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Die Meisterstiche und Verwandtes

i.

ie drei Stiche: Ritter, Tod und Teufel (L. 98), Melancholie (L. 74) und

Hieronymus (L. 60) sind oon seher gern als besondere Gruppe zusam-
mengenommen worden. Sie haben in der Größe etwas Übereinstimmendes,
sie sind unmittelbar nacheinander entstanden (1513 und 1514) und sind unter
sich oerwandt auch in der Vollkommenheit der Arbeit. Man meinte, sie müßten
auch inhaltlich zusammengehören, und hat auf alle Weise versucht, das geistige
Band zu sinden. Und wenn es mit den drei Blättern nicht ging, so sorderte
man wohl auch ein viertes, das die Reihe zu einer Folge der vier Tempera-
mente vervollständigt hätteU)

Heutzutage aber will niemand mehr recht an solche Gruppenerklärungen
glauben. Was soll man sich die Sache schwierig machen, wenn sie sich ganz
einfach verstehen läßt? Ritter, Tod und Teufel ist als Bild des „christlichen
Ritters" erkannt worden: ein alter Stofs, der gar keine Begleitung und Er-
gänzung verlangt. Die Melancholie stellt sich schon durch ihre Beischrift als
etwas Besonderes beiseite: „Melencolia I". Keines der andern Blätter hat
eine solche Bezeichnung. Die natürliche Erklärung wird die sein, dnß eine
Reihe zusammenhängender, numerierter Stiche beabsichtigt war, aber aus
irgend welchemGrunde nicht zustande kam: entweder weitereBilder der Melan-
cholie, oder — was wahrscheinlicher ist — andere Tppen menschlicher „Com-
plexe". Vom Hieronpmus endlich weiß man von vornherein, daß dieser
Heilige als Einzelblatt so und so oft vorkommt und einer besonderen Jnter-
pretation am allerwenigsten bedarf. Als Stimmungskontraste kann nmn aller-
dings den Hieronpmus und die Melancholie sich gegenüberstellen. Sie sind
in bewußtem Gegensatz gearbeitet, aber doch nicht auf gleichzeitige Betrachtung
berechnet: formal bilden sie keine Gegenstücke. Beides aber sind Stimmungs-

p Eine Zusammenstellung der ältern Erklärungen gibt Weber in seinen Beiträgen zu
Dürers Weltanschauung, 1900, S. 3 ff. Am meisten Eindruck hat zuletzt Lippmann ge-
macht, indem er aus die alte Dreiteilung der menschlichen virtut68 hinwies: die virtute8
morul68, int6U66tuul68 und t1r6o1o^ic.al68, wie sie zu Dürers Zeit Gregor Reisch in seiner
oft aufgelegten ma-rAurita, pbilo^oplnca vortrug. (Vgl. Lippman::, Kupferstich S. b6.)
 
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