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Die Xunst Mbrecht Dürers

Das Figürliche mühsam und teilmeise uugenügend, im Vergleich zu der frühern
Zeichnung aber (Abb. S. 33) ist die Uberwindung bloß frontaler Ansichten
bedeutsam. Die Verkürzung im Kopf des Joseph vielleicht bedingt dnrch
Pollaiuolo. Spitz und ungelenk, wie die Strichsührung nun einmal ist, kommt
ein rechter Eindruck der Rundung und Fülle nicht zustande und auch der
Blick ins Weite behält trotz allem Aufwand an Einzelmotiven etwas Märzlich-
Frostiges. Der Stich wird auf 1495 zu datieren sein?)

Etwa füwf Jahre später die Maria mit der Meerkatze (D. 42). Schon
fest und klar im Strich, mit energischen Tiefen. Wieder die sitzende Frau im
Freien, diesmal aber in italienischer Redaktion. Dürer muß eine Vorlage
aus dem Kreise des sungen Lionardo (vielleicht von Lorenzo di Credi) benutzt
haben. Das Kind gehört ganz dieser Kunstrichtung an, aber auch in der Mutter
mit der milden Neigung des Kopfes und der kontrastierenden Schiebung der Knie
ist die lionardeske Empsindung unverkennbnr. ^) Man muß an den Typus der
Maria in der Florentiner Anbetung der Könige denken. Und dieses Motiv ist
nun vollkommen plastisch durchgefühlt und man weiß genau, was unter den
Kleidern ist. Der Fnltenwurf überwuchert nicht mehr die Gestalt, sondern ist
ihr Ausdruck und kommt durch alle Dürerschen Kräuselungen nicht zu Schaden
darin. Zum Schluß eine Landschaft, die, bei aufgehobener Spmmetrie, bereits
den Bedürfnissen der Figur entsprechend angeordnet ist. ^)

Endlich die Maria von 1503, die kleinste von den dreien, aber die empfun-
denste, ganz in dem seinen, reichen Stil und in der behaglichen Stimmung
der Holzschnitte des Marienlebens. Die Situation im allgemeinen ist keine
andere als vorher, aber jetzt ist es ein geschlossener Winkel, in den die Szene
hineinverlegt ist. Die Mutter neigt sich, dem Kinde die Brust zu geben, und
dabei kommt es zu einem Spiel der Hände, so reizend in seiner Natürlich-
keit, wie Dürer später nie mehr etwas erfunden hat. Und hier versteht man
auch unmittelbar die Poesie des Faltenwerks. Wie das Geplätscher einesBrünn-

O^^Venn man den Josephskopf von Pollaiuolo abhängig macht, so märe das Datum
entschieden. Gottvater ist von Schongauer (L. 8) übernommen.

^) Der Kops geht zusammen mit dem mittleren Frauenkops der „Eifersucht", die schon
durch die Technik sich als gleichzeitig erweist und es ist bemerkenswert, daß auch dort
lionardeske Motive vorkommen. S. unten S. 93.

ch Zu dieser Landschaft existiert die Naturaufnahme als farbige Zeichnung in London
(L. 220) und es ist wertvoll, durch den Stich eines dieser Aguarelle einmal zeitlich fester
bestimmen zu können. An sich würde das Vorkommen des gleichen Motivs hüben und
drüben zwar noch nicht beweisen, daß der Stich gerade nach dieser Naturzeichnung ge-
inacht sein müsse, allein die Übereinstimmung im Zufälligen, in der Disposition des Ge-
wölks, des Ginsterstrauchs usw. ist so groß, daß das Abhüngigkeitsverhältnis unmöglich
geleugnet werden kann.
 
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