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BESPRECHUNGEN

druckspsychologie noch beträchtlich konkreter zu fassen sein, wie ich das in meiner
„Psychologie der Musik" versucht habe, da insbesondere die Beziehung zwischen
Seelenleben und körperlicher Bewegung, also auch der in den Tönen sich spiegelnden,
viel enger ist, als das die ältere Psychologie ahnte. Eine andere Frage jedoch ist,
wieweit diese Einsichten in die Symbolik, selbst derjenigen, die vom Tonschöpfer be-
wußt erstrebt wurden, notwendig und fördernd für das Musikerleben des Hörers
sind oder sein können. In der Vokalmusik wird ja deutlich ein bestimmter Vorstel-
lungsgehalt suggeriert. Aber ist dieser dabei überall das Wesentliche, und vor allem
ist er gegenüber der Instrumentalmusik nicht eine Metabasis „eis allo genos", näm-
lich ins Poetische oder, wie man unfreundlicher sagt, ins „Literarische"? Wäre der
poetische Gehalt wirklich, z. B. für Beethoven, so entscheidend gewesen, wie Schering
meint, so hätte der Komponist doch vermutlich deutlichere Anweisungen für den
Hörer gegeben. Aber das hat z. B. Beethoven nur in wenigen Fällen getan, in den
andern Fällen jedoch, gerade wenn Schering mit seiner Deutung recht hätte, be-
wußt alle Hilfen für die Phantasie unterdrückt. Das Wesen der musikalischen
Symbolik liegt doch wohl nicht in der Bestimmtheit, sondern gerade der Unbestimmt-
heit, im Irrationalen, „Unendlichen".

Aber solche Bedenken berühren nicht den wissenschaftlichen Wert des
Schering'schen Werkes. Über dessen Gesamthaltung wie über Scherings persönliche
Entwicklung unterrichtet knapp und klar ein Nachwort des Herausgebers W. Gurlitt..

Berlin-Dahlem. R. Müller-Freienfels.

Georg Lill: Hans Leinberger. Der Bildschnitzer von Lands-
h u t. Verlag F. Bruckmann, München 1942.

Eine der verlockendsten, aber auch eine der schwersten Aufgaben der Geschichte
der deutschen Plastik konnte es sein, eine neue Monographie über Hans Leinberger
zu schreiben. Die Arbeit von Georg Lill — nehmen wir diesen ersten und letzten
Eindruck vorweg — erfüllt diese Aufgabe in hervorragender Weise. Nicht nur in
der gründlichen Untersuchung aller geschichtlichen und denkmalkritischen Voraus-
setzungen und in der abgeklärten, systematisch aufbauenden Darstellung, sondern
auch in der sehr glücklichen Form eines handlichen Buches mit zahlreichen, sehr
schönen und instruktiven Abbildungen entstand eine Veröffentlichung, die kaum er-
kennen läßt, daß sie den Nöten des Krieges abgerungen ist und von der man nur
sagen kann, wir wünschten, daß wir auch von anderen unserer alten Meister solche
umfassende und doch zugleich straffe Darstellungen besitzen würden.

Skizzieren wir kurz die Wissenschaftslage. Nach der verhältnismäßig spä-
ten Wiederentdeckung des Namens Leinbergers folgte eine Zeit der Funde und
Zuschreibungen, die zwar bereits manche endgültige Deutung und Wertung ein-
trug (wir brauchen 'als Beleg nur die Namen Pinders und Feulners anzuführen),
aber in der schwankenden Umreißung des Werkes sich auch noch in der 1932 in
Landshut veranstalteten Gedächtnisausstellung, ihrem Katalog und der anschließen-
den Diskussion vermeintlicher neuer archivalischer Funde spiegelte. Es ist keine
Herabsetzung der wissenschaftlichen Forschung, wenn wir die seitdem vorgenom-
menen restauratorischen und konservatorischen Arbeiten für die wertvollste Läuterung
unseres Vorstellungsbildes von dem Werke Leinbergers halten. Diese betrafen nicht
nur das Hauptstück Leinbergers, den Moosburger Altar, sondern ebenso jene zeit-
genössischen Werke, die als Koordinaten dieses Geschichtsbildes dienen: die großen
Schnitzwerke des ostmärkischen Donaulandes, die Gemälde Albrecht Altdorfers und
den Breisacher Altar des monogrammgleichen oberrheinischen Meisters HL. Auf
 
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