode einje-
schlossen hat nn Mutter hat den Schüssel, da kann er natierlich 'n Bramsigen
machen un andere Leite uff de Mitze spucken. Ville Jeld hat er ja nich
iebrig, er kann sich seine Weiße leisten un seine Strippe, er kann seinen
Ziehjahn roochen, aber damit hat et denn ooch jeschnappt. Sechste, wenn
so'n Männeken seine Papiere versilbert, denn hat er natierlich baaret Jeld
un kann sich uff de Tasche kloppen, aber denke man janich, det ihm denn
besonders scheen zu Muthe is. So is et — denk ick mir wenigstens in

meinen dummen Verstand — mit unsere Reichsfinanzen ooch. Oben plantschen
se jetzt barbarisch int Jeld, aber, wie jesagt, baaret Jeld is noch lange keen
Reichthum.

In de letzten zehn Jahre haben se sich so ziemlich eene Millarde Läpper-
schulden zujelegt. Vor den ersten Bedarf jeniegt ja det Simmken; un Steiern
haben se injesiehrt, na, da wirst Du ja ooch eeu Liedken von singen kennen.
Korn, Schnaps, Tobak — man kann schon beinah janischt mehr in de Hand
nehmen, wo nich Steier dran klebt. Ick jloobe, det int Finanzministerjum
verschiedene Brieder sitzen, die weiter nischt zu duhu haben, als det se fimme-
lieren, wo se nu noch 'ne neie Steier ruff packen kennten. Wir kennen ja
de Sache ruhig mitansehen, aber ick kann Dir blos sagen: „Der schlimmste
Pleitejänger ist der, der nich insehen will, det er Pleite is".

Wat sagste denn nu zu unser „Bisken Ostafrika?" Feine Familje, die
Jesellschast, wat? So zehn Millionekens pumpen, damit de Schwarzen
Christen werden, uu damit se sich nach christliche Jrnndsätze den Soff anje-
wehnen. Natierlich muß de Sklaverei uffhöreu, davor bin ick ooch; denn
jerade rieber von mir is 'ne Maschinenfabrik, uu wenn ick da Middags un
Abends de schwarzen Sklaven rauskommen sehe, denn kann ick wirklich nich
bejreisen, warum de Engländer und nnse Marine jerade Ostafrika blockiren.
De Engländer kennten ruhig zu Hause bleiben, da hätten se jewiß jenug zu
duhu, uu über unsere Kolonialsatzkes will ick überhaupt keen Wort verlieren.

Doch det blos nebenbei. Vor 'n paar Dage hatten wir hier 'ne Ver-
sammlung, wo Singer über de Altersversorgung mal 'ne kräftige Lippe ris-
kierte. Wat meenste woll, wie sich de Stöcker'schen un de Freisinnigen fuchsen.
Uff de Straße vor de Tonhalle in de Friedrichstraße standen so ville Menschen,
die nich mehr rinkonnten, det de Stöcker'schen un de Freisinnigen zusammen
janz jut zwanzig „ansjezeichnet besuchte" Versammlungen draus hätten machen
kennen, natierlich wenn det anjesammelte Publikum sich wat draus jemacht
hätte, Stöckern oder den „jroßen Eugen" zu Heeren. Un als unsere Jungens
nachher mit Jesang de Friedrichstraße un Leipzigerstraße lang zogen, da kann

ick Dir blos sagen, da lag mächtig wat in die Luft von und

derjleichen, womit ick vor heute schließen will, indem ick verbleibe
ergebenst un mit ville Jrieße Dein treier

Jotthilf Naucke
An Jörlitzer Bahnhof jleich links.
 
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