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Allgemeines


v. Klarheit und Unklarheit

(Unbedingte und bedingte Klarheit)

Malerei

i.

Jedes Zeitalter hat von seiner Kunst verlangt, daß sie klar sei, und es ist
immer ein Vorwurf gewesen, wenn man die Darstellung unklar genannt
hat. Aber das Wort hat doch im 16. Jahrhundert einen andern Sinn gehabt
als später. Für die klassische Kunst ist alle Schönheit gebunden an die
restlose Offenbarung der Form, im Barock verdunkelt sich die absolute
Klarheit selbst da, wo die Absicht auf vollkommene Sachlichkeit geht. Die
Bilderscheinung fällt nicht mehr zusammen mit dem Maximum gegenständ-
licher Deutlichkeit, sondern weicht ihm aus.

Nun ist es ja bekannt, daß jede fortschreitende Kunst die Aufgabe für
das Auge schwerer und schwerer zu machen sucht, das heißt, wenn erst
einmal das Problem der klaren Darstellung erfaßt ist, wird es sich von selber
ergeben, daß der Auffassung gewisse Schwierigkeiten in den Weg gelegt
werden, daß die Bildform sich kompliziert und daß der Beschauer, dem das
Einfache allzu durchsichtig geworden ist, in der Lösung der verwickelteren
Aufgabe einen Reiz empfindet. Allein die barocke Verunklärung des Bildes,
von der wir zu sprechen haben, würde doch nur teilweise als Reizsteigerung
in diesem Sinne begriffen werden können. Das Phänomen ist von tieferer
und umfassenderer Art. Nicht um die erschwerte Lösbarkeit eines Rätsels,
das schließlich doch geraten werden kann, handelt es sich, sondern hier
bleibt immer ein ungeklärter Rest übrig. Der Stil absoluter und relativer
Klarheit ist ein Darstellungsgegensatz, der mit den bisherigen Begriffen
durchaus parallel geht. Er entspricht zwei verschiedenen Grundanschau-
ungen und es ist mehr als das bloße Verlangen nach Reizsteigerung einer
erschwerten Perzeption, wenn der Barock die alte Schaustellung der Form
im Bildwerk als etwas Unnatürliches empfindet, das ihm zu wiederholen
unmöglich ist.

Während die klassische Kunst alle Darstellungsmittel in den Dienst der
deutlichen Formerscheinung stellt, ist hier grundsätzlich der Schein ver-
mieden, als ob das Bild für die Anschauung zurechtgemacht sei und jemals
ganz in Anschauung aufgehen könne. Ich sage: es ist der Schein vermieden, in

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