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Wolff, J. A.
Die St. Nicolai-Pfarrkirche zu Calcar, ihre Kunstdenkmäler und Künstler: archivalisch und archäologisch bearbeitet ; ein Beitrag zur niederrheinischen Kunstgeschichte des Mittelalters — Calcar, 1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.14704#0014
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YI

Hansestadt. Berühmt im Herzogthum war der sehr besuchte Getreidemarkt, welcher jeden Donnerstag
Statt hatte. Auch befand sich daselbst das von Herzog Adolph von Cleve im J. 1420 errichtete sehr
geräumige Kornmagazin („granarium ureigne amplissimumque"), aus welchem zu Zeiten der Theurung die
hiesige und umwohnende Bevölkerung ihr Getreide bezog. Calcar hiess die Yorrathskammer (penuarium)
des Clevischon Landes. Fassen wir Vorstehendes zusammen, so werden wir begreifen, dass unter der
Inesigen Bürgerschaft Wohlstand herrschte, womit die erste Vorbedingung für ein fruchtbares Entfalten
künstlerischer Tbätigkeit in Calcar gegeben war.

Sodann ist es die örtliche Lage Calcars, welche der Kunstpflege hierselbst sehr förderlich war.
Calcar war ringsum von zahlreichen Ritterburgen und wohlhabenden Dörfern umgeben, woselbst im 15. Jahr-
hundert fast überall die schönen Pfarrkirchen mit ihren Schrein- und Flügelaltären, Chorstühlen, Lettnern
u. s. w. erbaut wurden, welche noch heute eine Zierde der Gegend bilden. Die zahlreichen Stiftungen
von Klöstern und Altären durch die Clevischen Fürsten Adolph 1394—1448, Johann I. 1448—1481, und
Johann IL 1481—1521 mussten anregend auf Adel und Bürgerschaft wirken und in den weitesten Kreisen
auch den Sinn für Kunst wecken. Die Oertlichkeit Calcars war künstlerischem Schaffen insbesondere auch
deshalb günstig, weil in seiner Nähe die landesherrliche Lieblingsrcsidcnz Monreberg, in der Mitte des
Herzogthums gelegen, der Wittwensitz der Clevischen Fürstinnen, sich befand. Die drei oben genannten
Fürsten hatten ihre Erziehung und Ausbildung am burgundischen Hofe zu Gent oder zu Brüssel, in einem
Lande erhalten, wo bekanntlich die Malerei und Sculptur in hoher Blüthe stand, und wo die mit bemalten
Flügeln versehenen Schreinaltäre ihre Heimath haben, weshalb sie „niederländische Arbeit" genannt zu
werden pflegten. Auch die damaligen Herzoginnen waren aus dem Hause Burgund. Es ist selbstver-
ständlich, dass die Clevischen Landesherrn, Avelchc in Calcar einen eigenen Hof hatten und nicht selten mit
den Bürgern zu einem Weingelage versammelt waren, die Pflege des Kunsthandwerks nicht nur gerne
sahen, sondern diesen Bestrebungen durch Aufträge und sonstige Unterstützung Vorschub leisteten.

Ein sehr grosses, wenn nicht das grösste Verdienst um die Kunstpflege zu Calcar erwarb sich die
im J. 1348 in der hiesigen Pfarrkirche errichtete Bruderschaft U. L. Frau, welche mit der Förderung des
Seelenheiles und der Charitas den Nebenzweck verband, den Künstlern Aufträge zu geben zur Ausschmückung
des Gotteshauses mit Gemälden und Schnitzwerken1). Die Stiftung dieser Fraternität ging von dem
damaligen Stadtpfarrer und Dechantcn des Xantener Dccanats Philipp Kael aus. Ihm schlössen sich noch
zwanzig hervorragende Geistliche und vornehme, grosscntheils ritterbürtige Laien, die meist ausserhalb
Calcars ansässig waren, als Mitstifter an. Die Namen derselben sind: Heinrich von Schloss Boitzlaer bei
Calcar, Stiftsherr an der Liebfrauenkirehc zu Utrecht und dort residirend, Wasmodus von Kervenheim,
Pfarrer zu Niedermörmter, Kuland von Dinslaken, Kector der Schlosskapelle zu Monreberg, Johann Lueff,
Henricus Bade, Albert von Horst, Priester, Richard und Johann gen. von Calcar, Brüder, Arnold von
Steinbergen, Heinrich gen. Speckhamm, Swederus gen. Otten, Gerhard Meyar, Wilhelm von Calcar,
Reyncrus Reynaldi, Theodoricus vom Hause Moirter, unweit Calcar, Genekinus gen. Schaddc, Ywanus
Ywani, Heinrich Hcrtongh, Theodoricus von Borstade und Arnold gen. Weke. Schon nach dreijährigem
Bestehen wurden aus den Fonds dieser Fraternität in der Pfarrkirche zwei Altäre und Yikarien gestiftet.
Aus einem dies betreffenden Schreiben des Pfarrers Kael an den Erzbischof Wilhelm von Cooln vom
J. 1351 ersehen wir, dass der damalige Graf von Cleve, Johann, und der Lehnsherr von Schloss Moyland,
Roland Hagedorn, Mitglieder der Bruderschaft waren. Den Statuten gemäss konnten nur Männer Mitglieder
werden. Später wurden auch Frauen aufgenommen. Nicht sehr lange nach der Gründung der Bruderschaft

:) Diu im J. 1318 zu Herzogenbusch in Nordbrabant gestiftete, von mehreren Päpsten, Cardinälen und Bischöfen
durch Ertheilung von Indulgenzen geförderte Liebfrauenbruderschaft hatte ausser religiösen und mildthätigen
Zwecken auch einen künstlerischen, nämlich die Ausbildung und Pflege des mehrstimmigen Gesanges oder Diskants.
Zur Unterhaltung dieser Kapelle wurden längere Zeit jährlich 1800 rheinische Gulden verwandt, eine im 14. und
15. Jahrhundert sehr beträchtliche Summe.

Vgl. Jac. van Oudenhoven, Beschreibung von Herzogenbusch 1C70 S. 103: „Noch ouderhelt die Broederschap
voorschreven op hären swaren kost, als oock van aenbegin ghedaen is, een eerlycke Cappel van meesters ende
jonghen, constich ende gheleert in ghebroocken Musyck of discant, die v>elcke die voorschreven Godts-diensten
singhen ende onderhouden.

Vgl. ferner ibid. p. 109. —
 
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