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Die Anfange der Weimarer Malerschule

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lich fiir die aus damaliger Sicht extreme Hellfarbigkeit, Fleckigkeit und Aus-
schnitthaftigkeit der Bilder der französischen Impressionisten. Nun offenbarte die
Weimarer Malerschule ihr erstaunliches Entwicklungspotential: Die schon nicht
mehr ganz jungen Künstler Christian Rohlfs, Ludwig von Gleichen-Russwurm
und Theodor Hagen vermochten nicht nur das Neuartige in den Werken ihrer
französischen Kollegen zu erkennen, sondern daraus auch die Kraft fiir eine
nochmalige Erweiterung ihrer eigenen Bildsprache zu schöpfen.

Die Ausbildung eines impressionistischen Malstils blieb allerdings weitgehend
auf diese Protagonisten der Weimarer Malerschule beschränkt. Nur einzelne
Maler wie Berthold Paul Förster oder J. W. Jürgens folgten ihrem Vorbild. Die
zum weiteren Umfeld der Weimarer Malerschule zu rechnenden Künstler öf-
fneten sich nur bedingt hellmalerischen Tendenzen und beschränkten sich auf
eine moderate Weiterentwicklung der in den 1880er Jahren erreichten Po-
sitionen. Paul Tübbecke, Eduard Weichberger, aber auch jüngere Künstler wie
Max Asperger und Paul Riess wären hier zu nennen. Andere wie Franz Bunke
oder Peter Paul Draewing nahmen Einflüsse des Jugendstils auf. Diese Konstel-
lation bedingte, daß nach der Jahrhundertwende die nur leicht modifizierten
künstlerischen Prinzipien der Weimarer Malerschule aus den 1880er Jahren für
eine Vielzahl von Weimarer Malern bis lange ins 20. Jahrhundert hinein Tradition
blieben, während das innovatorische Potential des Weimarer Impressionismus zu
schwinden begann, als Christian Rohlfs 1901 Weimar verließ, um nach Hagen in
Westfalen überzusiedeln, Ludwig von Gleichen-Russwurm im gleichen Jahr ver-
starb und nur noch Theodor Hagen übrig blieb, den Impressionismus Weimarer
Prägung zu einer letzten Blüte zu verhelfen.

Nach dieser Klärung des Entwicklungsgangs der Weimarer Malerschule im all-
gemeinen, soll nun auf einige Einzelaspekte desselben näher eingegangen wer-
den. Es wurde gesagt, die Weimarer Malerschule habe sich im Verlauf der 1870er
Jahre herausgebildet. Eine genaue >Geburtsstunde< ihres Entstehens läßt sich
allerdings nicht angeben; vielmehr müssen einzelne, zeitlich disparate Ereignis-
se als Indizien ihrer Genese gedeutet werden: der Erlaß neuer Statuten der
Kunstschule 1874, die Berufung von Theodor Hagen und Albert Brendel 1871
bzw. 1875, Hagens Übernahme des Direktorats 1876, die Gründung des
Weimarer Radiervereins 1877.

1874 wurden an der Kunstschule neue Statuten erlassen, die, wie bereits im
vorhergehenden Kapitel erläutert, endgültig die Abschaffung des Klassensy-
stems und der hierarchischen Abstufüng der Lehrfächer festschrieben. Bedenkt
 
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