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Neuer graphischer 5til — Die kleinern passionen 163

meister an ihren Domen den Wandlungen des Geschmackes ohne Herzklopsen
gesolgt sind.

Ein Vergleich des Abendmahles mit der Krenzignng oder der Beiveinung
(s. oben S. 60 n. S. 62) mird die Ilnterschiede des alten und des neuen Holz-
schnittes ohne weiteres klarmachen. Dort liegt die Hanptwirkung in der Linie,
hier im Ton. Das ganze Feld ist gedeckt nnd wns als weiß übrig bleibt, er-
scheint darum als lenchtendes Licht. Nicht nur der Nimbus des Herrn ist sür
die malerische Haltung bezeichnend, viel mehr noch sind es die großen Noten
von hell und dunkel, die im Zentrum des Bildes stehen: das Weiß auf dem Tisch,
das Dnnkel darunter und zwischen beiden —wunderbnr leicht und schwebend —
der Mittelton des Tischtuchs im Schntten. Leider ist es unmöglich, der verklei-
nerten Nachbildung den Reiz der originalen Wirkung zu erhalten.

Bergleicht man dann die Zeichnung einer Fignr im einzelnen, so wird man
bemerken, in was für breiten Lagen die Modeltierung sich ergeht, wie oft die
Linie glatt über das Gewölbte hinweggeführt ist und nur durch die Eriveiternng
undVerengerungderJntervalleund durchdenWechsel in derRichtungderLngen
die körperliche Rundung gewonnen ist, die der alte Stil mit seiner difserenten
Zeichnung seder einzelnen Falte im Gewand umsonst zu erreichen sich bemüht
hat. Für den räumlichen Gesamteindruck ist es von entscheidender Bedentung,
daß entferntere Körper überhaupt nicht mehr modelliert werden, sondern —
wie in der Natnr — nur noch als Flächenerscheinungen mitsprechen.

DieLinienelemente sind viel einfacher nls früher und die größere Wirkung be-
ruht allein auf der ftrafferen Ökonomie. Sogar der Eindruck des reflexerhellten
Schattens, das zitternde Halblicht ist dieser Linienkunst zugänglich gewesen.

Das Tektonische der Fignrenfügung bedarfkeines befonderenHinweises. Spm-
metrische Coulissen im Vordergrund, durch kontrastierendeBewegung interessant
gemacht. Der weineinschenkende Wirt beugt nus keinem anderen Grunde sich
uns entgegen, als weil Judas auf der nnderen Seite sich ins Bild hineinbeugt.
Er ist die beschattete Figur, der andere die belichtete. Das sind italienische Re-
zepte. Wie dann die Hauptfigur mit den Eckfiguren zusammen geht und die
übrige Gesellschaft sich duckt, kommt aus derselben Quelle, und bei den Ver-
bindungsmotiven der Jünger (unter sich) muß man direkt nn Lionnrdo er-
innert werden.

Ob bei alledem die Empfindung gewonnen habe, ist eine andere Frage. Dürer
hat später (1523) ein Abendmahl entworfen, das kein günstiges Licht auf unser
Stück wirft. Es erscheint etwas gleichgültig daneben. Jch würde nber anch
denen recht geben, die in der ganzen Art der Zeichnung eine Abkühlung fühlen
und den alten Holzschnittstil trotz aller llnscheinbarkeit als den wärmeren, inner-
lich lebendigeren lieber haben.

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