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302 Die Xunst Klbrecht Dürers

Befestigungskunst voraus erledigt, und als man endlich zu drucken anfing,
starb Dürer uber der Arbeit dahin. Am Ende des dritten Buches sindet
man die allgemeinen ästhetischen Gedanken Dürers eingerückt, wie er sie sich
einst als Einleitung zu dem allgemeinen Lehrbuch der Malerei zurechtge-
legt hatte.

Daß dieses nicht ganz aufgegeben war, erfahren wir aus den Schlußworten
des Werkes und die Nachschrift bestätigt, daß Dürer noch viel zu schreiben vor-
gehabt habe, was „für die Kunst des Malens, der Landschast, der Farbe u. dgl.
dienlich" gewesen wäre; vor allem habe eine ausführlicherePerspektive in seinem
Plan gelegen.

Neben dem gedruckten steht uns noch das ziemlich umfängliche handschrift-
liche Material der Vorarbeiten zur Verfügung. Man sieht, wie Dürer mit
dem Wort ringt, wie surchtbar schwer es ihm geworden ist, seine Gedanken
zu gliedern. Er nennt sich selbst einen Nngelehrten. Aber in aller Unbehils-
lichkeit wirkt er doch wieder höchst überrnschend durch die Kraft des Einzel-
nwrtes. Leider ist die Frische der ersten Niederschriften im Buchtext nicht
überall erhalten geblieben.

Der Sachinhalt des Proportionswerkes ist durch Winterberg vor kurzem
im Repertorium für Kunstwissenschaft ausführlich erörtert wordenfi) wir be-
schränken uns hier aus die prinzipielle Seite des Problems.

2.

„So wir aber sragen, wie wir ein schön Bild sollen machen, werden etliche
sprechen: nach der Menschen llrteil. So werdens dann die andern nicht nach-
geben und ich auch nicht. Ohn ein rechtes Wissen, wer will uns denn deß gewiß
machen?" ^) Jn diesen Worten der Proportionslehre ist gesagt, was Dürer
quälte. Er suchte nach einer Schönheit, die unabhängig wäre von der „Meinung"
der Menschen. Das bloße Wohlgefallen entscheidet nichts, Schönheit ist etwas,
was sich „beweisen" lassen muß. Der Menschen llrteil schwankt, dem einen
gesallt das, dem andern jenes, die wahre Schönheit aber ist zwingend, wie ein
mathematischer Lehrsatz, vor dem man „gefangen" steht.

Diese platonisierende Jdee von der Schönheit hat Dürer wie in einen Zauber-
bann geschlagen. Als ihm Jacobo de' Barbari zum erstenmal Andeutungen
machte, daß es eine Formel gäbe, nach der man den vollkommenen Menschen

0 RepertoriulN 1903, in fünf Auffätzen.

0 U I'. 221. — Bild heißt Figur, Geftalt. Bei Springer und andern find Mißverständ-
nisse entftanden, weil der altertümliche Sinn des Wortes verkannt wurde.
 
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