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det fertig friejen, missen dann noch obendrein Pleite machen. Ick sage
^~lt^ Jacob, et wird endlich Zeit, bet wir beede uns vor de Bankiers un
Kommerzienräthe un ähnliche Staatssäulen mehr in't Zeich lesen, denn wenn
Dner mit bet Privateigenthum uffreimt, denn sind Die et. Heiliger Brim-
"vnus, wat kann so'n Kerl verdragen, da sind wir doch de reenen unjeborenen
Zwillinge jejen. Un seh mal, Jacob, die beeden Sommerfeld's, die schießen
N noch in'n letzten Oogenblick wat vor, also hätten se doch eigentlich jarnich
zu machen brauchen.

Aber am meisten bei sonne Jeschichte sind immer de Hinterbliebenen
»u bedauern. Die Frau von den eenen Sommerfeldt die kriegt von ihren
.Er, der ooch so'n Hungerleider is, de Zinsen von sechs Millionen, un
Dt nach Dresden, wo se bei det kimmerliche Auskommen ihre Witwen-
chast verbringen kann. Un Kommerzienrath Wolfs hat vor seine Kommcrzien-
.athin drei Millionen Mark ufs de hohe Kante jelegt, so det ick mir eijentlich
Ichon veranlaßt fiehlte, vor de armen Weiber eene Kollekte zu veranstalten,
-^enn vor die muß jesammelt werden oder et jiebt keene Jerechtigkeit mehr
Usi Erden, womit ick verbleibe erjebenst un mit vielle Jrieße Dein treier

Jotthilf Naucke.

An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Warum? '5K5V’

I^errlich ist's in deutschen Landen,
Dieses kann man nicht bezweifeln;
Unsre Philosophen schlagen
Wacker sich mit allen Teufeln!

Unsre Professoren schreiben
Eisern-fleißig dicke Bände
Ueber dieser Welt Entstehung
Und wann kommt das Welten-Ende.

Ja, es ist ein Hauptvergnügen,

In solch großer Zeit zu leben,

Wo die Wissenschaften glänzen
Und die großen Geister schweben.

Herrlich ist's allwärts, das werd' ich
Jeden Tag von Neuem inne;

Doch bei alledem, da will mir
Eines niemals aus dem Sinne:

Ach, wie kommt's in solchen Zeiten
Und bei so viel großen Seelen,

Daß da auf dem Feld so viele
Menschen sich Kartoffeln stehlen? -

***/?> Ans dem Vereinsleben.

Frau Müller: Mein Mann kommt aber auch von jedem Vergnügen
t»>t einem Rausche heim!

F-rau Meyer (seufzend,: Meiner auch; die Männer lieben eben die
rauschenden Vergnügungen.

Trost.

Arbeiter: Was? Mit einer Mark Tagelohn soll ich reichen?
Kleinmeister: Ra, die Tage sind ja jetzt nicht lang.

Ein tapferer Streik-Gegner.

Buchdrucker-Prinzipal: Ich gebe nicht nach, und wenn die Ge-
hilfen hundert Jahre streiken!

Schustermeister: Wie viele Gehilfen beschäftigten Sie denn ge-
wöhnlich?

Buchdrucker-Prinzipal: Ich beschäftige sieben Lehrlinge.

>3 Hobels;,ahne.

Sparen soll der Arbeitsmann.

Bier und Tabak soll er missen,

Soll mit dem geringsten Lohn
Weise hauszuhalten wissen.

Sparen, sparen, sparen nur
Räth man ihm an allen Enden —

' Seine Arbeitskraft allein
Soll er rücksichtslos verschwenden.

* *

*

Man kann es nicht leugnen, daß wir weit-
icken de Staatsmänner haben. Denn sie sehen
>ar nicht den deutschen, wohl aber den russischen
Rothstand. * - *

*

Es ist eilt großer Jrrthum, wenn man glaubt, durch die Gründung
des Deutschen Reiches sei Preußen die ausschlaggebende Macht geworden.
Viel mächtiger sind die Sachsen, denn diese stecken, wie der Prozeß gegen
den Reichstagsabgeordneten Schmidt in Chemnitz beweist, das deutsche
Parlament sammt der Reichsverfassung in die Tasche.

* *

*

Der Wolfs ist futsch! o große Roth!

Kein Jammern kann mehr nützen.

Verloren haben ihr Kapital
Manche mächtige Staatesstützen!

Ach, hätten sie jetzt den Bismarck noch,

Der würde sich nicht geniren:

Tief griffe er in den 'Reptilienfond,

Den Schaden zu repariren.

* *

*

Kaum hat man geschrien: „Fort mit den Zuhältern!" Da machen
die Bankiers Streiche, die den Ruf erwecken: „Fort mit den Bankiers!"
Aber wohin mit dieser Kategorie, welche übrigens die heutige Gesellschaft
doch nicht entbehren kann? Da schlage ich folgenden Ausweg vor: Die
Zuhälter mögen Bankiers und die Bankiers Zuhälter werden,
dann ist Beiden und zugleich der Bourgeois-Gesellschaft geholfen.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Der absolute Herrscher.

P*)CX russische Zar herrscht unbeschränkt
In den weiten russischen Landen,

Und wer es nicht glaubet ward ausgehenkl,
sobald ihn dir Häscher nur fanden.

Der russische Zar nicht gern xasstrt
Dir russischen Eisenbahnen,

Er zittert, dah er das Leben verliert
Durch seine Untrrthanr».

Den rusüLhen Zar jede Stunde bedrängt
Die Sng'Ds die schreckensbleiche,

I>» Uebrige» herrscht er ganz unbeschränkt
In, weiten russischen Reiche.

Wirksame Vobzeimatzregel».

lau kann es nicht leugnen, die Polizei geht
* jetzt in allen Weltstädten dem Zuhälterthum
u^nz energisch zu Leibe und benutzt, um es gründ-
,ch auszurotten, ihre schärsstc Waffe, die Landes -
Erweisung.

Da hatte z. B. in Paris die schöne aber leicht-
I lnige Mariette einen guten Freund, den John,
.- } "icht gern arbeitete und hinsichtlich der Quellen
-"'Es Lebensunterhaltes gar nicht wählerisch war.

sich

ein geborener Engländer aus London, hatte
t Paris häuslich eingerichtet und glaubte, es
^>ne ihut gar nicht fehlen; da hatte er aber^scine

ohne den Polizeipräsckten des Seme
Epartements gemacht. Dieser Präsekt ging plötz
"ch Mit rücksichtsloser Strenge gegen das Zuhälter

thum vor; John wurde aufgegriffen, seine Natio-
nalität wurde sestgestellt und ohne von der holden
Mariette Abschied nehmen zu können, mußte er
Frankreichs Boden für immer verlassen.

John gelangte somit per Schub nach seiner
Heimat und flankte nun in den Straßen Londons
umher. Dort traf er die blonde Mary, seine
Jugendfreundin, welche früher eine Näherin ge-
wesen war. Bei all ihrem Fleiß gelang es ihr
nicht, sich 2000 Mark ü la Eugen Richter zu er-
sparen, Mary mußte, trotz „glänzender Bezahlung",
bei der Arbeit hungern, und so fand John in ihr
eine Gefährtin, die nach seinem Geschmack war.
Mary ihrerseits brauchte einen Beschützer, denn ihr
Geliebter, der tapfere Hans, war vor wenigen
Tagen ausgewiesen worden. Die englische Polizei
ging nämlich genau so energisch gegen die Zuhälter
vor, wie der Präfekt von Paris. Sie erkannte in
Hans einen Deutschen, der nach London gekommen,
um Arbeit zu suchen, solche nicht gefunden hatte,
und ein Bummler geworden war. Hans wurde des-
halb aus Großbritannien ausgewiesen und mußte nach
seiner Heimat Berlin zurückkehren. Das traf sich
für John sehr günstig und er trat an Hansens Stelle.

Doch auch Hans grämte sich nicht; er hatte
längst Heimweh nach seinem geliebten Berlin em-
pfunden und dankte im Stillen den Polizeigewal-
tigen Englands, daß sie ihm freie Fahrt in die
Heimat verschafft hatten. Er bewunderte die neu
entstandenen Prachtbauten, die Bierpaläste, die
Cafes. Gern hätte er hier ein lustiges Leben ge-
führt, aber er besaß kein Geld. Da galt es, ge-
eignete Bekanntschaften zu machen. Hans trat in
ein Lokal zweifelhaften Rufes und musterte die
anwesenden „Damen". Da fiel ihm auf, daß Eine
derselben einsam abseits saß und recht betrübt war.

„Was fehlt Ihnen?" fragte er sie theilnehmend.

Das Mädchen thcilte ihm bald ihren Kummer
mit. Sie hatte den Vorzug vor ihren Freundinnen
gehabt, einen echten Pariser, den eleganten Jean,
ihren Geliebten zu nennen, und sie war von ihm
grausam getrennt worden. Denn die Berliner
Polizei war nicht weniger schneidig, wie die Pariser
und die Londoner; auch sie strafte alle fremden Zu-
hälter ohne Erbarmen mit Landesverweisung. Der
elegante Jean war von ihr nach der Grenze be-
fördert und den französischen Behörden ausgeliefert
worden, welche ihn nach seiner Heimat Paris
weiter transportirten; deshalb war seine verlassene
Geliebte, die hübsche Marie, in Berlin so traurig.

Nun, Hans hatte nichts Besseres zu thun, als
sie zu trösten und ihr seinen Schutz anzubieten.
Sie acceptirte dankend, und daran that sie wohl,
denn ihr Jean, der treulose Pariser, hatte sie längst
vergessen. Er hatte bei seinen Spaziergängen auf
den Boulevards die schöne aber leichtsinnige Mariette
getroffen, die Freundin des nach London abgeschubten
John, welche mit Vergnügen den eleganten Pariser
mit jenem plumpen Engländer vertauschte.

So waren Mariette, Mary und Marie zu-
frieden, John, Hans und Jean ebenfalls. Sie
waren in ihrer Heimat, wo sie nicht ausgewiesen
werden konnten und sich auf Grund ihrer genauen
Keuntniß des Terrains viel sicherer bewegten, als
in der Fremde.

Die Zeitungen in Paris, London und Berlin
aber machten viel Rühmens von der Thätigkeit der
Polizeibehörden dreier Weltstädte, welche durch ihre
energischen Ausweisungs-Maßregeln das Zuhälter-
thum gemeinsam in der wirksamsten Weise be-
kämpfen. M. st,
 
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