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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 2): Die Malerei der Renaissance — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.48520#0050
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Drittes Buch. I. Abtheilung. Erfter Abfchnitt.

Er theilt im wefentlichen die Principien der van
das Realiftifche und Individuelle und ebenfo ihre
er ift eine ganz anders geartete Natur. Statt der
fie, wie im Genter Altäre, tieffinnig und erhaben,

i) Catalogue du musee d’Anvers. — Wauters: Roger v. d. Weyden, ses Oeuvres, ses eleves et
ses descendants, Bruxelles 1856. — Pinchart zu Crowe und Cavalcafelle. — Carei van Mander macht
aus ihm zwei verfchiedene Perfonen, »Rogier van Brugghe« und »Rogier van der Weyde, Schilder
van Bruffel«, den er 1529 derben läfst.

einem unbekannten Maler dafelbft, Robert Campin, als Lehrling aufgenommen
und ward am 1. Auguft 1432 Meifter in der Malergilde dafelbft. Nicht lange
danach fiedelte er nach Brüffel über, wo er dann auch feinen Beinamen in das
Flämifche übertrug; hier wurde er zum Stadtmaler ernannt; am 2. Mai 1436
ift er zuerft als folcher urkundlich erwähnt. Später unternahm er eine Reife
nach Italien, wo er fchon 1449 nachweisbar ift und dann in Rom das Jubiläum
des Jahres 1450 mitmachte. Rogier lebte in guten bürgerlichen Verhältniffen,
war hochangefehen und für das ganze burgundifche Reich befchäftigt. Er
ftarb zu Brüffel am 16. Juni 1464 1).
Kcharakter.er Ein näherer Zufammenhang Rogier’s mit der van Eyck’fchen Schule ift
nicht nachzuweifen, obwohl eine perfönliche Berührung mit Jan van Eyck
immerhin möglich bleibt.
Eyck, ihre Richtung auf
malerifche Technik, aber
vorwaltenden Ruhe, mag
oder wie in Jan’s Madonnenbildern, finnig und gemüthlich fein, tritt bei ihm
ein Zug des Affectes und der Erregung hervor. Das franzöfifche Blut ift bei
Rogier, der aus franzöfifch Flandern flammte, merklich. Diefe Richtung ift
nun aber mit den Principien der flandrifchen Schule, der Gleichwerthigkeit
zwifchen Hauptfache und Beiwerk, Figuren und Umgebung, nicht vollftändig
vereinbar. Der Ausdruck von Pathos und Leidenfchaft nimmt das Bewufstfein
fo ftark in Anfpruch, dafs es für die Aufnahme behaglicher, ausführlicher
Schilderung keine Mufse hat, ja von folcher faft gehört wird. Daher flehen
Rogiers ausdrucksvolle Gehalten und Geflehter oft hart im Gefammtbilde.
Seine Auffaffung wird ferner, weil fie gröfsere Bewegtheit der Figuren ver-
langt, eine in erher Linie zeichnende. Aber fo fcharf und frappant er ein
neugeborenes Kind, das auf dem Rücken liegt, die Zehen fpitzt und grofse
Augen macht, nach dem Leben, einen Leichnam in der Todtenharre nach
dem Modell malt, fo fehlt doch feinen bewegteren Figuren aus Mangel an ana-
tomifchem Wiffen, welches diefer Zeit noch verfchloffen blieb, meih die rechte
Sicherheit und Freiheit. Die Figuren gerathen heif, hager, afketifch, einzelne
Körpertheile, befonders Hände und Füfse, kommen leicht aufser Verhältnifs.
Im Faltenwurf tritt allerdings bei ihm nicht jenes Spiel mit reichen, farben-
prächtigen Gewandmaffen zu Tage, wie bei Jan, und er erfcheint dadurch oft
reiner im Gefchmack; doch kommen auch wieder harte, fcharfbrüchige Motive
vor. Die Köpfe, in denen bei allem individuellen Gepräge doch der Typus
eines länglichen Ovals, grofser Augen und ftark vortretender Stirn durchgeht,
find flets ausdrucksvoll und von innerem Leben erfüllt, aber herb; und felbft
jn ruhigen Situationen, felbft wenn ein Bild milder Weiblichkeit hingeflellt
werden foll, fehlt das Gefällige, bleibt ein Schatten von Dürftigkeit zurück.
Da nun Rogier zunächft Zeichner ift, bringt er es wohl zu grofser tech-
nifcher Vollendung und Präcifion in der Farbe, ift aber nicht eigentlich von
coloriftifchem Gefühle geleitet. Seine Farbe ift harmonifch, im Fleifchton klar,
 
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