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1094

• ••***§« Liuet Gegner. •&**■■■

ls Bismarck einst gegangen worden war.

Beruhigte sich rasch das Volk der Denker,

Denn auf der Stelle bot ein andrer Lenker
Bich für des Staats verfahr'nen Karren dar.

Am alten Platze stand ein neuer Mann;

Daß überhaupt ein Wechsel vorgekommen,
tzat eigentlich die Welt nur wahrgenommen,
weil laut zu schimpfen Vtto nun begann.

Vorhanden ist der Ehrgeiz ja bestimmt —
Giebt es nicht Lchalfcha, Ballestrem und Hüne?
wo aber ist, wo meldet sich der Kühne,

Der selbstbewußt die Führung übernimmt?
Der Ehrgeiz huldigt durch die dunkle Scheu
Vor diesem Amte unbewußt dem Codten,

Der über Feinheit und Geschick geboten
And selbstlos war und stets sich selber treu.

Zein kleiner Gegner war aus andrem Bolz,
Die schlaue, feine Exzellenz aus Neppen,

Der Nann des Kampfes wie der Hintertreppen,
Des Zentrums Edelstein, sein Hort und Stolz.
Als ihm der Tod die Lippen schloß zuletzt
Und ab ihn rief aus allem Zwist des Lebens,
Da suchte einen Führer man vergebens
And heute noch ist windthorst nicht ersetzt.

Er war ein Dunkelmann und eine Kluft
Gähnt zwischen uns und ihm und seinen Schaaren;
wir haben Beistand nie von ihm erfahren
Und stehen klagelos an seiner Gruft.

Nan fordre nicht, daß für ein Ehrenmal
Für ihn das Volk ersparte Groschen spende.

Doch zwischen seinem oder Bismarck's Ende

Ist, wie wir meinen, kinderleicht die Wahl. r. l.

So glatt ging Alles ab, so elegant,

Nan könnte sagen fast „in aller Stille";
Rur etliche polit'sche Krokodile
vergossen große Thränen in den Sand.
Nan sah, LR hatte keinen Binterhalt,
Als ein paar Federfuchser auserlesen;
Nan sah, wie überflüssig doch gewesen,
DLR lange Zeit für unersetzlich galt.

Berlin, so jejeu Mitte September.

Lieber Jacob!

Wenn De etwa denkst, bet ick Dir heite bitte erzählen soll, denn bist
De schief jewickelt. Mir liegt nämlich wat in de Knochen. Merkste wat?
Verstell Dir blos nich, Du verstehst janz jut, wo mir der Schuh druckt, ick
meene nämlich det neie Trunkenboldsjesetz.

Ick kann Dir blos sagen, lieber Jacob, mau kann so alt werden wie

'ne olle Kuh, aber alle Dage lernste noch wat zu. So sagen nämlich de

Dichter, un die missen et ja verstehen. Wie sich de Zeiten ändern, det \§<
wirklich schrecklich. Früher bestand det janze Jesetz vor alle trinkbaren
Jeister blos aus eenen eenzijen Parajraphen, un det janze Jesetz konnte ooch
der jreeßte Dämelsack ohne zroßeu jeistijen Uffwand behalten, denn die ersten
zehn Parajraphen von det Jesetz fehlten ieberhaupt un nach den Parajraph
Elf da jaü et weiter keene mehr. Na, un den Parajraph Elf, den kannte
doch jedet Kind, wat mit de Kimmelpulle uffjepäppelt war. Nach den
Parajraph Elf da wurde immer ejal weiterjedrunken, un hatte denn nial
Eener wirklich eenen Klcenen unter de Haare, na, denn war et ooch nich
schlimm, denn schob er sachte zu Hause, un keene Obrigkeit hatte sich weiter

um den Affen zu kimmern. Aber det is nu Alles vorbei. Jetzt muß man

sich nu schon durch een janzet Jesetzbuch voll Parajraphen durchdrinkcn, wenn
man alle Vorschriften jeniejen will, un de Beheerden uu jeder Dorfschulze
kann sich in de Jetränke von den Staatsbirjer mischen. Haste Worte dafor?
Ick ooch nich. Wie ick den neien Jesetzentwurf zuerst in de Finger kriegte,
un ick hatte det Ding mit Hilfe von meine Brille un meine jeschätzten

Jeisteskräfte durchstudirt, da war mir zu Muthe, als hätte ick schon so wie
so anderthalb Achtel injn Leibe, wo ick mir doch bei de Lektiere keenen
eenzijen Droppen bezähmt hatte. Zuerst hatte ick den Plan jesaßt, ick wollte
de 'Heilsarmee beitreten, indem man da ieberhaupt nischt drinken derf —
aber ick kenne mir leider bitte zu jut, ick wäre ja doch bald als unverbesser-
licher Söffet aus den Heilssoldatenstand rausjeschmissen worden, un da wollte
ick denn die Leite unnitze Miehe sparen. Ick lehne mir, wie De vielleicht
weeßt, nich ferne jejen de jesetzjebenden Jewalten uff, ick wollte mir also
bessern, un weil ick frieher unheimlich drank, da habe ick nu beschlossen, blos
noch heimlich zu drinken, indem ick nich will, det bei jeden Wuppdich, den
ick mir hinter de Binde jieße, jleich een Schutzmann dabei steht un mir de
Schlucke in'n Hals rinzählt. Unter sonne Uinstände heert ja ieberhaupt de
Jemiethlichkeit uff, un ick werde bei die Jeschichte immer an det olle Ding
erinnert, wat mir mal Eener, der lange in Bayern jereist war, erzählt hat.

Sechste, in Bayern hieß frieher, det is aber lange her, der Keenig „Max."
Ratierlich hatten de Gensdarmen uu de sonstije Obrigkeit immer een M an
de Mitze un an de Raupenhelme. Un weil se nu in Bayern immer aus
Maßkrieje drinken, jloobten nu de Jebildeten, det det M vor den Kopp 'ne
„Maß" zu bedeiten hatte. Später da hieß der Keenig „Ludwig," un da
kriegten nu de Amtspersonen alle een L vor den Kopp, un weil zu der Zeit
ooch jleich det neie Litermaß injefiehrt wurde, da fingen de Bayern an zu
schimpen un fanden et nich scheen, det se nu Alle een Liter vor'n Kopp
jeschrieben kriegten. Die Jeschichte is wahr, un wenn De se mir nich jloobst,
denn liefe ick Dir ieberhaupt nischt mehr vor, un außerdem kann ick Dir

Der Geheime Kommerzienrath.

err Hartwig in Neudorf ist der Eigenthümer einer großen Fabrik
rfvmj ^ J und man schätzt sein Vermögen auf mehrere Millionen. Seine
Schmeichler sagen, er habe dies Vermögen durch Umsicht, Fleiß
unt) Sparsamkeit erworben. Die älteren Arbeiter der Fabrik
aber erinnern sich wohl noch einer Zeit, da in der Fabrik gegen kärglichen
Lohn die Leute sich halbtodt arbeiten mußten und eine äußerst strenge Be-
handlung eingeführt war. Damals wurde der Grund zu Herrn Hartwig's
Reichthum gelegt.

In neuerer Zeit waren die Löhne besser und die Behandlung war milder.
Das kam nicht von ungefähr und wir wollen erzählen, wie es kam.

Herr Hartwig wäre damals gar zu gerne Geheimer Kommerzienrath
geworden, denn er hatte sich ein großes Selbstgefühl zugelegt und die Zeitungen
Priesen ihn als einen Wohlthäter des Landes. Hie und da wagte vielleicht
ein Redner in einer Arbeiterversammlung einmal zu sagen, der „Entbehrungs-
lohn," den Herr Hartwig alljährlich einstrich, sei ein sehr hoher und die
Arbeiter hätten auch am Sonntag kein Fleisch auf dem Tisch. Solch
unbequeme Redner aber wurden gewöhnlich rasch unschädlich gemacht, denn
Herr Hartwig war in Neudorf allmächtig und wen er verfolgte, der bekam
am Orte keine Arbeit mehr. So wurden denn seine Verdienste um die
Industrie immer und immer wieder gerühmt, bis endlich der Hof auf den
Mann aufmerksam wurde; es kam ein Kammerherr nach Neudorf, um das
Etablissement in Augenschein zu nehmen.

Die Arbeiter mußten ihren Sonntagsstaat anlegeu, soweit sie solchen
hatten, und der Kammerherr war natürlich entzückt von der Fabrik. Nach
der Besichtigung gab Herr Hartwig dem Hofmann ein glänzendes Frühstück.

Der Kammerherr trank aus das Wohl des Fabrikherrn, der sich um die
Industrie verdient mache und vielen hundert Leuten Verdienst und Brot
gebe. Der König, meinte er, werde sich das Etablissement wohl noch selber
ansehen und dann werde auch die Anerkennung nicht fehlen für Alles, was
der Herr Unternehmer für das Land gethan.

Herr Hartwig war begeistert; er sah sich schon mit einem Orden und
mit dem Titel „Geheimer Kommerzienrath" beehrt.

„Sie stehen gut mit Ihren Arbeitern?" frug der Kammerherr.

„Wie ein Vater mit seinen Kindern!" antwortete Hartwig; er log sich

selbst soweit in die Arbeiterfreundlichkeit hinein, daß er schließlich den schäu-
menden Champagnerkelch erhob und ausrief: „Ich trinke auf das Wohl
meiner Arbeiter!"

„Sie sind ein seltener Mann!" sagte der Kammerherr. „Das wird die
Liebe und die Verehrung Ihrer Arbeiter stärken!"

Die Arbeiter in Hartwig's Fabrik lächelten trübe, als sie dann hörten,
daß aus ihr Wohl getrunken worden sei. „Hätte man uns lieber eine Zu-
lage gemacht und uns ftatt- elf Stunden nur zehn arbeiten lassen," seufzten sie.

Aber es gab einige thatkräftige Leute unter dieser niedergedrückten Arbeiter-
bevölkerung. Diese veranstalteten eine Versammlung und es wurde beschlossen,
eine Deputation an den Fabrikherrn zu senden und um zwanzig Prozent
Lohnerhöhung, sowie um eine Verkürzung der Arbeitszeit zu ersuchen.

Herr Hartwig empfing die Deputation mit finsterer, unheilverkünden-
der Miene.

„Was wollt Ihr?" herrschte er die Leute an.

Der Sprecher, ein bescheidener aber energischer junger Arbeiter, erwiderte
ruhig:

„Wir können mit dem Wochenverdienst nicht auskommen. Wir bitten
um eine Lohnerhöhung von zwanzig Prozent und die Arbeitszeit — -"

„Ist auch zu lang," sagte der Fabrikant höhnisch. „Natürlich, Ihr
möchtet mehr im Wirthshause sitzen oder Euch auf dem Tanzboden tummeln,
dazu braucht Ihr mehr Zeit und mehr Geld!"

„Herr Hartwig," sagte der Sprecher, „wir sind keine Schwelger. Nur
die äußerste Noth — —"

„Schweigen Sie!" rief nun Hartwig wüthend.

Noch einmal wagte der Sprecher das Wort zu nehmen.

„Sie haben auf unser Wohl getrunken," sprach er, „allein damit ist
noch nichts für uns gethan. Wenn Sie ein Arbeiterfreund sind, so werden
Sie unsere Forderungen, die doch nicht weit gehen, gewähren."

Das schlug aber dem Faß den Boden aus.

„Wollen Sie mich verhöhnen?" schrie der Fabrikant wüthend. „Jetzt
geht an die Arbeit und laßt's Euch nicht gelüsten, mir nochmals so unver-
schämte Forderungen zu stellen. Das nächste Mal werden die Rädelsführer

entlassen und wer muckst, der fliegt ihnen nach. Verstanden?!"

* *

*

Einige Wochen später machte die Neuigkeit durch Neudorf die Runde,
daß der König die Hartwig sche Fabrik besichtigen wolle. Am Vorabend
 
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