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218

Die Kunst Klbrecht Dürers

Für dieses Wachsen des Stils ist die Maria von 1518 (L. 39) schon ein be-
deutendes Beispiel in der Art, wie die Falten sich zu größeren Formen verein-
fachen und das Thema der Draperie mit der Bemegung der Figur zusammen-
gebracht ist. Ein durchgehender Zug in der Figur, eine aufsteigende Bewegung,
die sich oben in den krönenden Engeln auseinanderlegt. Jn momentaner Ent-
rückung, als ob sie das Wunder der Krönung ahnte, blickt Maria ins Leere. Das
Kind ist unruhig und will sich bemerkbar machen, allein sie achtet es nicht und
halt sebstvergessen einen Apfel in der Hand wie ein heiliges Spmbol. Stim-
mungen dieser Art sind eine Ausnahme bei Dürer und es ist kein Zweifel: ein
Hans Baldung hat das verlorene Staunen der jungen Mutter unmittelbarer zu
geben gewußt (Holzschnitt der Anna selbdritt an der Mauer). Aber auch sonst,
bei aller Bewunderung für die Größe des Stils, wird man den Eindruck nicht
überwinden können, daß die Zeichnung gegen früher an Wärme etwas verloren
hat. Ein Holzzaun schließtdieBühne nach hinten ab. Nicht mehr ein malerisch Zier-
licher Gartenwinkel wie ehemals, keine ringelnden Ranken und keine zwitschern-
den Vögel: eine gerade durchlaufende Reihe von Pfählen in gleichmäßigen Ab-
ständen. Die Zweige bringen die gewollte Horizontale als stark ausgesprochene
Gegenlinie ins Bild und das ganze Gefüge als kleinteilige Form ist offenbar nur
des Kontrastes wegen da. An sich ist es eine harte trockene Wirklichkeit und die
Kleinempfindung, mit der das gespaltene Holz gezeichnet ist, will nicht recht
passen zu der Konzeption der Figur. H
Jn andererWendung gibt ein gleichzeitigerHolzschnitt das Thema der Engel-
krönung (L. 101; 1518), volkstümlich vereinfacht, aber mit großem Pomp.
Langgewandete Engel treten von den Seiten mit Früchten und Musik heran,
vorn tummelt sich eine Schar von kleinen kindlichen Spielgesellen und beherr-
schend, zusammenfassend schwebt zu Häupten der Maria das Engelpaar mit
der Krone, prachtvoll im Rauschen des Flugs. Das wesentlich Neue der Wir-
kung liegt weniger iin Schwarz-Weiß-Effekt oder der Fülle von Figur als in
der Ökonomie, die den Hauptrichtungen zugrunde liegt. Wie die Gegensätze der
Vertikale und der Horizontale zusammengebracht find sdie letztere in den Flug-
engeln), dafür gibt es ältere Beispiele nicht. Das Gefält aber ist recht holz-
schnittmäßig bunt, ohne die große plastische Form der Stiche.

0 Für das Gewand ist eine der monumentalen Draperien des Helleraltars verwertet,
eine Zeichnung, die dainals im Bild keine Verwendung fand (Albertina, ll. 512). Merkwür-
dig genug, daß ein solcher Austausch der Garderobe zwischen Stich und großem Gemälde
jetzt möglich ist. Die einheitliche Führung der Faltenzüge ist aber in der Vorlage noch
nicht vorhanden. Zu den Engeln existiert ein Entwurf in London (iü. 265), dem gegenüber
die Stichausführung eine beträchtliche Steigerung der Kraft und der Klarheit der Bewegung
bedeutet. Die Vorzeichnung zum Ganzen in letzter Redaktion in Berlin (ll. 94).
 
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