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44 ' Die Xunst Klbrecht Dürers

Natur Dinge von geheimnisvoller Vorbedeutung zu sehen; allgemein ein
nervöses Aufhorchen auf Zeichen und Wunder. Von Dürer selbst wissen
roir Derartiges. Auch Luther hat bekanntlich bis zuletzt daran geglaubt, daß
die Jahre der Welt ersüllt seien.

Und nun hatte man in der Apokalypse die Beschreibung der surchtbaren
Dinge, denen die Menschheit entgegenging und das Bedürfnis war fast un-
stillbar, den schwierigen Text in Bildern sich anschaulich zu machen. „Selig
ist, der da lieset und die da hören die Worte der Weissagung und behalten,
was darinnen geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe" (Apok. 1, 3). Der
Stosf ist in Bilderhandschriften oft behandelt worden. Die Darstellung
existierte als Blockbuch. Die deutsche Bibel, die in Köln um 1480 heraus-
kam, ist in der Jllustration dieses Abschnittes ganz besonders ausführlich
und später in der ersten Bibelausgabe Luthers, September 1522, ist er sogar
der einzige illustrierte Teil.

Dürer knüpfte also an eine Tradition an. Die Holzschnitte der Kölner
Bibel waren ihm von Jugend an bekannt: der Verleger Koburger, Dürers
Pate, hatte 1493 eine Nürnberger Bilderbibel herausgegeben und darin die
gleichen Stöcke benutzt. Aber er läßt seinen Dorgänger weit hinter sich.
Man wird da und dort in den neunziger Jahren sinden, daß man sich be-
sinnt auf das Ernsthaste und Bedeutende, hier aber treffen wir plötzlich auf
eine Stimmung von so hoher Art, daß man wohl glauben kann, diese Zeich-
nungen zur Offenbarung hätten wie ein Sturmwind die Gemüter ergriffen.
Dürer wußte sich im Besitz neuer Ausdrucksmittel, aber er hatte auch Neues
zu sagen. Ilnd er wollte eindringlich reden, wie man noch nie hatte reden
hören. Schon das Format sollte ein ungewöhnliches sein: er schließt sich
an an die größten Stöcke des Prachtwerks der Schedelschen Weltchronik.

So entstanden die 14 Folioblätter, die als Buch gebunden 1498 in erster
und 1511 in zweiter Auflage herausgegeben wurden. Der Text ift immer
den Rückseiten aufgedruckt, zunächst in deutscher, später (1511) auch in latei-
nischer Sprache. Für die zweite Auflage zeichnete Dürer noch einen (un-
bedeutenden) figurierten Titel: Johannes schreibend.

Wer nun unmittelbar vom Lesen der biblischen Worte herkommt, wird
vielleicht seine Erwartungen bei Dürer nicht ersüllt finden und es ist auch
begreiflich, wenn die Schrift stärker auf die Phantasie wirkt als das Bild.
Sie arbeitet mit einer Reihe von Mitteln, die nicht übertragbar sind. Es
wogt und rauscht und dampft und flammt im Texte der Offenbarung. Was
gesprochen wird, wird gesprochen „mit Donnerstimme", „wie ein Löwe
brüllet", oder es heißt: „seine Stimme war wie ein großes Wasserrauschen";
das Bild ist stumm. Farben spielen eine wichtige Rolle; im Holzschnitt
 
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