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Lebensgeschichte

b

es Holzschnitte größten Formnts. Der Zyklus ist erst später abgeschlossen
morden, aber gerade in den früheren Blättern lebt ein auf das Heroische
gerichteter Wille, der sie sehr rvesentlich von der sentimentalen Haltung der
hergebrachten Passionskunst unterscheidet.

Das dritte Holzschnittwerk, das in der Hnuptmasse noch der Frühzeit an-
gehört, ist das „Marienleben", ein paar Jahre später gezeichnet als die ersten
Zyklen und von anderer Stimmung. Dürer ist hier beschaulich, beschreibend,
schildernd. Etwas davon liegt in der Natur des Themas, nber es ist auch
die allgemeine Teudenz der Entwicklung. Die Beobachtungen werden feiner
und ausgedehnter, die Darstellungsmittel reicher und präziser; Licht und
Schatten spielen eine michtige Rolle; die Linienführung ninnnt eine Wen-
dung zum Zierlichen. Der Sturm und Drang ist vorbei.

Aber darf man überhaupt diesen Begrisf bei Dürer anwenden? Auch
früher, da wo man den heftigen Pulsschlag des jungen Künstlers spürt,
überwiegt das Temperament nie den künstlerischen Berstand. Das Ver-
blüffend-Originelte, die geistreichen Extravaganzen sindet man nicht bei ihm.
Ein Zeitgenosse, wie der junge Crauach, ist viel weiter vom Weg des Gc-
wohnten abgegangen und hat auf einen Augenblick vielleicht manche mehr
geblendet: nachher ist er gründlich stecken geblieben. Dürers Kunst hat von
Anfang an eine charakteristische Eigenschaft, die vollkommene Sachlichkeit:
ich meine, daß ihm die erschöpfende Darstellung der Dinge Hauptsache
gewesen ist. Durch ihn zuerst wird dann die Darstetlung an sich ein aner-
kanntes Problem der bildenden Kunst.

Wo aber die Absicht aus erschöpsende Darstellung ging, da konnte der Holz-
schnitt unmöglich genügen. Es ist die subtile Technik des Kupserstichs, in der
Dürer seine feinsten Dinge gibt, wo er für sich arbeitet, wo er die Form nach-
bildet um ihrer selbst willen. Die Malerei blieb einstweilen noch zurück.

Die Stiche umsassen alles: Heiliges und Weltliches; Landschaften, Tiere
und menschliche Figur; das Hauptthema aber ist der nackte Mensch. Jui
Jtalien war es ihm aufgegangen, daß es daran fehle bei den Deutschen.
Daß man mit dem natürlichen Gewächs des Körpers anfangen müsse und
daß die menschliche Form zugleich die letzte Aufgabe der Kunst sein möchte.
Alle Gewandsigur war doch nur Phrase, solange man den Körper nicht besaß,
und das (wenige) Nackte, was da war, so ein Schongauerscher Sebastian
etwa, erschien ungenügend nicht nur wegen mangelnder Kraft, sondern
weil der Sinn des körperlichen Baues nicht richtig erfaßt war. Aber nun
erleben wir eine große Enttäuschung: wir erwarten Naturstudien und be-
kommen Nachzeichnungen fremder fertiger Dorlagen. Dürer kopiert italienische
Muster. Der Mann, der die Mittel hatte, der deutschen Kunst vom Wirk-
 
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