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Neuer graphischer Slil — Die tleinern Passwnen

i.

(^talien hatte den Anstoß gegeben, non den Dingen wciter zurückzutreten
und die Form größer zu fassen. Zügige Zeichnungen gibt es schon oor
150ö, aber doch nur bei slüchtiger Ausführung. Sobald auf die Form näher
eingegangen mird, verliert Dürer den zusammenfassenden Blick. Die groß-
gezeichneten und doch so inhaltsoollen Köpfe zum Heller-Altar mären ohne
die italienische Schulung nicht möglich gewesen und selbst hier mag man oiel-
leicht schon da und dort, z. B. in den Händen, eine kleine Rückbildnng wahr-
nehmen gegenüber dem, was in Venedig selbst entstand. Geradlinig konsequente
Entwicklungen gibt es überhaupt nicht bei Dürer.

Die neue Zeichnung ist groß und klar und auf das Notwendige vereinsacht.
Die osseneFaktur ist ein allgemeines Charakteristikum der Graphik des lö.Jahr-
hunderts. Man soll sehen, wo der erste und wo der letzte Strich sitzt, und
soll überzeugt sein, daß gerade so viele Striche nötig wnren und nicht mehr
oder weniger. Jener Satz oon der Notwendigkeit als letzter Bestimmung der
Schönheit, den L. B. Alberti sormuliert hatte und den man füglich der Kunst
der Hochrenaissance als Motto vorsetzen kann, hat seine Geltung bis in das
Strichgefüge der einzelnenZeichnung hinein. Daß die Linien an sich eine dekora-
tive Schönheit besitzen sollen, ist schon gesagt worden, aber gegenüber den An-
sängen dieser Art von Zeichnung führt die Entwicklung zu einer iinmer größern
Reduktion des Linienmaterials und zu einer immer rationellern Ökonomie in
der Verwendung der gegebenen Elemente.

Die Albertina bewahrt die merkwürdige Zeichnung Rassaels, die er Dürer
zum Geschenk gemacht hatte: zwei männliche Akte in Rötel. Eigenhändig
hat Dürer darauf notiert, daß Raffael ihm diese nackten Männer geschickt,
ihm „seine Hand zu weisen". Dabei die Jahreszahl 1516. Man darf an-
nehmen, es habe dieses Blatt nicht den ganzen Jnhalt der Sendung ausge-
macht, wahrscheinlich sind auch Federzeichnungen dabei gewesen, auf jeden Fall
- wenn auch die Naturauffassung der beiden Künstler eine sehr verschiedene
war — in der Technik gehen sie nicht allzuweit nuseinander. Es gibt eine
Folge von freien Aktzeichnungen Dürers aus den Jahren 1514, 15, 16, die

Wölfflin, Dürer 11
 
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